Halbnackt durch Schnee und Eis

18.01.2010 | Stand 03.12.2020, 4:20 Uhr

 

Eichstätt/Ingolstadt (DK) In Kasachstan gibt es das vielleicht öfter – in der Region Ingolstadt ist es dagegen spektakulär: Da joggt ein Mann jeden Morgen in kurzer Hose und Turnschuhen durch die Winterlandschaft, nimmt dann ein Bad im eiskalten Fluss und wälzt sich zum Schluss auch noch im Schnee.

Der Mann heißt Robert Rudi, ist 53 Jahre alt und wohnt in Rebdorf, einem Vorort von Eichstätt, verbringt aber den größten Teil des Tages in Ingolstadt. Er ist bei der Stadt angestellt und betreut über den Stadtteiltreff Piusviertel unter anderem Jugendliche an der Hauptschule an der Herschelstraße.

1993 kam Rudis gesamte Großfamilie, insgesamt 16 Personen, aus Kasachstan nach Eichstätt. Robert Rudi wurde begleitet von seiner Frau und den zwei Söhnen. Er ist staatlich geprüfter Sozialbetreuer und kümmert sich jetzt schon seit Jahren haupt- und ehrenamtlich um junge Russlanddeutsche in Eichstätt und Ingolstadt.

Rudi wohnt ganz am Ortsende von Rebdorf, und jeden Morgen macht er sich jetzt mit bloßem Oberkörper und blanken Beinen auf den Weg in die Kälte. "Ich habe das in Kasachstan schon gemacht", erzählt er. "Wenn’s kalt ist und es Schnee gibt, passt mir das. Aber hier ist das leider ganz selten so. Deswegen freue ich mich jetzt über diesen Winter."

"Langsam anfangen!"

Ab neun Uhr läuft er auf dem verschneiten Radweg von Rebdorf über Wasserzell bis kurz vor Obereichstätt, joggt zurück bis zum Rebdorfer Altmühlwehr, zieht sich die Laufschuhe aus und geht bedächtig für ein paar Schwimmzüge ins eiskalte Wasser. Dann läuft er nach Hause und macht im Garten noch Kniebeugen und Liegestütze. Jeweils 53 Stück – für jedes Lebensjahr eins. Er wälzt sich noch im Schnee, so vorhanden, und dann erst kehrt er ins Haus zurück und nimmt eine Dusche. Mit kaltem Wasser.

Kennt der Mann denn keine Kälte? Doch, schon. Aber es sei alles Gewöhnungssache, betont Rudi. "Ich mache das seit meiner Jugend." Einsteigern – so es sie gibt – rät er: "Da muss man langsam anfangen, daheim unter der kalten Dusche." Am Ende mache dann auch ein Bad in der Altmühl, egal bei welchem Wetter, nichts mehr aus. Doch wenn zum Bad noch die weiße Pracht kommt, ist Robert Rudi in seinem Element: "Der Schnee freut mich einfach", sagt er. "Wenn es den gibt, dann brennt das zuerst alles, dann bist du rot, und danach spürst du keine Kälte." Nichts für Weicheier, soviel steht fest. Aber ist das gesund? Der Hausarzt habe keine Einwände gehabt, meint Robert Rudi. "Der sagt, dass es eine Sache der Gewohnheit ist."

Und Sport ganz allgemein ist bei dem Rebdorfer unverzichtbare Gewohnheit. Er geht im Sommer wie im Winter zum Laufen, und drei Mal in der Woche ist er zudem mit seinen Jugendlichen in der Sporthalle. Dort betreut er nachmittags Jugendliche an der Herschelschule, hat dort Gruppen für Breakdance, für Bauchtanz und für Selbstverteidigung (Buben und Mädchen) aufgebaut. Daneben betreut er auch eine russisch sprechende Selbsthilfegruppe mit dem Namen "Neubeginn" in Ingolstadt, die sich zweimal monatlich trifft, und er ist Gründer und Vorsitzender des Vereins JDR (Jugendliche Deutsche aus Russland), der sich um Suchtprävention bei russisch sprechenden Aussiedlern bemüht.

Botschaft gegen Drogen

17, 18 Jahre alt sind viele der Jugendlichen, mit denen Rudi zu tun hat. Er weiß, dass körperliche Stärke für sie eine ganz bedeutende Rolle spielt im Wettbewerb um das, was Jugendliche aus diesem Milieu gemeinhin "Respekt" nennen: "Man muss diesen Jugendlichen zeigen, was man drauf hat", sagt er. Da kann es dann durchaus mal passieren, dass Rudi seine bewährten 53 Liegestütze vorzeigen muss und im Gegenzug den Nachwuchs zum Nachmachen auffordert: "Komm, mach mal!" Kaum einer kann da mithalten, und schon hat Sozialbetreuer Rudi einen Ansatzpunkt für eine wichtige Botschaft gefunden: "Wer Drogen nimmt, hat keine Kraft, der kann keine Muskulatur aufbauen. Drogen machen schwach." Auf einem Flyer für den Verein steht in großen Buchstaben sogar: "Drogen sind Dreck. Du nicht!"

Man kann das die Holzhammer-Methode nennen, aber sie ist anscheinend effektiv. Und sie kommt nicht nur bei den jungen Russen an: Die Breakdancegruppe, vor sieben Jahren gegründet, besteht inzwischen zur Hälfte aus Einheimischen und zur Hälfte aus Jugendlichen aus Russland, freut sich Rudi.

Zum Programm gehören übrigens auch immer wieder Skifahrten in die Berge, und Rudi nutzt die Gelegenheit auch dort zum Schneejoggen in kurzer Hose. "Wie kannst du das nur machen", fragen die Jugendlichen dann mit einer Mischung aus Fassungslosigkeit und Begeisterung. Manche haben es auch schon probiert und sind schnell an ihre Grenzen gestoßen. Und dennoch haben sie einen entscheidenden Anstoß bekommen, meint Robert Rudi: "Die überlegen sich dann auch eher, sportlich was zu machen."