Ingolstadt
Durch innere Stimmen zur Brandstiftung?

Junger Mann zündete Molotow-Cocktail in großem Wohnhaus – Gericht schaltet Gutachter ein

02.03.2015 | Stand 02.12.2020, 21:35 Uhr

Dieses Hochhaus an der Gaimersheimer Straße war im Juni 2014 Schauplatz eines Brandanschlags, der zum Glück glimpflich ausging. Richter und Staatsanwalt betonten gestern im Prozess gegen den geständigen Täter das erhebliche Gefährdungspotenzial dieser Tat - Foto: Rössle

Ingolstadt (DK) Das hätte böse ausgehen können: Eine Brandstiftung in einem der großen Wohnblöcke an der Gaimersheimer Straße ist im Juni 2014 ohne schlimme Folgen geblieben. Die Verhandlung gegen den geständigen Täter ist gestern vom Amtsgericht ausgesetzt worden. Der Mann ist womöglich psychisch krank.

Bis gestern Nachmittag gingen Polizei, Staatsanwaltschaft und Gericht und sogar der Verteidiger des Angeklagten noch davon aus, dass der Vorfall vom 24. Juni vorigen Jahres eine vom Beschuldigten irgendwie begründbare kriminelle Handlung war. Doch im Laufe seiner Einlassungen zu den Vorwürfen aus der Anklageschrift war dann plötzlich von „inneren Stimmen“ die Rede, die der 26-Jährige angeblich schon seit mehreren Jahren hören will und die unter Umständen auch im direkten Vorfeld der angeklagten Brandstiftung eine Rolle gespielt haben könnten.

Richter Christian Veh, der die Sache vor dem Schöffengericht eigentlich in wenigen Stunden verhandeln und mit einem Urteil abschließen wollte, muss nun einen psychiatrischen Gutachter bestellen. Unter umständen ist der Angeklagte gar nicht schuldfähig und muss in einem neuen Verfahren vom Landgericht in eine geschlossene Einrichtung eingewiesen werden.

Am späteren Abend jenes bewussten Frühsommertages 2014 war in einem Korridor im vierten Stock des großen Wohnhauses Gaimersheimer Straße 19 ein Brandsatz vor eine Wohnungstür gelegt worden. Es handelte sich um eine mit einem flüssigen Grillanzünder befüllte PET-Flasche, an deren Hals ein Papiertaschentuch als Lunte angebracht und angezündet worden war. Dieser offenbar sehr laienhaft präparierte Molotow-Cocktail brannte allerdings nicht rasant, sondern wohl recht gemächlich ab, sodass zwar erheblicher Schaden an der bewussten Tür entstand, die Bewohnerin das Feuer aber noch selber löschen konnte.

Diese Mieterin ist die frühere Freundin des Angeklagten, die sich aber schon eine Weile zuvor von ihm getrennt hatte. Der junge Mann, der auch einige Zeit mit ihr an der Gaimersheimer Straße gewohnt hatte, kam über das Ende der Beziehung offenbar nicht hinweg. Er sei „abgerutscht“, habe Drogen (vor allem das berüchtigte, für seine psychotische Wirkung bekannte Chrystal Meth) konsumiert und sei letztlich „völlig durchgedreht“, sagte der grundsätzlich geständige 26-Jährige gestern vor Gericht.

Besonders makaber: Am 14. August deponierte der junge Mann der Anklage und seinem Geständnis zufolge vor der Tür der „Ex“ noch einen Totenkranz mit einem Aufkleber, dessen Text nur als Drohung verstanden werden konnte: „Brandschutztür nur wirksam, wenn geschlossen“, war da laut Staatsanwaltschaft zu lesen gewesen. Warum er so etwas gemacht habe, konnte der Angeklagte dem Gericht gestern nicht wirklich erklären.

Weil dann die Offenbarung der inneren Stimmen folgte, sah Vorsitzender Veh keine andere Möglichkeit, als die Verhandlung auszusetzen. Es müsse nun durch einen Gutachter geprüft werden, ob die Taten im Zuge einer psychischen Störung und dann vielleicht im Zustand bedingter oder völliger Schuldunfähigkeit begangen worden sein können. Dann würde dieser Fall wohl in einigen Monaten vor dem Landgericht neu verhandelt werden müssen, das für etwaige Einweisungsbeschlüsse zuständig ist.

Warum er nicht früher etwas von einer möglichen Beeinflussung gesagt hat? Auf diese naheliegende Frage des Gerichts hatte der Angeklagte eine einfache Antwort: Er habe selber Angst vor den Konsequenzen einer möglichen Diagnose, so der aus Ostdeutschland stammende gelernte Gartenbauer. Er weiß offenbar nur zu gut, dass er ein Fall für die Psychiatrie werden könnte.