Ingolstadt
Das große Warten auf die E-Mobilität

Gutachter bescheinigt den Stadtwerken: Auch bei hundert Prozent Elektroautos gehen die Lichter in Ingolstadt nicht aus

19.10.2018 | Stand 02.12.2020, 15:25 Uhr
Sieht sich gut gerüstet für den großen Aufschwung der Fahrzeuge mit Elektroantrieb: Hubert Stockmeier, der Chef der Stadtwerke-Tochtergesellschaft Netze in der Verbundwarte des Versorgers. Unten Ex-Werkleiter Hans Meck 1991 beim Start des ersten E-Autos. −Foto: Hammer/ArchivX

Ingolstadt (DK) Was passiert, wenn die Elektromobilität kein Minderheitenprogramm mehr ist, sondern einen echten Schub bekommt? Ist das Stromnetz in Ingolstadt der Belastung gewachsen, wenn die Mehrzahl der Autos nicht mehr mit Verbrennungsmotor unterwegs ist? Oder droht dann der große Blackout? Die Stadtwerke haben die Fragen einem Gutachter vorgelegt.

"Ich muss jetzt die Investitionsentscheidungen für die Zukunft treffen", begründet Hubert Stockmeier die Notwendigkeit für eine Studie, die den Stand der Dinge untersucht und mögliche Defizite aufzeigt. Denn Schwachstellen im Leitungsnetz könnten nicht auf die Schnelle beseitigt werden. Stockmeier ist Chef der Stadtwerke-Tochtergesellschaft Netze und musste in der jüngsten Sitzung des Aufsichtsrates dem Gremium Rede und Antwort stehen. Dazu diente auch das Gutachten des externen Beratungs- und Softwareunternehmens Consentec, das Erfahrungen aus skandinavischen Ländern gesammelt hat, Vorreitern in Sachen Elektromobilität.

Bereits 1991 stieg der damalige Werkleiter der Stadtwerke, Hans Meck, in das erste E-Fahrzeug des Versorgungsunternehmes ein, was sich allerdings eher als ein symbolischer Akt erweisen sollte, denn bekanntlich hat sich auf den Straßen die Elektromobilität noch lange nicht durchgesetzt. Laut Stockmeier liegt Ingolstadt bei der Ladeinfrastruktur im Städtevergleich derzeit "auf einem guten vorderen Platz". Zum Jahresende 2018 stünden 64 öffentliche Ladepunkte zur Verfügung. Den Zulassungszahlen (Stand Ende September) zufolge fahren in der Stadt rund 500 Autos rein mit Elektroantrieb, etwa 3500 hybrid und die große Masse weiterhin wie bisher gewohnt vor allem mit Benzin- und Diesel.

Für die Investitionsplanung der Stadtwerke sei "primär der rein elektrische" Antrieb relevant, erklärt der Netze-Chef, denn hier könnten eventuell künftige Risiken für die Leitungskapazität drohen. Eine erste Studie von Consentec im Jahr 2007 und eine weitere MVV-Untersuchung zur Photovoltaik 2013 hätten ergeben, dass im Mittelspannungsnetz schwerpunktmäßig ausgebaut werden muss. "Da haben wir im Wesentlichen die Planungen so umgesetzt", sagt Stockmeier.

Im Süden von Ingolstadt (Kothau/Münchener Straße) wird zum Beispiel seit 2013 das Netz verstärkt und von 10 auf 20 kV (Spannung Kilovolt) umgestellt. Nach Angaben der Stadtwerke wird dieser komplexe Ausbau - mit 64 Trafostationen und rund 80 Kilometer Kabel - noch bis etwa 2023 dauern. An weiteren Netzverstärkungen wird in Ober- und Unterhaunstadt (zwischen 2017 und 2020) sowie permanent im Güterverkehrszentrum gearbeitet. Nicht zu vergessen ein ganz wichtiger Kunde der Zukunft: der IN-Campus auf dem früheren Bayernoil-Raffineriegelände, der aktuell ans Stromnetz angeschlossen wird.

Ab wann müssen die Ingolstädter Stromversorger damit rechnen, für den kompletten Pkw-Verkehr mit E-Antrieb gerüstet zu sein? Oder in Stockmeiers Worten: "Wann muss mein Netz so stark sein, um hundert Prozent zuverlässig versorgen zu können?" Fünf verschiedene Prognosen liegen zum Vergleich vor, die Stadtwerke und ihr Berater Consentec nehmen - "auch weil wir Audi-Standort sind" - den frühestmöglichen Termin: Der lautet 2040. Nach dieser Modellrechnung wären zu diesem Zeitpunkt alle Pkw elektrisch angetrieben, derzeit 100000 in Ingolstadt und 46 Millionen in Deutschland.

"Ich kann ja nicht warten, bis die hundert Prozent da sind", sagt der Geschäftsführer. "Wichtig ist, dass die Hauptversorgungsader steht." Der Gutachter bescheinigt dem Unternehmen, dass es bei den Umspannwerken bereits "optimal vorbereitet" sei. Selbst bei höheren Laststeigerungen seien "keine Ausfälle zu befürchten".

Im Mittelspannungsnetz hat Consentec ebenfalls keine Bedenken: "Vorhandene Lastreserven reichen bei ungesteuertem Laden aus, um E-Mobilität im Endausbau vom Mittelspannungsnetz zu versorgen."

Wo es noch einiges zu tun gibt, wie Stockmeier einräumt, das ist das Niederspannungsnetz im Umfeld des jeweiligen Nutzers. "Da haben wir bei der Netzplanung Nachholbedarf. Es kann sein, dass wir manche Netze verstärken müssen." Dies werde aber aus Gründen der Wirtschaftlichkeit nicht großflächig passieren, sondern individuell. "Die Leute melden sich an, und wir prüfen es. Wir haben bisher noch keinen ablehnen müssen." Fazit der Studie: "Dass in Ingolstadt wegen der E-Mobilität die Lichter ausgehen könnten, wird nicht passieren."