Ingolstadt
Frau Wirtin war einfach überfordert

Insolvenzverschleppung und andere Delikte bringen Gastronomin Bewährungsstrafe ein

24.02.2016 | Stand 02.12.2020, 20:09 Uhr
Symbolbild Gericht −Foto: David-Wolfgang Ebener/dpa

Ingolstadt (DK) Sie wollte nach der Trennung von ihrem Mann auf eigenen Beinen stehen und übernahm als Wirtin ein Ingolstädter Gasthaus. Doch die lange gastronomische Erfahrung an der Seite ihres Noch-Gatten nutzte einer 52-jährigen Frau offenbar nicht viel: Mit ihrem eigenen Betrieb hatte sie sich offenbar übernommen und mit der Zeit nicht nur jede Menge Verbindlichkeiten angehäuft, sondern auch die Regeln kaufmännischer Buchführung ignoriert.

Gestern stand die gelernte Hauswirtschafterin wegen Insolvenzverschleppung, vorsätzlichem Bankrott, Untreue und Verstößen gegen die Sozialversicherungspflicht und das Handelsrecht vor dem Schöffengericht. Das von ihr bereits akzeptierte Urteil lautete auf ein Jahr und zwei Monate Haft mit dreijähriger Bewährungsfrist.

Vor Amtsrichter Michael Fein und seinen beiden Schöffinnen wollte die Angeklagte erst gar nichts beschönigen. Sie räumte über ihren Verteidiger Jörg Gragert unumwunden alle Vorwürfe ein, die der Vertreter der für Wirtschaftsstrafsachen zuständigen Staatsanwaltschaft München II zuvor über eine Viertelstunde hinweg aus der Anklageschrift vorgelesen hatte. In der Summe ging es um einen Schaden von letztlich knapp 440 000 Euro, der durch ihr Handeln (und immer wieder wohl auch durch Unterlassen) vor allem in den Jahren 2012 und 2013 entstanden war.

Letztlich hatte die AOK Bayern wegen ausbleibender Sozialversicherungsbeiträge für Beschäftigte des Gasthauses im August 2013 die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über den Gastronomiebetrieb beantragt. Zu diesem Zeitpunkt hätte die Wirtin nach Auffassung der Ermittlungsbehörde aber schon längst von sich aus ihre Zahlungsunfähigkeit bei Gericht anmelden müssen. Einer der in acht Anklagekomplexen aufgelisteten Vorwürfe der Staatsanwaltschaft lautete zum Beispiel darauf, dass die Angeklagte sich noch mit rund 40 000 Euro von einem Firmenkonto bedient hatte, als die Pleite längst unabwendbar war. Somit war auch noch Barvermögen aus der Insolvenzmasse abgezogen worden.

Anwalt Gragert verdeutlichte im Namen seiner Mandantin, dass die Frau den Anforderungen an die Führung eines größeren Gastronomiebetriebes nicht dauerhaft gewachsen gewesen sei. Sie sei "vollständig überfordert" gewesen mit dem, "was da so alles auf sie einprasselte". Mit der Zeit sei praktisch alles ins Kraut geschossen: "Sie hatte nahezu vollständig den Überblick verloren."

Nachdem die Brauerei den Vertrag mit der Wirtin im April 2013 gekündigt hatte, habe seine Mandantin den Betrieb eigentlich noch bis zum Auslaufen des Pachtverhältnisses Ende September 2013 "mit Anstand" über die Bühne bringen wollen, so Gragert, doch dann sei einfach alles aus dem Ruder gelaufen. Man könne bei der Frau aber eine Wiederholungsgefahr ausschließen: "Sie plant nicht, nochmals ein neues Lokal aufzumachen."

Hintergrund für ihren Mangel an Liquidität seien auch seit 2009 laufende Streitigkeiten mit ihrem Noch-Ehemann, verdeutlichte die Frau dem Gericht ihre Situation. In mehreren Zivilverfahren vor dem Ingolstädter Landgericht gehe es um Werte von insgesamt rund 1,4 Millionen Euro aus Immobilienvermögen und anderem gemeinsamem Besitz, die ihr vom Gatten vorenthalten würden: "Er zahlt einfach nicht." Dabei habe sie vor Jahrzehnten "das Geld mitgebracht" und "alles mit aufgebaut".

Wenn sie erst einmal ihr Geld sehe, würden auch die Verbindlichkeiten aus dem Konkurs schnell beglichen, versicherte die Angeklagte. Doch das könnte noch dauern. Richter Fein verzichtete in seinem Urteil schon mal vorsorglich auf eine vom Staatsanwalt geforderte zusätzliche Geldauflage ihn Höhe von 5000 Euro. Für die Verfahrenskosten muss die Frau allerdings aufkommen.