Ingolstadt
Das Gericht hat die Nase voll

Im Prozess gegen einen vorbestraften Tiernarren, der exotische Arten hielt, geht es heiß her

06.07.2015 | Stand 02.12.2020, 21:06 Uhr

Im Gegensatz zu den Käfigen des Angeklagten, die laut Staatsanwaltschaft viel zu klein waren, leben die Nasenbären hier im Zoo Wasserstern vergleichsweise luxuriös. Eine Schuldeinsicht aber fehlt dem vorbestraften Tiernarren. Das Gericht droht ihm eine Gefängnisstrafe an - Foto: Hauser

Ingolstadt (DK) Richter Christian Schilcher hatte es erwartet, dass es mit einem Geständnis nichts werden würde, vor ihm saß ein „Überzeugungstäter“, wie Schilcher sagte. Dem Angeklagten kam schließlich kein Wörtchen über die Lippen, dass er Nasenbären nicht artgerecht gehalten haben könnte.

Eine geschlagene Dreiviertelstunde standen sie gestern draußen im kühlen Flur, während das Gericht drinnen im fast unerträglich heißen Sitzungssaal beharrlich auf das Ende der Aussprache zwischen den Angeklagten und ihren beiden Verteidigern wartete. Doch während sich Richter Christian Schilcher drinnen entspannt mit Staatsanwalt Ingo Christ unterhielt, ging es gerade draußen hitzig zu. Die Anwälte diskutierten mit ihren Mandanten, ob es nicht doch sinnvoller wäre, einen sogenannten Deal mit dem Amtsgericht einzugehen. Für Geständnisse bot Einzelrichter Schilcher festgesetzte Strafhöhen an: ein halbes Jahr Bewährungsstrafe für den Sohn, knapp 700 Euro Geldstrafe für dessen mitangeklagten Vater.

Doch zumindest der Sohn wollte sich partout nicht darauf einlassen. Mit hochrotem Kopf erschien er nach der teils lautstarken Besprechung wieder im Saal und stellte sich der Frage, die Schilcher wieder und wieder äußerte. Sie war einfach und lautete: Ja oder nein? Geständnis oder nicht? Als keine Antwort kam, hatte der Richter die Nase voll und interpretierte – leicht genervt – das Schweigen natürlich als Ablehnung des Vorschlags. Dabei hatten er, Ankläger Christ und besonders der 77-jährige Vater des Hauptangeklagten („Schluss machen! Aus!“) mit Engelszungen auf den 38-Jährigen eingeredet – und Schilcher ihm auch offen eine Haftstrafe angedroht. Doch es blieb dabei: Kein Geständnis, „ich hätte es mir nie verziehen“, sagte der 38-Jährige – nach Meinung des Gerichts aber völlig uneinsichtig.

Der Angeklagte bleibt vielmehr bei seiner Meinung: Er hat den exotischen Wildtieren, die er auf dem Hof seines Vaters im südlichen Landkreis Eichstätt hielt, kein Leid zugefügt, als er dort mindestens fünf Nasenbären und ein Vielfaches an Vögeln über mindestens zwei Wochen in Käfigen geparkt hatte. Das Veterinäramt am Eichstätter Landratsamt sah das aber bei zwei Kontrollen völlig anders und zeigte den verhinderten Tiernarren und mutmaßlichen Tierquäler an. „Die haben Sie ja auch auf dem Kieker“, sagte Schilcher, „aber da haben Sie selbst auch viel dazu beigetragen.“

Der 38-Jährige ist inzwischen bestens gerichtsbekannt und wegen einer rechtskräftigen Verurteilung zu einer Geldstrafe über 90 Tagessätze (drei Monatsgehälter) seit längerer Zeit auch vorbestraft. Alles hängt mit seinem Faible für exotische Tiere zusammen, die er vor einigen Jahren auch in einer Art Kleintierzoo im Kreis Eichstätt hielt, bis die Behörden ihm den Laden zusperrte, weil er die Erdmännchen und andere Exoten nicht artgerecht hielt. Wegen des zwischenzeitlichen Haltungsverbots zog der Tiernarr mit seinem geschrumpften Wanderzirkus unter anderem nach Zypern und Spanien, wo er angeblich bis heute lebt. Doch irgendwie zog es ihn immer wieder zurück in die Heimat, wo sich auch der jetzt angeklagte Fall zutrug.

Von einer artfremden Haltung und gar Leid, das er den Tieren damit zugefügt hat, will der selbst ernannte Tierexperte nichts wissen. Er gibt sich streitlustig und zweifelt die Gutachten an, die das Gericht von renommierten Sachverständigen eingeholt hat. Im aktuellen Fall liegt ein Säugetiergutachten des Münchner Professors Michael Erhard, Chef des Lehrstuhls für Tierschutz und Tierhaltung, vor, der eine „erhebliche Tierschutzrelevanz“ und Leid „über mehrere Wochen“ bei den Nasenbären feststellte.

Das wird nun ausführlich morgen bei der Fortsetzung des Prozesses behandelt. Dann wird sich auch zeigen, ob sich der Angeklagte einen Gefallen mit der Ablehnung des Deals getan hat. Sein Vater nahm den Vorschlag des Gerichts an. Für ihn ist das Verfahren beendet. Auf den Sohn wartet dagegen womöglich eine Gefängnisstrafe ohne Bewährung.