Ingolstadt
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Nach langem Tauziehen ist die Kleingartenanlage in der Rankestraße wieder schadstofffrei

30.08.2016 | Stand 02.12.2020, 19:22 Uhr

Bierflaschen am Apfelbaum? Sieht witzig aus, hat aber durchaus einen ernsthaften Grund: Sie dienen beim frisch gesetzten Bäumchen als Beschwerung, damit die Äste gleichmäßig wachsen, erklärt Bernd Prause vom Nachbargärtchen. Nach zweijähriger Schadstoff-Sanierung sind in der Kleingartenanlage in der Rankestraße der Boden ausgetauscht und Hochbeete erstellt worden. Alles, was direkt in der Erde wächst, muss im Hochbeet (am linken Bildrand) angebaut werden. - Foto: Stückle

Ingolstadt (DK) Noch sind es zarte Pflänzchen. Die meisten Hochbeete sind noch leer. Doch bald soll auf der Kleingartenanlage in der Rankestraße wieder das blühende Leben herrschen. Die Bauarbeiter haben die 1,3 Millionen Euro teure Schadstoffsanierung abgeschlossen. Jetzt sind die Kleingärtner am Zuge.

Sieglinde Prause hat das erste Blumenbeet bereits angelegt. Ihr Mann Bernd gießt die neulich gesetzten Apfelbäumchen. Die Parzelle in der Kleingartenanlage in der Rankestraße ist seit 68 Jahren in der Hand der Familie seiner Frau. Schon Sieglinde Prauses Vater hat hier gegartelt. Bis Mai 2012 herrschte in dem Gärtchen, wie in allen anderen der insgesamt 50 Parzellen der am Rande des Luitpoldparks gelegenen Anlage, Kleingartenidylle pur. Dann kam der Schock: Die Stadt hatte bei Erdbohrungen im Boden der Anlage den krebserregenden Schadstoff Benzpyren festgestellt (siehe Kasten).

Das städtische Umweltamt schlug vor, den Boden bis zu 60 Zentimeter Tiefe abzutragen und auszutauschen. Doch die Kosten dafür - laut Dieter Knauer, Geschäftsführer der Immobilien Freistaat Bayern, dem Eigentümer des Geländes, rund 2,5 Millionen Euro - wären sehr hoch gewesen. Deshalb wurde unter anderem eine örtliche Verlegung der Anlage diskutiert. Das wiederum war ganz und gar nicht im Sinne der Kleingärtner. Deren Vorsitzender Michael Engler wandte sich Hilfe suchend an die Stadt. Die habe Ersatzgrundstücke am Schmalzbuckl und in Etting angeboten, aber auch klargemacht, sich nicht an einer Finanzierung der Schadstoffsanierung zu beteiligen, sagt Engler. Auf die Stadt sind er und sein Stellvertreter Thomas Hausladen deshalb nicht gut zu sprechen. Doch mit dem jetzigen Kompromiss, der laut Knauer auf einer gemeinsam zwischen der Stadt Ingolstadt, dem Kleingartenverein und dem Freistaat Bayern getroffenen Übereinkunft basiert, sind sie sehr zufrieden.

"Eine Schließung wäre für das Südviertel ein harter Schlag gewesen", betont Engler. Fast alle, die in der Anlage eine Parzelle gepachtet haben, wohnen in der Gegend. Deshalb kam ein Umzug, wie von der Stadt vorgeschlagen, für die Kleingartler nicht infrage. Es folgten lange und zähe Verhandlungen mit dem Freistaat, die schließlich in einen Kompromiss mündeten: Der Boden wurde bis zu einer kleinen Klinkermauer, die zu den Gartenhäuschen führt, 30 Zentimeter tief abgetragen, abgedichtet und mit einer ebenfalls 30 Zentimeter dicken Humusschicht aufgefüllt. Alles Essbare, das am Boden wächst, etwa Radieschen, Salat oder Erdbeeren, muss in Hochbeeten angebaut werden. Was nicht mit der Erde in Berührung kommt, wie Obstbäume oder Sträucher mit Beeren, darf direkt in die ausgetauschte Erde gepflanzt werden. Für Gewächshäuser, etwa zur Tomatenaufzucht, muss ein 30 Zentimeter dicker Sockel errichtet werden. Auf diese Weise konnten die Kosten auf 1,3 Millionen Euro reduziert werden - einer Größenordnung, bei der der Freistaat Bayern der Finanzierung zustimmte. Für die frühere Bepflanzung bekommen die Pächter - ebenfalls vom Freistaat Bayern - Ausgleichszahlungen. Dazu wurde im Vorfeld der Sanierung jeder Garten geschätzt.

Vor allem den älteren Mitgliedern kommen die Hochbeete gar nicht ungelegen. "Sie brauchen sich nicht mehr so zu bücken", sagt Engler. Dennoch denkt er an die Zeit der Unsicherheit und die anschließende Sanierung mit gemischten Gefühlen zurück. "Das war eine ganz schwere Zeit für den Vorstand." Obwohl "die überwiegende Mehrheit der Mitglieder", wie Engler betont, der Sanierung, wie sie nun erfolgt ist, positiv gegenübersteht. Vier Pächter hat der Kleingartenverein verloren. Die meisten allerdings, so Engler, hätten sich aus Altersgründen zurückgezogen. Die Parzellen werden nicht lange leerstehen. Für die Anlage gibt es eine Warteliste.

Obwohl sich die Sanierung durch Probleme bei der Ausschreibung bekanntlich um gut ein halbes Jahr verzögert hat, haben die beiden Vorsitzenden der Kleingartler für den Freistaat Bayern als Verhandlungspartner nur lobende Worte übrig. Auch die Zusammenarbeit mit dem Landschaftsbüro Weinzierl, hier vor allem der für die Anlage zuständigen Landschaftsarchitektin Julia Siebenlist, sei absolut positiv gewesen. Diese wiederum gibt das Kompliment zurück: Ohne den Vorstand der Kleingärtner hätte man das so nicht hinbekommen, betont sie. Man habe "für alle Beteiligten die beste Lösung". Dieter Knauer drückt es so aus: "Insgesamt kann wohl gesagt werden, dass bei der nunmehrigen Sanierungslösung die Interessen aller Beteiligten und hier insbesondere der Gartenpächter berücksichtigt und diesen Rechnung getragen wurde."

Vonseiten der Bauarbeiter ist die Sanierung nun also abgeschlossen. Für die Kleingartler, die alles neu pflanzen müssen, fängt die Arbeit jetzt erst richtig an.