Ingolstadt
300 Euro Beute - sechseinhalb Jahre Haft

Brutaler Raubüberfall auf Rentnerin soll nun auch den zweiten Täter ins Gefängnis bringen

25.10.2016 | Stand 02.12.2020, 19:08 Uhr

Ingolstadt (DK) Es war eine Situation, die wohl jeden das Fürchten gelehrt hätte: Zwei Maskierte dringen in ein Wohnhaus ein; ein Täter hält der 75-jährigen Bewohnerin einen Revolver an den Kopf. Das Opfer wird gefesselt und geknebelt, während die Gangster im Haus Bargeld und vermeintliche Wertgegenstände an sich bringen.

Die Beute bleibt mit rund 300 Euro und einigen billigen Uhren allerdings gering.

Das war das Szenario eines brutalen Raubüberfalls im Februar vorigen Jahres im Südwestviertel, wie es jetzt vor der 1. Strafkammer des Landgerichts nochmals aufgerollt werden musste. Wie bereits berichtet, hatte sich dort ein 28-jähriger Lette zu verantworten, dem die Beteiligung an diesem Gewaltakt zur Last gelegt wurde. Gestern ist der Mann eines besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und Freiheitsberaubung schuldig gesprochen worden. Das Urteil lautet auf sechseinhalb Jahre Gefängnis, ist aber noch nicht rechtskräftig, da die Verteidigung wohl einen Revisionsantrag stellen wird.

Der Angeklagte, der vom bereits rechtskräftig verurteilten damaligen Mittäter (ein junger Russlanddeutscher aus Ingolstadt) belastet und auf Antrag der deutschen Justiz von seinem Heimatland ausgeliefert worden war, hatte zu Beginn der Verhandlung erst einmal geschwiegen. Später tischte er dem Gericht dann eine Geschichte auf, in der seine Rolle in dem Fall recht klein gehalten wurde: Er sei damals nur als Schmieresteher und eventuelle Verstärkung der eigentlichen Täter draußen vor der Tür geblieben.

Der Gangster mit dem Revolver sei ein ihm nicht bekannter dritter Mann gewesen, der seinerzeit kurzfristig dazugestoßen sei, so die Darstellung des Angeklagten weiter. Überhaupt sei ihm von seinem russlanddeutschen Bekannten damals vorgegaukelt worden, bei der ganzen Aktion ginge es lediglich um das Eintreiben von Schulden.

Die Story vom großen Unbekannten - Ermittler und Gerichte hören sie immer wieder mal, wenn sich die Beweislage gegen einen Beschuldigten verdichtet. So recht auf eine solche Variante einsteigen mögen sie in der Regel aber nicht, wenn nicht noch andere deutliche Unsicherheitsfaktoren ins Spiel kommen. Auch Staatsanwalt Niki Hölzel ließ sich nicht darauf ein. Er sah die Vorwürfe aus der Anklageschrift durch die Beweisaufnahme voll bestätigt.

Durch sein "brutales, rücksichtsloses Vorgehen" mit Einsatz der Schusswaffe habe der Angeklagte jegliche Chance auf mildernde Umstände verspielt, so der Ankläger. Dass das Opfer in seiner "scheinbar sicheren Privatsphäre" überfallen worden sei, müsse sogar erschwerend gewertet werden. Deshalb forderte der Staatsanwalt siebeneinhalb Jahre Haft.

Verteidigerin Andrea Kremer folgte selbstredend der Darstellung ihres Mandanten. Sie gab zu bedenken, dass die überfallene Frau die beiden Täter seinerzeit als gleich groß geschildert hatte, obwohl besagter Russlanddeutscher und der jetzige Angeklagte keinesfalls gleich groß seien. Auch dass beide Ganoven dem Opfer Anweisungen auf Deutsch gegeben hätten, passe nicht zu dem beschuldigten Letten, der praktisch nur Russisch reden und verstehen könne.

Kremer ging auch auf das ziemlich unkoordinierte Vorgehen der Täter ein, die offenbar gar nicht so recht gewusst hätten, wie sie ihren Überfall zielgerichtet durchführen sollten: Sie hatten allem Anschein nach keine großen Vorbereitungen getroffen gehabt und die überfallene Frau nur behelfsmäßig mit einem von der Kellerwand gerissenen Stromkabel gefesselt. Kremer: "Der ganze Tatplan war von vornherein Käse." Die Verteidigerin wollte bei ihrem Mandanten lediglich eine Beihilfe zum Raubüberfall erkennen und hielt eine zweijährige Haftstrafe zur Bewährung für ausreichend.

Das Gericht folgte dem nicht. Vorsitzender Jochen Bösl nannte die Entlastungsgeschichte des Angeklagten "völlig aus der Luft gegriffen", einige Angaben seien geradezu "unsinnig". Es sei durchaus realistisch anzunehmen, dass der Angeklagte, der seinerzeit bereits einige Monate in Deutschland gelebt und sogar für einen Paketdienst gearbeitet hatte, ein paar Brocken Deutsch sprechen könne. Da das Täterduo bewaffnet gewesen sei, habe die Kammer auch keinen minderschweren Fall von Raub erkennen können.