Friedrichshofen
Die Front von Friedrichshofen

Streit um Verkehrspolitik entzweit die Bürgerinitiative und die Anwohner der Vorwaltnerstraße

29.10.2012 | Stand 03.12.2020, 0:53 Uhr

Rund um die Vorwaltnerstraße sollen die Kinder weiter ungefährdet spielen können. Das fordern die Anwohner. Sie fürchten, dass durch das neue Baugebiet Friedrichshofen-West der Verkehr vor ihren Haustüren immens zunehmen wird. Doch wie sie ihr Anliegen inzwischen vortragen, missfällt der Bürgerinitiative FBI und dem BZA. Arch - foto: Strisch

Friedrichshofen (DK) Die Wogen schlagen hoch wie nie: Im Streit um die Verkehrsbelastung durch das Neubaugebiet Friedrichshofen-West treffen die Bürgerinitiative FBI und die Anwohner der Vorwaltnerstraße aufeinander. Der Bezirksausschuss steht dazwischen. Jetzt soll die Stadtbaurätin helfen.

Regelrecht eine Friedensmission wartet auf die Stadtbaurätin Renate Preßlein-Lehle, wenn sie – so der aktuelle Stand – am 20. November in Friedrichshofen beim örtlichen Bezirksausschuss (BZA) zu Gast ist. „Wir haben das Konzept schon mehrfach erklärt. Jetzt machen wir es eben noch einmal“, sagt Rainer Mühlberger, der BZA-Vorsitzende. Es geht ein weiteres Mal um den Verkehr, der mit dem Neubaugebiet Friedrichshofen-West den Stadtteil betreffen wird. Der BZA erfüllt mit Preßleins-Lehles Erscheinen einen Wunsch der Anwohner der Vorwaltnerstraße, die „dann letztlich doch noch“ (Mühlberger) einen Antrag stellten, dass ein Verwaltungsexperte die Pläne für den Straßenverlauf während der Bauarbeiten und danach vorstellt.

Das ist das Ergebnis der jüngsten BZA-Sitzung. Eine, wie sie der Stadtteil wohl noch nie erlebt hat. „Der Höhepunkt war“, sagt Georg Niedermeier, der Chef der Friedrichshofener Bürgerinitiative FBI, „dass Herr Mühlberger beschimpft wurde, mit falschen Zahlen zu arbeiten.“ Dabei stamme die Verkehrszählung (2600 Autos täglich), über die sich ein Mitglied der Interessengemeinschaft der Vorwaltnerstraße aufregte, von den Anwohnern selbst. „Das war schon sehr sonderbar“, staunt Mühlberger – nicht zuletzt auch über den scharfen Ton. FBI-Chef Niedermaier sagt: „Man wundert sich schon über die Aufregung, die an der Vorwaltnerstraße herrscht.“ Dabei verfolgt die FBI natürlich ihre eigenen Ziele: Die Friedrichshofener Straße selbst zu entlasten.

Der Frontverlauf in dem Stadtteil bleibt unübersichtlich. Wer mit wem redet – oder nicht mehr redet – ist nicht einfach darzustellen, und die Lage ändert sich zudem fortlaufend. Am Anfang stand der Streit um die so genannte Durchbindung der Levelingstraße Richtung Ochsenmühlstraße als Entlastung. Die FBI will sie unbedingt, spricht aber nicht für alle Bürger.

2009 wurden gegen die Verlängerung der Levelingstraße Unterschriften gesammelt. Um die Situation zu befrieden und alle Kontrahenten an einen Tisch zu setzen, hat die Stadt damals einen Arbeitskreis (mit Renate Preßlein-Lehle) ins Leben gerufen, der eine Empfehlungsliste erarbeitete, die vom BZA und später vom Stadtrat abgesegnet wurde. Der Arbeitskreis ist Geschichte, wirkt jedoch im aktuellen Streit nach.

Anlieger der Vorwaltnerstraße, die vom Verkehr zum neuen Wohngebiet sehr stark betroffen wären, klagen, „dass der Arbeitskreis dubios zustande gekommen ist“, so formuliert es der Anwohner Oliver Kupfer. „Eigentlich ging es nur um die Levelingstraße. Nebenbei sollte dann das neue Baugebiet mit abgesegnet werden.“ Sein Vorwurf: „Das Thema wurde dem Arbeitskreis untergejubelt!“

Die Gegenposition lautet: Die Leute aus der Vorwaltnerstraße hätten wirklich genügend Gelegenheit gehabt, sich zu informieren. „Das war ein riesiger Aufwand, den wir mit dem Arbeitskreis betrieben haben“, sagt BZA-Chef Mühlberger. Die Anwohner hätten ihre Anliegen außerdem früher in den BZA einbringen sollen. „Bisher sind sie nur hinten drin gesessen und haben sich nicht geäußert.“ Mühlberger sagt aber auch: „Wir können nur ein Informationsangebot machen. Jedem steht natürlich der eigene Weg in die Verwaltung frei.“

Sich früher melden? „Der Vorwurf kommt ständig“, sagt Kupfer und erwidert: „Im BZA erklären die nur immer, dass es nicht anders gehe mit der Anbindung des Neubaugebiets südlich am Friedhof vorbei. Wir aber sind der Ansicht: Es gibt Alternativen!“ Doch die, findet Kupfer, stelle die Stadt nicht vor.

Die Wogen schlagen hoch wie nie. Dieter Kutscha gehört dem Friedrichshofener BZA seit 1972 an. „Aber so was wie in der Sitzung habe ich noch nie erlebt!“, sagt auch er. Bösartig sei es da zugegangen. „Ich musste heftig dagegen halten.“ Er mahnt zu Besonnenheit und gibt zu bedenken: „Der Einfluss eines BZA wird überschätzt.“ Mit Blick auf die Vorwaltnerstraße merkt er allerdings an: „Die jetzt so klagen, haben sich lange nicht gemeldet.“ Der Vorwurf, das Thema sei dem Arbeitskreis untergejubelt worden, „trifft einfach nicht zu“, sagt Kutscha. „Im Ergebnis ist immer über das neue Viertel gesprochen worden.“

Das betont auch die FBI („Wir haben uns bisher sehr zurückgehalten“), deren Sprecher Niedermeier für die Zusammenarbeit wirbt. Schließlich überschneiden sich die Interessen: „Wir waren gegen den Ausbau der Straße am Friedhof!“ Dafür soll der Weg vom Neubaugebiet nach Süden zum Hubschrauberlandeplatz des Klinikums gehen. Und die, so das nicht ganz uneigennützige Ziel der FBI, würde die Durchbindung der Levelingstraße als logischen Schritt nach sich ziehen.