Ingolstadt
Von Geburten und vielen, vielen Fragen

Säuglingspflegekurse helfen schwangeren Frauen und jungen Müttern im Transitzentrum in Oberstimm

09.03.2018 | Stand 02.12.2020, 16:43 Uhr

Foto: DK

Ingolstadt/Oberstimm (DK) Schwangere Frauen und Mütter können im Transitzentrum in Oberstimm verschiedene Säuglingspflegekurse besuchen. Das Angebot der Caritas findet großen Anklang - denn nicht nur die kulturellen Unterschiede werfen Fragen auf.

Rund 270 Kinder leben nach Angaben der Caritas momentan in der ehemaligen Max-Immelmann-Kaserne. Sie sind teilweise hier in Ingolstadt geboren, teilweise auf der Flucht der Frauen aus ihren Heimatländern. Für die Mütter von Kindern im Alter von unter einem Jahr und für schwangere Frauen hat die Caritas nun Säuglingspflegekurse organisiert. "Die Frauen haben unglaublich viele Fragen", sagt Mona Meilinger (kleines Foto) von der Asylsozialberatung der Caritas.

Die Kurse leitet die Kinderkrankenschwester Christine Zwack. Sie erklärt darin, wann die Frauen ihr Baby zum ersten Mal baden können und was zu tun ist, damit der Nabel abheilt. Sie gibt Tipps zur Behandlung von Hautausschlägen und zeigt, wie man die Babys so wickelt, dass die Hüfte geschont wird. "Es sind die ganz normalen Grundlagen, aber oft sind sie den Frauen gänzlich fremd", sagt Zwack. Denn viele der Frauen seien zum ersten Mal schwanger, mit einer Hebamme reden sie erst bei der Geburt im Krankenhaus, und den Arzt verstehen sie oft nicht, weil die Sprache Probleme mache oder der Arzt nicht die Zeit habe, alles in der nötigen Ausführlichkeit zu erklären.

Hier setzt der Kurs an: Erklären, Untersuchen, an andere Stellen und an Ärzte weitervermitteln. Die Hilfe ist gerade auch nötig, weil sonstige Unterstützung fehlt, erklärt Caritas-Beraterin Meilinger. "Viele Frauen sind auf sich alleine gestellt, wurden vom Partner oder der Familie getrennt, die normalerweise viel unterstützen würden." 60 Frauen haben insgesamt an den sechs Kursterminen jetzt teilgenommen, alle sind aus Nigeria. Damit keine Sprachprobleme entstehen, hat Ifeoma Ugwuoke als Dolmetscherin die Kursinhalte übersetzt. Finanzieren konnte die Caritas diesen Kurs über eine Spende von Audi.

Im Kurs hat Zwack die Babys auch untersucht. Immer wieder kamen ihr dabei Krankheiten und Auffälligkeiten unter. Eine Mama sei zu ihr gekommen und habe gemeint, das Kind atme so komisch, erzählt Zwack. Sie habe dann im Mutterpass nachgeschaut und festgestellt, dass zwischen dem geplanten und dem tatsächlichen Geburtstermin sechs Wochen lagen, dass das Baby also ein Frühchen ist. Die Mutter wusste davon nichts. Sie sei beim Kinderarzt gewesen, der habe nur gemeint, es sei alles in Ordnung. Bei Frühchen sei es normal, dass sie etwas anders atmen, sagt Zwack. Aber die Mutter habe das natürlich total verunsichert. Ein anderes Baby war für seine sieben Wochen zu klein, Zwack hat dann im Vorsorgeheft gesehen, dass das Kind zwei Herzfehler hat. Die Mutter muss mit dem Kind regelmäßig zu Kontrollen - jetzt, da sie davon weiß. Diagnosen selbst habe sie nicht gestellt, sagt Zwack, aber es sei immer wieder vorgekommen, dass die Frauen nichts von den Auffälligkeiten ihrer Kinder wussten, obwohl sie im Vorsorgeheft standen.

Im Transitzentrum sind Flüchtlinge mit geringer Bleibeperspektive oder mit bereits abgelehntem Asylantrag untergebracht. Unter ihnen sind laut Regierung von Oberbayern momentan knapp 70 Mütter von Kindern im Alter von unter einem Jahr, dazu kommen zahlreiche Schwangere. Warum so viele der Frauen schwanger sind, das habe verschiedene Gründe, sagt Meilinger. Zwangsprostitution und Menschenhandel seien aber durchaus präsente Themen, genauso wie Vergewaltigung auf der Flucht. Versorgt werden die Frauen, die im Transitzentrum untergebracht sind, über die Ärzte in Ingolstadt. Von Seiten der Regierung von Oberbayern heißt es: "Schwangere Frauen erhalten ärztliche und pflegerische Hilfe und Betreuung sowie Hebammenhilfe, außerdem werden sie bei ihrer Ankunft einer gynäkologischen Versorgung zugeführt, die derzeit über die ansässigen Arztpraxen erfolgt."

Laut der Regierung von Oberbayern soll für 15 Stunden pro Woche eine Hebamme vor Ort eingesetzt werden. Außerdem will die Regierung ein Babyzimmer einrichten und dort eine Babywaage und Sterilisatoren für Babyfläschchen zur Verfügung stellen. Im Moment gebe es auf dem Gelände nämlich keine Möglichkeit, Fläschchen zu sterilisieren, sagt Mona Meilinger.

Für die Frauen selbst ist das Leben mit Kindern hier eine Herausforderung. Für die 27-jährige Sara (Namen von der Redaktion geändert) ist das Essen das Hauptproblem: "Wir dürfen nicht kochen", sagt sie. Sie ist Mutter eines kleinen Mädchens, und ihr gefällt die Babynahrung nicht - es sei immer das Gleiche, sagt sie. Blessing (30) ist schwanger, sie würde am liebsten im Einzelzimmer leben, wenn ihr Baby auf die Welt kommt. Die beiden Frauen waren im Säuglingspflegekurs, der habe ihnen vor allem wegen der kulturellen Unterschiede geholfen: In Afrika sei es zum Beispiel nicht selbstverständlich, zu stillen, sagt Blessing, viele Frauen geben die Flasche. Jetzt wisse sie aber, wie wichtig Stillen für das Baby ist. "Ich werde meinem Baby nicht die Flasche geben", sagt sie.

Auch Kursleiterin Zwack zieht eine positive Bilanz des Säuglingspflegekurses. "Es dreht sich immer um die gleichen Themen", sagt sie: Ernährung, Hygiene, die motorische Entwicklung. Sie habe gar nicht all ihre Themen besprechen können, weil die Frauen so viele Fragen gehabt hätten. Sie will eine zweite Kursrunde starten, wenn die Finanzierung geklärt ist. Für manche der Frauen könnte es dann aber schon zu spät sein. Sechs Wochen vor und zwei Monate nach der Geburt dürfen Frauen nicht abgeschoben werden. Ansonsten garantiert ein Baby keinesfalls die Aufenthaltsgenehmigung - die Frauen und ihre Kinder können jederzeit abgeschoben werden.