Ingolstadt
"Das ist ein Frontalangriff"

Gewerkschaften sowie viele Fraktionsvorsitzende lehnen verkaufsoffenen Feiertag am 1. Mai ab

05.10.2015 | Stand 02.12.2020, 20:43 Uhr

Zehntausende von Besuchern ließen sich am verkaufsoffenen Tag der Deutschen Einheit in der Innenstadt zum Bummeln verführen. Am 1. Mai sollte dies nicht erlaubt sein, sagen die Gewerkschaften - Foto: Hauser

Ingolstadt (DK) Ein verkaufsoffener Feiertag am 1. Mai? Gegenüber den Gewerkschaften eine dreiste Provokation, sagt Bernhard Stiedl. Der Ingolstädter Stadtverbandsvorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) reagiert empört auf den Vorschlag des IN-City-Vorsitzenden Thomas Deiser.

In seiner Euphorie über den Erfolg in der Ingolstädter Innenstadt am Tag der Deutschen Einheit hat Deiser noch am Wochenende einen weiteren verkaufsoffenen Feiertag vorgeschlagen, nachdem er sich das bislang vor allem für Sonntage gewünscht hatte. Über den bisherigen Stadtratsbeschlusses hinaus, dies vorerst auf den 3. Oktober zu beschränken, brachte er den 1. Mai ins Gespräch. „Die Geschäfte haben am Samstag Umsätze gemacht, mit denen keiner gerechnet hat“, fasst der IN-City-Vorsitzende zusammen. „Bei diesem Ergebnis darf man in alle Richtungen überlegen.“

Der 1. Mai, den Deiser als einen möglichen Termin angeregt hatte, ist aber wohl die falsche Richtung – wenn es nach Bernhard Stiedl geht. „Das ist ein Frontalangriff auf die Gewerkschaften!“, erzürnt er sich. „Man muss doch wissen, welche Symbolkraft dieser Tag hat.“ Mit dem gesetzlichen Feiertag werde vor allem derjenigen gedacht, die sich im 19. Jahrhundert für bessere Arbeitsbedingungen einsetzten. „Es sind Menschen umgekommen, damit es diesen Tag gibt“, erklärt Stiedl. „Und jetzt soll er zu einem Shopping-Tag werden“ Rücksicht sollte hier vor allem auf die Beschäftigten genommen werden.

Aber auch Stiedl gibt zu, dass der verkaufsoffene Feiertag am vergangenen Wochenende mit etwa 100 000 Besuchern ein voller Erfolg war. „Wir verstehen, dass Leute an Tagen einkaufen wollen, an denen sie das sonst nicht können“, sagt der Stadtverbandsvorsitzende des DGB. Vor allem für Familien sei dies eine gute Möglichkeit, gemeinsam etwas zu unternehmen. „Wir sind natürlich daran interessiert, dass die Innenstadt belebt wird.“

Auch den Sprechern der Stadtratsfraktionen ist trotz aller Diskussionen im Vorfeld bewusst, dass der verkaufsoffene Feiertag sehr gut genutzt wurde. „Ich habe die übervolle Innenstadt wahrgenommen“, sagt Petra Kleine (Grüne), deren Fraktion sich bereits vor einem Jahr gegen verkaufsoffene Feiertage ausgesprochen hatte. Christian Lange (BGI), selbst Befürworter von verkaufsoffenen Sonn- und Feiertagen, merkt vor allem die vielen auswärtigen Autokennzeichen an, die er am Samstag gesehen habe: „Das zeigt unser großes Einzugsfeld.“

Überzeugt sind die meisten Kritiker verkaufsoffener Sonn- und Feiertage aber trotzdem nicht. „Wir haben damit gerechnet, dass das ein großer Erfolg wird“, sagt beispielsweise Franz Hofmaier (ÖDP). „Das ändert aber nichts an unserer Meinung, dass ein Feiertag ein Feiertag bleiben sollte.“ Peter Springl (FW) fürchtet, dass weitere Diskussionen jetzt erst recht angestoßen werden: „Es ist auffällig, dass an Sonntagen bisher nichts ging, und sich jetzt alle auf die nicht-kirchlichen Feiertage stürzen.“

In den Stadtratsfraktionen selbst wurde Deisers Vorschlag erst gestern Abend diskutiert, doch bereits im Vorfeld waren sich außer Lange die meisten Vorsitzenden einig: Am 1. Mai sollten die Geschäfte nicht öffnen. „Festhalten muss man, dass die Menschen am Wochenende mit Füßen abgestimmt haben, es hat sich viel gerührt“, sagt Achim Werner (SPD). „Ob der Tag der Arbeit der richtige für eine Wiederholung ist, wage ich aber zu bezweifeln.“ Er sieht diesen Vorstoß genau wie Kleine und Joachim Genosko (CSU) als Affront gegen die Arbeitnehmerorganisationen. „Die Gewerkschaften werden diesen Tag nicht kampflos aufgeben“, betont Genosko.

Die machen sich allerdings noch keine großen Sorgen, dass sich ein verkaufsoffener Feiertag am 1. Mai durchsetzen könnte. „Wir können uns da eigentlich zurücklehnen“, sagt Stiedl, der in Bayern keine ausreichende gesetzliche Grundlage für eine Ladenöffnung am Tag der Arbeit sieht. Deiser ist da anderer Meinung und bezieht sich dabei auf das Ladenschlussgesetz des Bundes: „Bundesweit gibt es viele Geschäfte, die am 1. Mai geöffnet haben, wieso soll das bei uns nicht auch gehen“

Peter Springl vermutet aber, dass Deisers Vorschlag sowieso nur Taktik sei und der IN-City-Vorsitzende auf Kompromissvorschläge hoffe: „Vielleicht ist das auch ein politischer Schachzug, um auf indirektem Weg zu weiteren verkaufsoffenen Feiertagen zu kommen.“