Ein Leben für den "Flow"

20.09.2007 | Stand 03.12.2020, 6:28 Uhr

Im Kellerstudio der Band "Erntezeit" macht Adis Beganovic Probeaufnahmen. Gert und Volker Bauer sitzen am Mischpult und steuern die Rhythmen vom Band. - Foto: Herbert

Ingolstadt (DK) Reime und Rhythmen: Um nichts anderes geht es bei dem Jugend-Hip-Hop-Projekt "Boomtown Raps." Dabei unterstützen erfahrene Musiker wie Gert und Volker Bauer Jugendliche aus sozial schwachen Vierteln.

"Das hier ist mein Leben, ihr könnt mir nicht reinreden", rappt Gert Bauer. "Ja Mann. Korrekt!", ruft Adis Beganovic. Die beiden sitzen zusammen mit Gerts Bruder Volker im Keller eines gelb getünchten Reihenhauses in Ringsee. Vor ihnen stehen zwei Flachbildschirme, ein Synthesizer, ein Mischpult, eine Tastatur. An der Wand hängen eine Jamaica-Fahne und grauer Schallschutz-Schaumstoff. Einige Meter weiter stehen ein grün-weißer Wäscheständer aus Blech und ein Schuhregal. Die Stufen der Kellertreppe sind aus blankem Beton. Den Boden bedeckt PVC.

Das Kellerstudio ist so weit weg, wie es nur geht von den Luxus-Villen aus den Videos der Hip-Hop-Stars. Doch in diesem Keller lebt Hip-Hop. Denn es geht nicht um Luxus und Angeben, sondern um Reime und Aussagen. "Dieses ganze Battle-Zeug ist doch langweilig", sagt Adis. "Da ist doch viel dasselbe." Deswegen wolle er für sein Lied einen persönlichen Text. "Ein deeper Song halt."

"Deep" bedeutet auf englisch tief. Doch kein Rapper würde sagen, dass er einen Text über tiefe Empfindungen singt. Denn genauso wie Musik kommt die Sprache des Hip-Hop aus den USA. Deswegen geht es um "Battles", also Hip-Hop-Wettbewerbe, und "deeper Texte". "So ein Text ist schwierig zu schreiben", sagt Volker Bauer. Wie sein Bruder Gert ist er Mitglied der Ingolstädter Hip-Hop-Band Erntezeit. Zusammen leiten sie Rap-Workshops für das Projekt "Boomtown Raps." Dessen Initiatoren haben sich das Ziel gesetzt, mit Jugendlichen aus Problemvierteln Lieder zu erarbeiten.

Von Adis’ Können sind Gert und Volker beeindruckt. "Du hast eine gute Stimme", sagt Gert. "Und das mit dem Flow hast Du echt schnell kapiert." Der "Flow" ist ein magisches Wort im Hip-Hop. Es bezeichnet das Zusammenspiel von Rhythmus und Text. Gert zeigt, wie es geht: "Was ich bin, was ich kann, was ich mach ist mein Leben", rappt er. Volker lässt seine Finger über die Tastatur fliegen und die Worte erscheinen auf dem Bildschirm. Zu dritt rappen die jungen Männer den kompletten Text. Der Rhythmus läuft ohnehin ständig im Hintergrund.

"Mann, ist das gut", sagt Volker. Und Adis strahlt wie ein kleiner Junge vor dem Weihnachtsbaum. Seine Eltern stammen aus Mazedonien. Er arbeitet bei Audi in der Lackiererei. Auch dort hat er Musik dabei. "Auf meinem MP3-Player habe ich Beats drauf. Die höre ich dann bei der Arbeit", sagt er. Hip-Hop mache er seit zwei Jahren. "Da gab es so ein Projekt im Piustreff." Von zwölf Interessenten am Anfang seien nur er und zwei seiner Freunde übrig geblieben.

"Uns haben am Anfang auch Leute gewarnt, dass die Jugendlichen nicht bei der Sache bleiben würden", sagt Volker. "Aber so ist es nicht gekommen."

Im Gegenteil. Die Jugendlichen machten toll mit. Er klickt mit der Maus auf eine Schaltfläche, der Rhythmus dröhnt durch die Lautsprecher. Adis und Gert werfen sich Reime zu. Das ist "Flow".