Ingolstadt
Die Geschichte vom elektrischen Raucher

05.11.2010 | Stand 03.12.2020, 3:29 Uhr

Der Rauch, der keiner ist: Melanie Wiesinger und Kurt Hanisch genießen vor der Ingolstädter Pilsquelle ihre "Elektrische". Natürlich ist sie auch drinnen erlaubt. - Foto: Schmatloch

Ingolstadt (DK) Endlich wieder mit der Zigarette in die Kneipe! Kurt Hanisch macht es sich in der "Pilsquelle" in Ingolstadt an einem Tisch bequem, holt ein Etui aus der Tasche und kramt daraus etwas hervor, das aussieht wie ein Kugelschreiber. Er steckt sich das Ding in den Mund, zieht genüsslich daran und bläst dann Qualm in die Luft.

Das Rauchverbot ist ihm ziemlich egal. Denn Hanisch raucht nicht – er "dampft". Zwischen seinen Zähnen hat er weder eine echte Zigarette noch einen Kugelschreiber, sondern eine so genannte "E-Zigarette": die Antwort auf das Rauchverbot.
 
"Die E-Zigarette ist schon seit drei Jahren auf dem Markt, aber seit dem ersten August boomt das Geschäft", sagt Hanisch. Mit Inkrafttreten des strengen Rauchverbots zog die Nachfrage an, "jetzt habe ich schon Probleme, von meinen Lieferanten die Produkte herzukriegen. Bayern hat sie überwältigt."
 
Hanisch gehört eigentlich nicht zur Tabakbranche, er ist Taxi-Unternehmer. Aber er ist selbst Raucher und hat als solcher vor ein paar Monaten die E-Zigarette für sich entdeckt. Jetzt ist er Fachhändler für "esmoker", nach eigenen Angaben führender Anbieter elektronischer Zigaretten in Deutschland.

Und was vertreibt er da nun? "Die E-Zigarette besteht aus mehreren Teilen: Akku, Verdampfer, Mundstück und Depot. Das Depot besteht aus einem Wattebausch, der mit Flüssigkeit, Aromastoffen und Nikotin getränkt ist", erklärt Hanisch. "Wenn man an der Zigarette zieht, wird die Flüssigkeit aus dem Depot auf den Verdampfer geleitet." So entsteht der Dampf, den man einatmen und wieder ausstoßen kann – Dampf, kein Rauch. Die Unterscheidung ist wichtig, denn wer "dampft", den betrifft das Nichtrauchergesetz nicht.

Rauchen ist per Definition das "bewusste Einatmen von Rauch verbrennender Pflanzenteile", also Tabak, und eine elektronische Zigarette verbrennt eben keinen Tabak. Dementsprechend belästigen ihre Benutzer die Umgebung auch nicht mit dem Ausstoß von krebserregenden Kohlenwasserstoffen oder Teer.

Gesund ist das E-Rauchen deshalb noch lange nicht, das betont auch Kurt Hanisch. "In den Flüssigkeiten sind potenzielle Allergene enthalten". Und natürlich das Nikotin. "Aber kein Passivraucher wird vom Nikotin in Gaststätten süchtig."

Melanie Wiesinger, die Wirtin der Ingolstädter "Pilsquelle", hat er schon überzeugt: Bei ihr sind E-Zigaretten willkommen, sie selbst benutzt auch eine – aber nicht ausschließlich: "Der weiche Filter zwischen den Lippen geht mir ab."

Dem Siegeszug der E-Zigarette steht eigentlich nichts mehr im Weg – doch so einfach ist es dann doch nicht. Die Neuheit hängt noch in einer rechtlichen Grauzone fest. Das beginnt schon bei der Benutzung: Zwar sind Erwerb, Besitz und Gebrauch in Deutschland und den anderen europäischen Ländern erlaubt. Aber was hilft einem das in der Praxis, wenn eine Stewardess im Flugzeug oder ein Kellner im Restaurant das Ding verbietet, einfach aus Unkenntnis, mit was man es zu tun hat?

"Wichtig ist: Das Hausrecht geht über alles andere", sagt Hanisch. Solange die E-Zigarette und ihre Wirkung so unbekannt sind, wird ihr Benutzer vermutlich häufig mit Missverständnissen und Verboten zu kämpfen haben, Rechtslage hin oder her.

Beim Handel mit der E-Zigarette wird es noch schwieriger, das merkt auch Kurt Hanisch. In Deutschland gibt es hierzu noch keinerlei gesetzliche Regelungen – noch nicht mal eine Definition, was die E-Zigarette überhaupt ist. Ein Tabakprodukt wohl nicht, ohne Tabak. Ein Lebensmittel vermutlich auch nicht. Vielleicht ein Medizinprodukt, so wie in Österreich? Das würde bedeuten, dass E-Raucher ihren Nachschub nur in Apotheken bekommen würden. Der deutsche Zoll hat auf jeden Fall schon Fakten geschaffen, damit hat Hanisch Erfahrungen gemacht. "Ich habe einmal Ware im Ausland bestellt, die wurde dann vom Zoll abgefangen und ich wurde einbestellt. Die behandeln die E-Zigaretten anscheinend schon als Arzneimittel." Immer wieder haben die Importeure Probleme, Nachschub zu beschaffen, deshalb kommt auch Kurt Hanisch momentan mit der Lieferung nicht hinterher. Er befürchtet sowieso, dass eine europaweite Regulierung nicht mehr lange auf sich warten lässt. Vorstöße gab es bereits, die E-Zigarette und – wenn man schon einmal dabei ist – auch gleich den Nikotinkaugummi verbieten zu wollen. "Das wird mit großer Wahrscheinlichkeit zu meinen Ungunsten ausgehen."

Trotzdem: Für Hanisch ist die elektronische Zigarette die beste Lösung. "Ich habe keinen schlechten Geschmack mehr im Mund, meine Frau ist glücklich, weil die Wohnung nicht mehr stinkt, und ich belästige die Umwelt nicht mehr." Bis sich das E-Rauchen etabliert hat, wird es aber noch ein wenig dauern: "Meine Mutter war neulich auf Kur und wollte ‚dampfen‘. Der Arzt hat zu ihr gesagt: Rauchen Sie lieber Ihre Zigaretten."