Ingolstadt
Es bricht aus ihm heraus

Im Zandter Totschlagsprozess sagt der Angeklagte überraschend mehr als eineinhalb Stunden lang aus

17.10.2017 | Stand 02.12.2020, 17:20 Uhr
Im Streit hat der 32-jährige Angeklagte seine 17 Jahre ältere Ehrfrau im Bad der gemeinsamen Wohnung im Denkendorfer Ortsteil Zandt erstickt. −Foto: Rehberger

Ingolstadt (DK) Der Prozess um das Familiendrama von Zandt ist mit dem fünften Tag schon weit fortgeschritten. Umso überraschender war es, als der 32-jährige Angeklagte gestern selbst das Wort erhob und ausführlich eine persönliche Erklärung abgab, wie es zu dem gewaltsamen Tod seiner Frau kam.

Vier Tage hat er mehr oder weniger geschwiegen; zwar über seinen Anwalt Klaus Wittmann (Harderstraße) schon detailliert den tragischen Verlauf des 2. Januar 2017 und die Vorgeschichte schriftlich fixieren und danach vortragen lassen. Danach aber beantwortete der Angeklagte keine Nachfragen. Bis gestern nun, als es quasi aus ihm herausbrach und der Deutsch-Algerier mehr als eineinhalb Stunden mit geschliffenen Worten auf Deutsch und Französisch seine Sicht darstellte. Wie seine 17 Jahre ältere Frau, die er im Bad der gemeinsamen Wohnung in Zandt im Streit erstickte, wirklich war.

Vorbereitet war er offenbar schon länger, doch den letzten Anstoß dürfte ein Brief seiner französischen Schwiegermutter gegeben haben, den Landgerichtsvizepräsident Jochen Bösl gestern vorliest, da die Seniorin aufgrund ihres Gesundheitszustands nicht aus der Bretagne anreisen kann. Die Worte treffen den Angeklagten wie ein Hammer ("Unglaublich, was ich hier höre"), denn er wähnte sich in einem sehr guten Verhältnis zu den Schwiegerleuten - die man im Urlaub regelmäßig besucht hatte - und quasi als deren Sohn. Nun erfährt er: Die Schwiegermama will die Warnsignale lange nicht erkannt und zu spät verstanden haben, dass ihre Tochter unter dem Einfluss ihres Mannes angeblich gelitten hatte. Sie hätte die Polizei einschalten sollen. "Der Schmerz ist unermesslich groß", schreibt die Mutter der Getöteten.

Der Angeklagte habe seinen achtjährigen Sohn nicht geliebt, dieser habe sogar große Angst vor ihm gehabt. Ihren Lebensgefährten habe der Angeklagte provoziert; bisher eine kaltblütige Art präsentiert, und jetzt mit Aggressivität sein wahres Gesicht gezeigt, so der Brief weiter.

Dieses schlimme Bild von sich wollte der Angeklagte so nicht stehen lassen. Auch auf verschiedene Aussagen im Prozessverlauf nimmt er Bezug, als er groß ausholt. Zunächst einmal zur Tat selbst. Das Motiv der Eifersucht auf einen Nebenbuhler, wie es am Landgericht immer wieder genannt wurde, wies er zurück. Er habe seine Frau an jenem Tag nicht im Bad zu Rede gestellt, als er eine mutmaßlich verfängliche Nachricht eines ihrer Arbeitskollegen auf ihrem Tablet gefunden hatte. Er habe sie nur an die Abfahrt für den Kurzurlaub in Straßburg erinnern wollen, da sei sie auf ihn losgegangen und habe ihn beschimpft und geschlagen. "Du hast alles gelesen!", warf sie ihm angeblich vor, was er aber gar nicht gemacht habe. Ihr zweiter Schlag in sein Gesicht habe stark geschmerzt. "Ich hasse die Person, die ich dann geworden bin", sagt der Angeklagte. Er beschreibt eine Art Tunnelblick, in den er damals im Bad verfallen war; alles in Grau-dunkel, Blut habe er gar nicht als solches erkannt.

Das floss bald, als er seiner Frau Gegenstände auf den Kopf schlug. "Ich habe nur versucht sie zu fangen", stammelt er nun. Der 32-Jährige spielt vor Gericht die Sekunden nach, als er bald darauf eine regungslose Person vor sich liegen hatte; den Moment des Nicht-Wahrhaben-Wollens, was da gerade passiert war. "Meine Frau ist tot, dafür werde ich mich den Rest meines Lebens hassen."

Er werde aber in der Anklageschrift als jemand dargestellt, "der ich nicht bin". Aus den Vernehmungsprotokollen der Kriminalpolizei zitiert er daraufhin Zeugenaussagen, die ihn sehr wohl als liebenvollen Vater und stets freundlichen Kollegen in einem Supermarkt beschreiben. Es sei vielmehr seine Frau gewesen, die sich seit Sommer 2016 nach acht wohl sehr guten Ehejahren stark verändert habe, immer später nach Hause kam und ihm, als Schichtdienstler, große Sorgen um den daheim offenbar manchmal unbeaufsichtigten Sohn auferlegt habe.

Er wolle seine Frau nicht schlechtreden ("Ich habe sie immer geliebt"), deshalb habe er hier auch lange geschwiegen. Aber es müsse jetzt raus. Sie habe ihn in den drei Monaten vor dem tragischen Tag schlecht behandelt, beschimpft, geschlagen, bedroht. Er habe es ertragen. "Ich bin vielleicht zu nett, zu dumm."

Eines sei er aber trotz Verlustängsten nicht gewesen, wie er erneut betont: eifersüchtig auf den mutmaßlichen Nebenbuhler. Denn jener Arbeitskollege habe seiner Frau beruflich in einem arbeitsrechtlichen Kampf mit den Vorgesetzten sehr geholfen. Er habe nichts gegen den Mann. Von einer Affäre geschweige denn Beziehung war man wohl tatsächlich noch weit entfernt.

Er sei jetzt schon vierfach bestraft, sagt der Angeklagte noch: die Frau tot, den Sohn seit zehn Monaten nicht gesehen, von den Schwiegereltern verstoßen, und bald mit einer langen Haftstrafe belegt.

Wie hoch diese ausfällt, wird am 27. Oktober beim Urteil verkündet.