Ingolstadt
Der "saumäßig doofe" Hitlergruß

Zwei junge Männer wegen leichtfertiger Nazi-Gestik zu Geldstrafen verurteilt

19.09.2016 | Stand 02.12.2020, 19:17 Uhr

Ingolstadt (DK) Wer in Deutschland durch Nazigehabe auffällt, darf sich scharfer Beobachtung sicher sein. Wer zum Beispiel in der Öffentlichkeit den berüchtigten Hitlergruß entbietet, muss auf jeden Fall mit einer Bestrafung rechnen - selbst wenn er sich womöglich nur einen (schlechten) Scherz erlauben wollte oder aus reiner Gedankenlosigkeit geschichtsvergessen gehandelt hat.

Das mussten gestern vor dem Amtsgericht zwei junge Ingolstädter erfahren, die wohl nicht klar der rechtsradikalen Szene zuzuordnen sind, die sich aber durch ihr Verhalten äußerst fahrlässig einem solchen Verdacht ausgesetzt haben.

Die beiden 22 und 25 Jahre alten Kumpel, als ungelernte Gelegenheitsarbeiter mit einigen Vorstrafen bislang noch nicht gerade als Stützen der Gesellschaft aufgefallen, hatten am 10. Juni am Kiosk beim Zentralen Omnibusbahnhof vom frühen Morgen an die Entlassung des Jüngeren aus einer vergleichsweise kurzen Haftstrafe "begossen". Anschließend waren sie mittags leicht bis mittelprächtig angetrunken unter lautstarker Begleitmusik aus einem tragbaren Wiedergabegerät über die Harderstraße Richtung Innenstadt gezogen - so auffällig, dass wahrscheinlich mehrere Passanten darauf aufmerksam geworden waren.

Pech für die Zecher allerdings: Ausgerechnet ein Beamter der Polizeiinspektion, der gerade seine Mittagspause für einen Abstecher von der Esplanade in die Stadt nutzte, lief auf sie auf und beobachtete sie genauer, weil ihm die Musik "wie Rechtsrock" vorkam, so seine gestrige Zeugenaussage. Als das auffällige Duo dann bei Ende des fraglichen Musikstücks in Höhe der Post die Straße Am Stein überquerte, sollen beide jungen Männer gleichzeitig jeweils einen Arm zum Hitlergruß erhoben und dazu "Sieg Heil!" gerufen haben. Das brachte ihnen eine Anzeige wegen des Gebrauchs von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und den gestrigen Termin bei Einzelrichter Peter Hufnagl ein.

Im Gerichtssaal zeigten sich beide Angeklagten voll geständig. Ihr Verhalten sei einfach "totaler Blödsinn" gewesen und die ganze Sache "saumäßig doof gelaufen", so der 22-Jährige kleinlaut. Dass er vor geraumer Zeit bereits einmal bei der Hakenkreuzschmiererei eines anderen Kumpels in der Stadt aufgefallen war, wollte er nicht als Beweis für eine Nähe zum rechtsradikalen Spektrum verstanden wissen. Er habe wohl einfach den falschen Bekanntenkreis, so seine Erklärung. Sein älterer Mittäter sieht sich ebenfalls nicht in der Nähe von Neonazis. Er geht äußerlich eher als Punk durch und sei von der politischen Einstellung her sicher nicht in der Nazi-Ecke zu verorten, versicherte er dem Richter: "Ich bin ganz die andere Richtung!"

Beide Angeklagten haben nach eigener Aussage erst kürzlich neue Anstellungen gefunden. Der Ältere äußerte die Hoffnung, jetzt endlich seine vormals abgebrochene Lehre beenden zu können. Deshalb betonte der Staatsanwalt in seinem Plädoyer auch die Absicht, den jungen Männern nicht mit der Forderung nach einer Haftstrafe im Wege stehen zu wollen. Geldstrafen hielt er aber für unvermeidlich.

Der Staat achte aus gutem Grund darauf, dass Zeichen und Gesten der Nazizeit "nicht wieder gesellschaftsfähig werden", so der Ankläger, und deshalb könne das Verhalten der Angeklagten auch nicht ungestraft durchgehen. Richter Hufnagl sah das genauso. Er verurteilte die beiden Männer (bereits rechtskräftig) zu Geldstrafen von 1350 bzw. 700 Euro.