Ingolstadt
"Ein Experte für jeden Ziegelstein"

Historischer Verein feiert 150. Jahrestag seiner Gründung – Wichtige Beiträge zur Identität der Stadt

25.10.2015 | Stand 02.12.2020, 20:38 Uhr

Im Dienste der Heimatforschung: (v. l.) Matthias Schickel (Vorsitzender des Historischen Vereins), die geehrten Mitglieder Horst Riedel und Edmund Hausfelder, sowie Beatrix Schönewald, die Leiterin des Stadtmuseums. Auf dem Gemälde im Spiegelsaal: Franz Joseph, Kaiser von Österreich. - Foto: Silvester

Ingolstadt (DK) Am 24. Oktober 1865 gründete Franz Xaver Ostermair den Historischen Verein. Am Samstag, auf den Tag genau 150 Jahre später, feierten die Mitglieder das Jubiläum im Spiegelsaal des Kolpinghauses. Festredner würdigten die Verdienste des Vereins um das historische Bewusstsein.

Mangelnden Respekt vor in Ehren ergrauten Honoratioren kann man ihm wirklich nicht nachsagen. Matthias Schickel, der Vorsitzende des Historischen Vereins, liegt mit seinen 46 Jahren ein gutes Stück unter dem Altersdurchschnitt derer, die sich versammelt hatten, um das 150. Jubiläum des Vereins zu würdigen. Deshalb eröffnete Schickel, promovierter Historiker und Studiendirektor am Katharinen-Gymnasium, seine Rede mit Gedanken zum Treffen der Generationen. „Als Lehrer bin ich es gewöhnt, dass die Rollen klar verteilt sind. Ich weiß mehr als die, die vor mir sitzen, jedenfalls meistens. Aber heute ist die Kompetenzverteilung andersherum.“ Denn nun sitze „ein Schatz an Wissen“ vor ihm. „Hier im Saal gibt es sicher einen Experten für jedes Ingolstädter Thema, vermutlich sogar für jeden Ziegelstein“, sagte Schickel. Leider könne er nicht alle Vertreter von Bildungsinstitutionen, die den Festakt beehren, einzeln begrüßen, „denn sonst wird der Sekt warm“.

Schickel hob die Bedeutung eines Historischen Vereins für die Identifikation der Bürger mit ihrer Stadt hervor. Vergangenes dokumentieren, erinnern, Geschichte erlebbar machen, mit historischem Wissen an städtebaulichen Debatten teilnehmen – das seien wichtige Beiträge für die Bewusstseinsbildung und das Selbstverständnis einer kommunalen Gemeinschaft. „Denn Geschichte verliert sich nicht im abstrakten Nirwana“, so Schickel. „Im Gegenteil. Geschichte vollzieht sich in einem konkreten Raum: in unserer Stadt!“

Oberbürgermeister Christian Lösel hob anerkennend hervor, dass der Historische Verein „so lange durchgehalten hat“. Er hatte ein geschichtsbewusstes Geschenk dabei, allerdings keinen Gegenstand, sondern eine Ankündigung (siehe den Artikel unten). Lösel ermutigte die Vereinsmitglieder dazu, sich auch weiterhin in Debatten der Gegenwart zu Wort zu melden, „denn die Politik bewegt die ganze Gesellschaft“. Da wurde er konkret: Es dürfe nicht wieder passieren, dass es zu Missverständnissen und Dissonanzen komme wie im Fall der Eselbastei auf dem Gießereigelände und der Frage, wie sie zu erhalten sei. Der OB wünscht sich daher „mehr Austausch“.

Beatrix Schönewald, die Leiterin des Stadtmuseums und des Stadtarchivs, war 1997 die erste Frau in der Reihe der Vereinsvorsitzenden. Sie erinnerte an alle Amts-Ahnen seit dem Gründer Franz Xaver Ostermair und deren Verdienste. Besonders würdigte Schönewald den Historiker und früheren Kulturreferenten der Stadt Siegfried Hofmann, der im vergangenen Jahr gestorben ist. Das 1981 eröffnete Stadtmuseum im Kavalier Hepp ist im Wesentlichen Hofmanns Werk.

Kurt Scheuerer, eine ebenso unermüdliche wie unverzichtbare Kraft des Vereins, verdeutlichte in einem Bildervortrag, welch großen Anteil die Ehrenamtlichen an archäologischen Ausgrabungen der vergangenen Jahrzehnte hatten. Er erzählte von dem Glücksmoment, als man einst mithalf, ein Grab unter dem heutigen Carraraplatz zu erforschen und sich herausstellte: „Wir Ingolstädter haben schon 4000 Jahre auf dem Buckel!“ Apropos Alter: „Wir brauchen dringend Nachwuchs im Verein“, sagte Scheuerer. „Leute um die 70 sind gefragt.“

Am Ende ehrten Schönewald und Schickel drei Mitglieder für ihre Verdienste: Horst Riedel, 36 Jahre lang Lehrer am Katharinen-Gymnasium, „ein bis heute sehr aktiver Ehrenamtlicher“. Ferner Edmund Hausfelder, seit 1996 stellvertretender Leiter des Stadtarchivs, „ein stiller, aber sehr konsequenter und kompetenter Forscher“, so Schönewald. Gerd Welker, der versierte Restaurator des Vereins, wurde in Abwesenheit geehrt. Er fehlte aus familiengeschichtlichen Gründen: Welker feiert seinen 80. Geburtstag.

Die Geschichte des Historischen Vereins ist auch eng mit der Erforschung des Limes und Ausgrabungen in den Kastellen von Oberstimm, Kösching und Pfünz verbunden. Männer wie der Vereinsgründer Franz Xaver Ostermair, der Köschinger Ferdinand Ott, Hermann Witz, Wilhelm Ernst, Franz Schwäbl oder Josef Reichart leisteten wichtige Grundlagenarbeit. Ihr Wirken ist das Thema der Ausstellung „Grenzland des Imperiums“, die noch bis 10. Januar im Stadtmuseum zu sehen ist.