Ingolstadt
Dreimal so groß wie Notre Dame

Vergleich des Münsters mit der Pariser Kathedrale befeuert die Diskussion um ein Böllerverbot an Silvester

23.05.2019 | Stand 23.09.2023, 7:08 Uhr
  −Foto: Hauser, dpa

Ingolstadt (DK) Es gibt Dinge, die mag sich ein Ingolstädter gar nicht vorstellen: Der Vollbrand seines Münsters gehört mit Sicherheit dazu.

Mit diesem Gedanken beschäftigte sich aber der Bezirksausschuss (BZA) Mitte jetzt. Denn spätestens durch die Brandkatastrophe von Notre Dame in Paris sind die dramatischen Bilder von einem Gotteshaus in Flammen allen mehr als präsent. Ein solches Szenario wähnen die besorgten Bürger besonders an Silvester heraufziehen, sodass es einmal mehr um die strikte Durchsetzung eines Böller- und Raktenenverbots im Umfeld der Kirche ging.

Um die Notwendigkeit angesichts der Dimension des Ingolstädter Münsters zu verdeutlichen, ließ sich der BZA Mitte von Rudolf Vierheilig ins Thema vertiefen. Der langjährige Leiter der Feuerwehr am Flughafen München wusste zu berichten, dass sich die Pariser Kathedrale im Vergleich zum Liebfrauenmüster sogar als "klein" bezeichnet lässt; auch wenn das natürlich auf den ersten Blick nicht so wirkt. Aber: Der Dachstuhl in Paris bestand aus dem Holz von 1300 Eichen, in Ingolstadt sind es sogar rund 3800 Bäume. Die Brandfläche des Dachs von Notre Dame soll laut Presseberichten um die 1000 Quadratmeter betragen haben, in Ingolstadt sind es rund 2500 Quadratmeter Dachfläche. Der Dachstuhl des Münsters sei folglich "mindestens dreimal so groß ", schloss Vierheilig, der auch davon ausgeht: Wenn alles "in Vollbrand steht, ist auch relativ schnell mit dem Einsturz der Seitenschiffe zu rechnen".

Und weit dramatischer dürfte es auch für die Umgebung werden. Durch den "relativ kleinen/niedrigen Dachstuhl in Paris" sei kein sogenanntes Flugfeuer entstanden, so hat Vierheilig recherchiert. Von unserem Münster aus würde Funkenflug "die ganze Altstadt bedrohen", sagte der erfahrene Feuerwehrmann, der allen klarmachte: 600 Einsatzkräfte der Feuerwehr - wie in Paris - würden "für einen mehrstündigen Einsatz zur Brandbekämpfung am Münster und dem Schutz vor Folgebränden in der Altstadt meines Ermessens nicht ausreichen! "

Wobei auch die Frage aufkommt, woher denn bitte das nötige Löschwasser kommen solle. Löschboote wie an der Seine-Insel mit Notre Dame seien natürlich nicht in Sicht, "außer man kann die Donau durchs Kreuztor umleiten", wie es aus Reihen des BZA Mitte mit einer Spur Galgenhumor hieß.

Ernst ist das Thema dem Gremium um den Vorsitzenden Franz Ullinger aber allemal, sodass am Ende der Sitzung auch eine ganz klare Forderung stand, die sich auch Rudolf Vierheilig erschloss: "Wenn jetzt noch ein Kritiker vom Raketenschießverbot um das Münster überzeugt werden muss, dann will dieser meines Ermessens nicht überzeugt werden. "

Die Brisanz verdeutlichte dem Bezirksausschuss auch Statiker Till Schittig aus der Münster-Gemeinde, der immer wieder mal Besucher auf den Kirchendachstuhl führt. Die offenen Gauben auf beiden Seiten des Dachs sind für den Luftaustausch wichtig, dort könnte "unter unglücklichen Umständen natürlich" aber auch eine Rakete steckenbleiben. Die Metallspäne aus der Explosion des Feuerwerkskörpers dort oben könnte für das knochentrockene Holz des Dachstuhls schon ausreichen, um die Katastrophe in Gang zu setzen.

Der BZA schließt sich deshalb den politischen Forderungen nach einem böllerfreien Zentrum, das von unterschiedlichen Parteien für Ingolstadt auf dem Tisch liegt, vollumfänglich an. Laut Ullinger setze man auch darauf, dass kurz vor Silvester über die Presse und die Stadt selbst in größerem Stil an die bestehenden gesetzlichen Vorgaben einer Böller-Bannmeile um Denkmäler erinnert wird. Außerdem sollen konkret Hinweisschilder aufgestellt werden. Das Ordnungsamt will auch mit fachkundigem Personal vor Ort sein, um Böllerer gezielt anzusprechen und zu ermahnen. "Am besten wäre ja die soziale Kontrolle, wenn sich die Leute gegenseitig einbremsen", sagt BZA-Chef Ullinger.

Das Gremium wolle sicherlich kein Spaßverderber sein und schon gar nicht von der Schließung von Lokalen im Umfeld sprechen. "Das wäre ja ein Schmarrn", so Ullinger selbst. Vielleicht könne man aber zum Beispiel ausgewiesene Böllerplätze schaffen. "Der Gebäudeschutz, der geht bei allem vor. "

Christian Rehberger