Ingolstadt
Mehr als die Summe der einzelnen Teile

DK-Ferienjob: Ein halber Arbeitstag in der Vormontage der Audi-Produktion

08.09.2017 | Stand 02.12.2020, 17:32 Uhr
Thorsten Stark hat für den DK-Ferienjob bei Audi mitgearbeitet. −Foto: Hauser

Ingolstadt (DK) Die Sommerferien sind bald zu Ende – dementsprechend endet auch die DK-Ferienjob-Serie. Für die letzte Folge haben wir in der Produktion im Audi-Werk mitgearbeitet, und zwar in der Vormontage des A-Segments. Dort, wo auch in der Sommerpause unermüdlich Q 2 und A 3 gefertigt werden.

2000 Leute arbeiten im sogenannten A-Segment. Sie alle helfen mit, dass pro Tag im Schnitt 925 Q 2 und A 3 vom Band rollen. Während im B-Segment, wo unter anderem der A 4 gefertigt wird, in den Werksferien die Produktion zurückgeschraubt wurde, wird hier unermüdlich weitergearbeitet, in drei Schichten, sechs Tage die Woche. Und ich bin an diesem Tag einer von 2000.

Die graue Latzhose, ein weißes T-Shirt und Arbeitsschuhe sind Pflicht. Als die passenden Größen gefunden sind (L, M, 45), geht es weiter. Ich passiere die einzelnen Bandabschnitte, sehe, wie Innenverkleidungen befestigt und Cockpits montiert werden, und wie am Ende die fertigen Audis vom Band fahren.

Ich muss ein Stockwerk nach unten. Zur Türenvormontage. Dort gibt es ein weiteres Band, auf dem die Mitarbeiter die Türen, bevor sie nach oben transportiert werden, mit allem bestücken, was heutzutage eben zu einer Tür gehört. Fensterkurbeln gibt es inzwischen bei keinem Audi mehr. Aber dafür jede Menge andere Kombinationsmöglichkeiten. Für den A 3 hat Audi einmal alle möglichen Varianten für das gesamte Auto ausgerechnet: Man kam auf 3,1 x 1026 Möglichkeiten. „Früher gab es die Bauaufträge in Papierform, aber das ist heute gar nicht mehr darstellbar“, sagt Jerome Platzer, mein Chef für diesen Tag.

Dafür gibt es in seiner, also unserer Abteilung zwei gut zwei Meter breite und mir bis zur Brust gehende Einkaufswagen. Automatisch werden sie jeweils mit den Daten für die Türen dreier Fahrzeuge gefüttert und warten dann darauf, mit leeren Kisten bestückt zu werden, die es in dem Supermarkt genannten Teilelager zu füllen gilt. Das wird meine Aufgabe sein.

An meiner Seite ist Jan Martin aus Egweil, einer von zwei Kommissionierern. Der Arbeitsplatz gilt als prädestiniert für sogenannte leistungsgewandelte Mitarbeiter (LGW), eher älter, vielleicht schon mit körperlichen Einschränkungen. In der Frühschicht, in der ich mitarbeite, gibt es allerdings keine LGW, deswegen arbeitet Jan, der um die 30 ist und wie sein Kollege einen äußerst fitten Eindruck macht, hier. Seit 2006 ist er in dieser Abteilung. „Die ganzen technischen Helferlein hatten wir vorher alle nicht“, sagt er.

Wir starten. Besser gesagt, Jan und die Maschine starten. Ich stehe erst einmal nur staunend daneben. Jan schiebt die vollen Kisten der vorherigen Tour auf eine Plattform, von der sie ein weiterer Wagen aufnimmt und dann automatisch weiter Richtung Band transportiert. Jan greift sich drei neue und schiebt sie auf den Wagen, nimmt sich die drei Aufträge für die bestellten Türen – als zusätzliche Kontrolle –, drückt ein paar Knöpfe, und schon geht die Fahrt los. Ein Regalgang hin, einer zurück, links und rechts insgesamt 310 blaue Fächer, 264 davon in diesem Moment bestückt. Und die Maschine weiß genau, wo sie was braucht. Plötzlich stoppt sie und leuchtet eine blaue Kiste rot an. „Drei neue Steuergeräte“, sagt Jan. Auf dem Display hat die Maschine schon vorher angezeigt, wann sie halten wird und auf welcher Seite wir wie oft zugreifen müssen. Ein Licht am Wagen zeigt mir auch, in welches Fach die Steuergeräte gesteckt werden müssen. Eins, zwei, drei. Per Lichtsensor erkennt der Wagen, ob man richtig gesteckt hat. Wenn alles korrekt war, fährt er automatisch weiter.

Manchmal stößt der Sensor an seine Grenzen, dann muss Jan aber auch nur zwei Knöpfe drücken und schon geht es weiter. Eher stoße ich an meine Grenzen. „Links, rechts greifen – und dann einsetzen“, erklärt mir Jan. Ich nehme eine Zierleiste aus der angeleuchteten Kiste. Ist das jetzt die linke Leiste? Und in welcher Kiste ist das Gegenstück? Von hinten naht schon Jans Kollege mit dem zweiten Wagen. Ich frage mich, ob das Gerät stoppt, wenn ich mich zwischen ihm und seiner Zielkiste befinde. Jan greift sich ruhig die Zierleiste und steckt sie in den Wagen. Schon fährt der Wagen weiter. „Die gerade Zahl ist immer links, die ungerade immer rechts“, erklärt er. Jetzt müsste ich nur noch wissen, wo ich diese Zahlen finde.

Ich fühle mich überfordert. Wie herum muss ich die Außenspiegel einlegen? Warum wartet der Wagen nicht mal, bis ich das Kabel vernünftig hineingesteckt habe? Und wie macht Jan das mit den Lautsprecherabdeckungen? Geduldig erklärt er mir, wie ich sie greifen muss, um auch zu kontrollieren, dass ich tatsächlich eine linke und eine rechte genommen habe: „als ob du zustechen würdest.“ Mit dieser Eselsbrücke könne sich das jeder merken, sagt er. Das kann ich mir in der Tat gut vorstellen. So gehen wir Runde um Runde, ich gewinne an Sicherheit und habe Zeit, mehr über meinen Lehrer zu erfahren. Allein heute habe er schon elf Verbesserungsvorschläge eingebracht, sagt Jan. Mehrere seiner früheren Vorschläge seien auch schon umgesetzt worden, zum Beispiel ein Wagen für Abfälle in Bandnähe, wodurch sich etliche Wege einsparen ließen.

Wir sind wieder am Start angelangt. Jan verständigt den Gruppenleiter – die Zierleisten links vorne sind aus. Der Zulieferer, der den Fächerinhalt just in time liefert, muss verständigt werden. Ein Blick zur Uhr, die Schicht ist bald zu Ende. Ich bitte Jan um eine letzte Runde, diesmal versuche ich’s alleine. Links, rechts greifen. Zustechen. Es funktioniert. Ich verabschiede mich zufrieden von Jan, der lächelnd sagt: „Ich habe ja viel mit Azubis zu tun. Du warst nicht schlechter, aber auch nicht besser. So wie ich’s erwartet hatte.“