Ingolstadt
Einklang im Millionenspiel

Städtischer Etat für 2018 ist in trockenen Tüchern - Redner betonen Rücksicht auf Sorgen der Bürger

05.12.2017 | Stand 02.12.2020, 17:07 Uhr
Entscheidung über 647,3 Millionen Euro: Dem einstimmigen Votum des Stadtrates zum Etat für 2018 ging gestern Nachmittag eine gut vierstündige Debatte mit zwölf langen Redebeiträgen von Vertretern der Verwaltung und der Parteien voraus. −Foto: Hauser

Ingolstadt (DK) Die Stadt kann 2018 mit einem Etat von 647,3 Millionen Euro wirtschaften.

Das Planwerk hat den Stadtrat gestern ohne Gegenstimmen passiert. Auf der Zielgeraden konnte der Finanzreferent sogar noch ein weiteres Plus von 3,9 Millionen bei der Gewerbesteuer melden. Das macht die gestiegene Bezirksumlage wett.

 

 

Rundum Lob für seine Arbeit, keine lange Herumdeutelei an Details - mehr Zustimmung konnte Referent Franz Fleckinger beim ersten von ihm verantworteten Haushalt nicht erwarten. Als die Stadträte nach gut vier Stunden Debatte mit zwölf Etatreden von Vertretern der Rathausspitze (Ausführungen von OB Christian Lösel im Bericht unten) und aller politischen Gruppierungen zur Abstimmung schritten, hatten sie auch gleich noch (fast) alle den Haushalt berührenden Anträge zustimmend abgearbeitet.

Einziger Schönheitsfehler für die regierende Koalition aus CSU und FW: Ausgerechnet bei ihrer ablehnenden Haltung zu einer von den UDI gewünschten selbstreinigenden Toilette für den viel besuchten Spielpark Fort Peyerl wurde man mit 26 Stimmen der vereinten Opposition überstimmt. Ein Betriebsunfall, der in einer Sitzung, in der über dreistellige Millionenbeträge entschieden wurde, irgendwie grotesk wirkte.

Die Positionen der Haushaltsredner in der gestern eingehaltenen Reihenfolge:

 

SPD: Fraktionschef Achim Werner sah die Finanzlage "entspannt", lobte den ungewohnt konzilianten Umgangston der Stadtspitze und die Zustimmung der CSU/FW-Koalition zu den Etatanträgen der Sozialdemokraten. Auch deshalb könne die SPD dem neuen Etat zustimmen. Ausführliche Kritik übte Werner an seiner Meinung nach zuletzt lieblosem, rein geschäftsmäßigem Umgang mit Ehrenamtlichen beim entsprechenden Empfang der Stadt. Der SPD-Redner sah dringend gebotene weitere Anstrengungen beim (sozialen) Wohnungsbau. Der Wohnungsmarkt sei von einem Tsunami heimgesucht worden.

 

Grüne: Sprecherin Petra Kleine erkannte einen "Haushalt der Möglichkeiten", bei dem neben den zwingenden Investitionen Spielraum für Projekte der "Diversität, Nachhaltigkeit, Urbanität" bestehe. Die Verkehrsplanung bleibe allerdings erneut "hinter den Möglichkeiten" zurück. Auch vermisse sie ein Engagement der Stadtspitze für den möglichen Nationalpark Donau-Auen "fast schmerzlich".

 

BGI: Teilhabe an den Entscheidungsprozessen in der Stadt für alle interessierten Bürger - dieses Rad muss laut Sprecher Christian Lange weitergedreht werden. Bei der Planung der neuen Kammerspiele laufe das gerade vorbildlich. Eine Stadt, die so rasant wachse wie Ingolstadt, müsse sich intensiver als andere Kommunen "auf die Zukunft vorbereiten". Der Stadtrat müsse dabei als "Kollegialorgan" die Wünsche, aber auch die Sorgen aller Menschen wahrnehmen.

 

UDI: Für Gerd Werding, Wortführer der jüngsten Stadtratsfraktion, ist die rosige finanzielle Lage der Stadt vor allem Resultat der glücklichen Fügung, Audi-Standort zu sein: Mangelverwaltung anderer Großstädte sei hier unbekannt - "in einer Boomtown ist alles anders". Für seine neue bürgerliche Gruppierung seien "Glaubwürdigkeit, Transparenz und Nachhaltigkeit" die wichtigsten Tugenden der Stadtpolitik. Werding warnte vor allmählich unübersichtlichen Verhältnissen bei den vielen Tochtergesellschaften der Stadt.

 

FW: Gewohnt angriffslustig zeigte sich Fraktionschef Peter Springl. Er stichelte in Richtung der Grünen ("Gruppierung mit moralischer Vorfahrt"), die die Aufmerksamkeit der Kommunalpolitik zu oft auf Randthemen lenken würden. Dabei müssten endlich die wirklichen Sorgen der Bevölkerung wahrgenommen werden - zu denen auch der Zustrom an Asylbewerbern beitrage. Hier sei es die "verdammte Pflicht" der Politik, Lösungen zu finden, allerdings nicht durch rechtspopulistische Ansätze. Dem gesamten Kollegium bescheinigte Springl zu viel Aktionismus durch fragwürdige Sachanträge, die die Handlungsfähigkeit der Verwaltung gefährdeten.

 

CSU: Die erste Haushaltsrede des stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Konrad Ettl war mit gut 28 Minuten zugleich die längste der gesamten Etataussprache. Der Sozialpolitiker sprach seine Erwartung aus, dass die Stadt im Pflegebereich aufsattelt, um dem großen Bedarf gerecht zu werden. In Fragen der öffentlichen Sicherheit sei es an der Zeit, sich mit der Realität zu beschäftigen, die auch von teils gestiegener Kriminalität und Ängsten der Bevölkerung geprägt sei. Die CSU setze hier auf mehr Kameraüberwachung und Polizeipräsenz. Ettl lobte die Digitalisierungsoffensive von OB Lösel und verlangte anhaltende Anstrengungen auf dem Bildungssektor, bei denen die Eltern nicht aus der Verantwortung zu entlassen seien.

 

ÖDP: Von teilweise bereits "zerstörerischem Wachstum" der Stadt sprach Stadtrat Thomas Thöne. Die Ausnutzung immer neuer Steuersparmodelle durch städtische Gesellschaften sei fragwürdig: "Wer spart hier auf wessen Kosten?" Letztlich brauchten auch Länder und Bund Steuereinnahmen. Beim ÖPNV hätten die Ökodemokraten "völlig andere Schwerpunkte" gesetzt, man könne dem Etat deshalb nur "gerade noch" zustimmen.

 

Einzelstadträte: Karl Ettinger (FDP) forderte einen "großen Wurf" bei der Verkehrslenkung der Zukunft und erneut eine westliche Stadtumgehung durch die Donau-Auen. Ulrich Bannert (parteilos) verlor sich in Tiraden gegen die Zuwanderung und wetterte gegen "Überfremdung" durch Flüchtlinge. Henry Okorafor (parteilos) wünschte sich noch mehr Investitionen in Bildung und eine "weltoffene Gesellschaft". Kulturelle Vielfalt sei für ihn "Chance und Tatsache".

 

Schöne Einmütigkeit bei der Haushaltsentscheidung - doch was soll bei einem Finanzplan, bei dem aus dem Vollen geschöpft werden kann, auch an Reibungspunkten bleiben? Da werden in einigen Jahren, wenn die Wirtschaft vielleicht nicht mehr so brummt, die sozialen Aufgaben (Altersarmut) aber zunehmen und auch die Folgekosten jetziger Millioneninvestitionen nicht weggezaubert werden können, womöglich wieder ganz andere Debatten geführt.

Mehr als der einstimmige Beschluss zu einem Zahlenwerk zählt der zumindest ansatzweise erkennbare fraktionsübergreifende Wille zu einer besseren Diskussionsatmosphäre. Vereinzelte Spitzen wie im Beitrag von FW-Sprecher Peter Springl in Richtung Grüne muss ein Gremium erwachsener Menschen aushalten können. Schade nur, dass sich die CSU (und teils auch FW) einem so bürgernahen Anliegen wie dem UDI-Antrag zu einer soliden Toilette im Spielpark Peyerl in eiserner Fraktionsdisziplin versagte. Zum Glück kam man mit dieser kleinkarierten Haltung nicht durch. | Bernd Heimerl