Ingolstadt
Couragierter Nachbar vertreibt Ganoven

Einbruchsversuch bei Juwelier Christ: Mutmaßlicher Mittäter erhält drei Jahre und acht Monate Haft

18.02.2016 | Stand 02.12.2020, 20:11 Uhr

Ingolstadt (DK) Ein gescheiterter Einbruch beim Juweliergeschäft Christ an der Ludwigstraße hat jetzt sein juristisches Nachspiel vor dem Amtsgericht gehabt. Ein mutmaßlicher Tatbeteiligter hat dort eine Haftstrafe von drei Jahren und acht Monaten erhalten. Das Urteil ist aber noch nicht rechtskräftig.

Dass inzwischen so mancher größere Coup auf dem Einbruchssektor sowohl bei Privatleuten als auch im Geschäftsbereich auf das Konto osteuropäischer Banden geht, ist unter den Ermittlern von Polizei und Staatsanwaltschaft eine offen gehandelte Information. Auch im Fall der Christ-Filiale in der Fußgängerzone führen Spuren und Indizien in diese Richtung: Im Visier sind mehrere polnische Staatsbürger, die den Erkenntnissen der Kripo nach kurz vor dem Vorfall vom 4. September vorigen Jahres nach Deutschland eingereist waren.

Einer der Männer saß jetzt vor dem Schöffengericht auf der Anklagebank. Er soll Zeugenaussagen zufolge bei dem gescheiterten Einbruch in den Juwelierladen Schmiere gestanden haben.

Gleich zwei Anwohner aus der Nachbarschaft des Geschäfts waren an jenem Freitagmorgen in aller Frühe durch Knack- und Berstgeräusche auf ungewöhnliche Vorgänge in ihrer Nähe aufmerksam geworden und hatten sich vom Fenster bzw. von einem Balkon aus einen Eindruck davon verschaffen wollen. Beide Zeugen hatten jeweils drei Männer gesehen, von denen sich zwei - mit Motorradhelmen versehen - an einer Schaufensterscheibe der Christ-Filiale zu schaffen gemacht hatten. Der dritte Unbekannte hatte etwas abseits in der Fußgängerzone offenbar als Sicherungsposten fungiert.

Beide Nachbarn riefen kurz hintereinander die Polizei an, einer machte sich - weil es schnell gehen sollte noch in Hausschuhen - sogar auf in Richtung Tatort. Dort sah er noch, wie die beiden behelmten Gestalten die Flucht ergriffen. Der dritte Mann, dunkel gekleidet und mit einer Schirmmütze auf dem Kopf, soll zunächst verharrt, dann aber allmählich in Richtung Mauthstraße davongegangen und dabei immer schneller geworden sein. So gut er konnte, folgte der aufmerksame Nachbar dem Flüchtenden, den er noch eilig in der Pfarrgasse verschwinden sah, während er aus der Nähe den aufbrausenden Motor eines offenbar davonfahrenden Motorrads vernahm. Das alles schilderte der Zeuge jetzt dem Schöffengericht.

Tatsächlich hatte eine Polizeistreife schon wenige Minuten nach der kurzen Verfolgungsjagd in der Pfarrgasse jenen Mann festgenommen, der jetzt auf der Anklagebank Platz nehmen musste. Es handelt sich um einen 37-jährigen Polen, der nach eigenen Angaben keinen festen Wohnsitz hat und der zu den Anschuldigungen der Anklagebehörde keine Angaben machen wollte. Beide Zeugen hatten das Gesicht des "Schmierestehers" seinerzeit nicht gesehen, ihre Beschreibungen zur Kleidung und zur Statur des Mannes passten aber recht weitgehend zum mutmaßlichen Mittäter.

Auffällig war auch gewesen, dass noch während der Vernehmung des Festgenommenen bei der Polizei mehrere Anrufe auf dem Handy des Beschuldigten eingingen - allesamt von einem polnischen Anrufer, dessen Identität sich aber nicht klären ließ.

Wie die Auswertung der Handydaten ergab, waren das Telefon des Beschuldigten und das des unbekannten Anrufers ebenso wie ein weiteres in Polen registriertes Gerät zur Tatzeit allesamt in derselben Ingolstädter Funkzelle angemeldet gewesen. Die Ermittler folgern daraus, dass alle drei Männer gemeinschaftlich vorgegangen sind und die beiden (wohl mit einem Motorrad) entkommenen Täter sich später telefonisch nach dem Schicksal ihres Kumpanen erkundigen wollten.

Als aufschlussreiches Indiz gilt den Ermittlern auch, dass der Angeklagte im Jahr 2012 im westfälischen Bielefeld schon einmal in Zusammenhang mit einem Einbruchsdelikt ins Visier der Polizei geraten war. Damals hatte man ihn aber mangels hinreichender Beweise wieder laufenlassen müssen.

Die stellvertretende Filialleiterin des Juweliergeschäftes schilderte dem Schöffengericht unter Vorsitz von Christian Veh, dass die Täter von der Ludwigstraße es auf die teuersten Stücke abgesehen hatten: Hinter der Scheibe, die nach bereits erfolgter Entfernung der Randverkleidung offenbar mit Saugnäpfen abgehoben werden sollte, hatten sich demnach Uhren und Schmuck im Verkaufswert von rund 100 000 Euro befunden.

Auch wenn sich der Angeklagte mit keiner Silbe zu den Vorwürfen äußerte und seine Verteidigerin Andrea Kremer angesichts von ihr nicht erkannter schlüssiger Beweise sogar Freispruch forderte, schloss sich das Gericht der Betrachtung von Staatsanwalt Michael Hauber an: Wegen versuchten schweren bandenmäßigen Dienstahls wurden die erwähnten drei Jahre und acht Monate Haft verhängt - schon sehr dicht an der Obergrenze von vier Jahren, die in Strafverfahren vor dem Amtsgericht möglich sind. Hauber hatte sogar drei Jahre und zehn Monate gefordert. Der Verurteilte will nun in Berufung gehen.

Vorsitzender Veh lobte in seiner Urteilsbegründung insbesondere den Zeugen, der sich couragiert den Tätern genähert und sogar die Verfolgung aufgenommen hatte. Zudem habe der Mann vor Gericht "wohltuend genau" seine Beobachtungen geschildert. Veh: "Ein Zeuge, wie man ihn sich nur wünschen kann."