Ingolstadt
Audi zieht die Lehrlinge ab

Rund 300 der 1400 angebotenen Ausbildungsplätze in Ingolstadt sind unbesetzt

31.08.2015 | Stand 02.12.2020, 20:51 Uhr

Feinwerkmechaniker-Lehrling Robert Heiß an einer CNC-Fräsmaschine in der Lehrwerkstatt der Firma Weitner zusammen mit Ausbildungsleiter Christian Bittl, Werner Weitner und Heinz Weitner (von links). - Foto: Chloupek

Ingolstadt/Eichstätt (DK) Heute beginnt das neue Ausbildungsjahr. Doch längst nicht alle Lehrstellen in der Region können besetzt werden. Allein in Ingolstadt sind von fast 1400 angebotenen Lehrstellen rund 300 noch frei. Handwerk und Industrie beklagen: Der Autobauer Audi zieht die Azubis ab.

Für Harald Rott, Bezirksmeister Ingolstadt der Kfz-Innung für München und Oberbayern ist das nichts Neues. „Das ist seit Jahren so“, sagt er in Bezug auf den Autobauer. Audi bekomme die guten Lehrlinge oder später die Gesellen. Der Hauptgrund dafür dürfte neben dem sicheren Arbeitsplatz sein: Der Autobauer zahle deutlich besser als das Handwerk jemals zahlen könnte.

Kfz-Mechaniker gehören laut Peter Kundinger, Pressesprecher der Agentur für Arbeit in Ingolstadt, genau wie Bürokaufleute, Büromanager, Mechatroniker, Lackierer und Elektriker zu den beliebtesten Lehrberufen. Doch gute Auszubildende zu finden, ist nicht leicht. Harald Rott stellt in seiner eigenen Werkstatt in diesem Jahr keinen Lehrling ein. „Ich würde gerne, aber ich habe keinen Geeigneten gefunden“, sagt der Bezirksmeister. Viele, die aus der Schule kämen, gingen weiter auf die Berufsoberschule oder Fachoberschule. „Heute will sich keiner mehr die Hände dreckig machen“, sagt Rott. Die Auswahl der Bewerber werde immer schwieriger. In diesem Jahr hätten sich nur Schulabgänger mit schlechtem Abschluss bei ihm gemeldet. Doch die Anforderungen an einen Kfz-Mechaniker heutzutage werden größer. „Die Technik wird immer anspruchsvoller.“

Seine Erfahrungen mit dem „großen Ingolstädter Unternehmen“ habe auch sein Betrieb schon gemacht, meint Werner Weitner. Auch der Gründer der Maschinenbaufirma Weitner im Eichstätter Gewerbegebiet Sollnau kritisiert, dass der Autoriese Fachkräfte abziehe. Und potenzielle Lehrlinge. „Mittelständische Unternehmen können oft nicht mithalten mit den Gehältern, die die bezahlen“, sagt auch er. Früher habe seine Firma den Ingolstädter Autobauer beliefert, mittlerweile nicht mehr – und es läuft auch so gut bei Weitner. „Wir brauchen Audi nicht“, betont der Seniorchef.

In der Region sind laut aktueller Statistik der Arbeitsagentur noch 912 Lehrstellen frei. Rund 200 davon im Landkreis Pfaffenhofen, knapp 300 jeweils in Ingolstadt und im Landkreis Eichstätt. „Vor allem kleine und mittlere Unternehmen müssen um jeden Azubi kämpfen. Aufgrund der guten Konjunktur und des absehbaren Fachkräftemangels bieten sie reichlich Lehrstellen an, sie bekommen aber immer weniger Bewerbungen“, erklärt Fritz Peters, Vorsitzender des IHK-Gremiums Ingolstadt-Pfaffenhofen. Mit Beginn des Ausbildungsjahres treten in Ingolstadt 966 Jugendliche eine Lehre bei IHK-zugehörigen Unternehmen an, wie aus einer Zwischenbilanz der IHK für München und Oberbayern mit Stand Ende August hervorgeht – 2,1 Prozent weniger als zum gleichen Zeitpunkt des Vorjahres. Damals hatten 987 Jugendliche eine Ausbildung begonnen.

Besonders groß ist der Lehrlingsmangel im Einzelhandel und der Gastronomie, betont Peters. Er unterstreicht jedoch, dass es Probleme „quer durch alle Branchen“ gebe. „Es sind auch noch viele Lehrstellen im Fahrzeugbau und Energietechnik sowie für Büro- und Bankkaufleute frei“, so der IHK-Gremiumsvorsitzende. Der Mangel an Ausbildungsbewerbern, betont der Vorsitzende des örtlichen IHK-Gremiums, werde „für unsere Wirtschaft immer mehr zum Dauerzustand“. „Die fehlenden Azubis von heute sind aber der Fachkräftemangel von morgen.“

Fritz Peters macht für den Bewerberengpass stagnierende Schulabgängerzahlen und den Trend zur Akademisierung verantwortlich. Die Zahl der Absolventen der Mittelschulen (früher Hauptschulen) sei in Oberbayern seit 2005 um 27 Prozent zurückgegangen. Gleichzeitig sei die Zahl der Abiturienten um 54 Prozent gestiegen.