Ingolstadt
Die Entscheidung steht noch aus

Oberlandesgericht wird sich erst im November zum Busunfall äußern

21.10.2019 | Stand 02.12.2020, 12:47 Uhr

Ingolstadt/München (dpa/ DK) Wer haftet, wenn ein Fahrgast in einem Linienbus stürzt und sich verletzt?

Zu dieser Frage wollte sich das Oberlandesgericht (OLG) München in einem Prozess mit Ingolstadt-Bezug äußern. Die für vergangenen Freitag ankündigte Entscheidung des Senats wurde aber kurzfristig auf den 15. November verschoben, wie das OLG auf DK-Anfrage mitteilte.

Bereits mehrfach hatte der Senat eine gütliche Einigung zwischen den Parteien angeregt. Zustande gekommen ist aber bis dato offenbar keine. Immerhin geht es um 120000 Euro, die von der Berufsgenossenschaft eines Busfahrgasts vom Busfahrer und der Ingolstädter Verkehrsgesellschaft INVG gefordert werden. Der Mann war im Jahr 2012 in einem Linienbus in Ingolstadt nach einer Vollbremsung schwer gestürzt und hatte sich die Schulter gebrochen. Neben der Summe forderte der Kläger laut OLG noch die Feststellung durch das Gericht, dass die Beklagten als Gesamtschuldner auch weitere Kosten, die dem Verletzten durch den Unfall entstanden sind und noch entstehen werden, übernehmen.

Das Landgericht Ingolstadt hat die Klage 2017 abgelehnt, wogegen die Klägerin Berufung einlegte. Der Fall hatte sich an einem Mai-Morgen gegen 6 Uhr in Ingolstadt ereignet, nachdem der spätere Geschädigte an einer Haltestelle mit anderen in den Linienbus eingestiegen war. Nach Überzeugung des Landgerichts war der Mann am Sturz selbst schuld - schließlich habe er sich zum Zeitpunkt der Vollbremsung nicht festgehalten. In einem Video aus dem Bus, das auch am OLG in der Verhandlung abgespielt wurde, ist zu sehen, wie er sich nach dem Entwerten seiner Fahrkarte in der Mitte des Busses locker gegen den Automaten lehnt mit Blick entgegen der Fahrtrichtung.

Als der Fahrer bremste, wurde der Mann "durch den ganzen Bus geschleudert", wie der Vorsitzende Richter in einer der mündlichen Verhandlungen sagte. Zuvor war ein laut Zeugenaussagen betrunkener Fußgänger auf die Straße vor den Bus gelaufen. In der Verhandlung in München ging es unter anderem darum, dass sich die Angaben des Busfahrers teilweise widersprachen. So war laut Richter noch nicht klar, ob die Vollbremsung vermeidbar gewesen war. Es sei fraglich, ob der Busfahrer vorher zu sehr beschleunigt hatte.

Ein zentraler Punkt des Falles war aber auch immer das Verhalten des Fußgängers, der den Unfall heraufbeschworen hatte. Nach Überzeugung der erstinstanzlichen Kammer in Ingolstadt war der Mann auf der Fahrbahn zunächst an der Mittellinie stehengeblieben und dann "unvermittelt auf die Fahrbahn vor den Bus getreten". Deshalb war die Notbremsung nötig geworden. Die andere Straßenseite hätte der Fußgänger nicht unversehrt erreicht, war sich das Landgericht sicher. Diese Fehleinschätzung des Mannes habe eben an seiner Alkoholisierung gelegen. Der Busfahrer und weitere Zeugen hätten bei dem Fußgänger eine deutliche Fahne gerochen, so sagten sie in dem Zivilprozess in Ingolstadt. Es habe aber vor dem Überqueren keine Hinweise gegeben, die den Fußgänger gleich als offensichtlich angetrunken hätten erscheinen lassen.

Das Landgericht hatte kein Sachverständigengutachten zum Verhalten des Fußgängers und zu der Vollbremsung eingeholt. Es war der Auffassung, dass es an konkreten Anknüpfungspunkten für ein solches Gutachten fehle (wie der genaue Standort des Mannes, Geh- und Fahrgeschwindigkeiten und anderes).

Ein Gutachten hätte das Landgericht nach Auffassung des OLG-Verkehrssenats aber in Auftrag geben müssen. Grundsätzlich, so stellte der Senat aber auch gleich fest, sei natürlich der Fahrgast zunächst selbst dafür verantwortlich, sich einen sicheren Halt zu verschaffen.