Ingolstadt
Brandl holt Mandat mit Verlusten

AfD zweitstärkste Kraft im Landkreis – CSU-Abgeordneter zum dritten Mal im Bundestag

24.09.2017 | Stand 02.12.2020, 17:27 Uhr
Fassungsloser Blick auf die Bildschirme: CSU-Kreisvorsitzende Tanja Schorer-Dremel verfolgte gestern zusammen mit Reinhard Brandl im Eichstätter Landratsamt die ersten Hochrechnungen. In Ingolstadt jubelten die Liberalen um Kandidat Jakob Schäuble (unten links) und die AfD mit Christina Wilhelm (Mitte). Düstere Blicke hingegen gab es bei den Sozialdemokraten mit Werner Widuckel. −Foto: Schneider/Hauser

Eichstätt/Ingolstadt/Neuburg (EK) Reinhard Brandl zieht zum dritten Mal in den Bundestag ein. Allerdings musste er erhebliche Verluste hinnehmen. Die Gewinner – wie im Bundestrend auch im Landkreis Eichstätt: AfD und FDP. Die AfD hat bei den Zweitstimmen abgeräumt und 14,7 Prozent geholt.

Der Schock ist Reinhard Brandl unmittelbar nach der ersten Hochrechnung um 18 Uhr ins Gesicht geschrieben. Gemeinsam mit der CSU-Kreisvorsitzenden Tanja Schorer-Dremel verfolgt der 40-Jährige gestern Abend im Landratsamt die Prognosen: Starke Verluste für die Union, die AfD zweitstärkste Kraft. „Es ist enttäuschend“, lässt er sich in diesen Minuten entlocken. „Ich hätte mir ein deutlich stärkeres CSU-Ergebnis gewünscht.“ Aber, das will er in diesem Moment nicht verhehlen: „Es hat sich in den letzten Tagen abgezeichnet, dass die AfD drittstärkste Kraft wird.“



Es sei kein Ergebnis, das einen „glücklich oder euphorisch“ mache. „Man ist immer Teil des Gesamttrends“, sagt Brandl dann gegen 21.30 Uhr. Dennoch: Für ihn sei das – wenn auch mit gut zehn Prozent Verlust gegenüber dem Ergebnis vor vier Jahren – ein Auftrag.

Kreisvorsitzende Schorer-Dremel stellt sich vor den Eitensheimer: „Unser Kandidat war der richtige.“ Das zeige auch, dass er knapp 50 Prozent der Erststimmen geholt habe – mit deutlichem Abstand zu den anderen Parteien. „Bei den Verlusten liegen wir im Trend“, gibt sie zu Protokoll. In Sachen Regierungsbildung sagt Brandl „schwierige Zeiten“ voraus, weil wohl ein Jamaika-Bündnis anzuvisieren ist. „Gerade in Fragen der Sicherheit und der Migration sind Grüne und FDP keine einfachen Partner.“ Allerdings sei das nun einmal der Wählerauftrag, „und den zu erfüllen, daran arbeiten wir“. Schorer-Dremel wünscht sich dafür, dass „die CSU-Ziele umgesetzt werden“, auch wenn das nicht einfach werde. Sie hält zudem eine Mitgliederbefragung zu einem möglichen Koalitionsvertrag für „wünschenswert“.

Grünen-Kreisvorsitzende Manuela Knipp-Lillich, deren Partei im Kreis Eichstätt wie vor vier Jahren bei knapp über fünf Prozent liegt, sieht da allerdings große Fragezeichen. Wie sie gegenüber unserer Redaktion erklärt, wisse sie nicht, wie stabil eine Jamaika-Koalition wäre. „Ich stelle mir das als eine schwierige Aufgabe vor.“ Sie schließe Neuwahlen nicht aus. Dass die SPD hinter der AfD gelandet ist, findet sie „schade“ und macht zugleich deutlich: „Mit dem Schüren von Ängsten verbindet man nicht die Menschen, sondern trennt sie.“ Es sei Aufgabe einer Demokratie, „zu verbinden“. Zudem bedauert sie, dass im Wahlkampf Themen wie Landwirtschaft oder Trinkwasser nicht behandelt worden seien.

Die Gewinner des Abends jubeln derweil in der Gaststätte am Auwaldsee in Ingolstadt angesichts der ersten Hochrechnung: bundesweit 13 Prozent für die rechtspopulistische Partei. „Das ist eine deutliche Warnung der Bürger, dass sich die Politik ändern muss“, ruft Direktkandidatin Christina Wilhelm den rund 100 Anhängern, die gekommen sind, zu.

„Ein großer Tag für unser Land. Für Bayern ist es traumhaft gelaufen. Das hätten wir in den kühnsten Träumen nicht erwartet“, sagte Kreischef Johannes Kraus von Sande. Später fügte er an: „Wir werden Oppositionsarbeit machen, wie noch keiner seit dem Zweiten Weltkrieg“. Mit ihrem eigenen Ergebnis – im Landkreis Eichstätt hat die 39-Jährige 12,19 Prozent geholt – ist AfD-Bewerberin Wilhelm zufrieden. Zum Einzug in den Bundestag reicht Listenplatz 23 allerdings nicht.
 

Und auch im Ingolstädter Hotel Domizil bricht Jubel aus – bei der Wahlparty der Liberalen: Bei der ersten Prognose um 18 Uhr, die den gelben Balken der FDP zunächst auf 10,5 Prozent hievt und somit den bereits erwarteten Wiedereinzug in das Parlament bestätigt.
 


Spitzenkandidat Jakob Schäuble zeigt sich zufrieden: „Wir haben einen starken Wahlkampf geliefert und alles reingeworfen. Sensationell, dass wir den Wiedereinzug geschafft und das Comeback hingelegt haben. Wir haben dafür gekämpft!“ Zwar zeigt sich der Spitzenkandidat enttäuscht vom starken Ergebnis der AfD, doch freilich überwiegt die Freude über das eigene Resultat. „Wir sind zwar nicht drittstärkste Kraft im Bund, aber wir sind starke Kraft.“

Für Angela Mayr, die Kandidatin der Freien Wähler, ist das Wahlergebnis im Allgemeinen „der blanke Horror“. Mit ihrem eigenen persönlichen Ergebnis „bin ich zufrieden, das ist eine Steigerung gegenüber der letzten Bundestagswahl“, erklärt sie. Die etablierten Parteien müssten nun sehen, dass es rückblickend eine einmalige Protestwahl bleibe und sich darüber Gedanken machen, wie sie mit dieser Situation, also einem starken Ergebnis der AfD, umzugehen hätten. Eichstätts FW-Kreisvorsitzender Anton Haunsberger ist vom Gesamtabschneiden seiner Partei „auf Bundesebene enttäuscht, vor allem, wenn man sieht, wie die AfD als Protestpartei“ wahrgenommen werde. Er räumt ein, dass es die FW schwer haben auf Bundesebene zu punkten: „Wir sind eine Regionalpartei“, die vor allem in Bayern einen „festen Unterbau“ habe.
 

Nach Feiern ist bei der SPD niemandem zu Mute: „Das Wahlergebnis ist ein Tiefschlag und auch ein Rückschlag“, sagt Kandidat Werner Widuckel. „Es gibt ein großes Potenzial von Enttäuschten, und es ist unsere Aufgabe, die wieder zu erreichen.“ Für seine Person stellt Widuckel klar: „Ich bleibe ein aktiver Sozialdemokrat im Landkreis Neuburg. Aber es war definitiv meine letzte überregionale Kandidatur.“ Unterbezirksvorsitzender Sven John spricht indessen von einem „klaren Oppositionsauftrag für die SPD“. Dass die Genossen erneut stark Federn lassen mussten, kann sich John nur so erklären: „Die Menschen trauen uns nicht zu, dass wir ihre Probleme lösen können.“ Das müsse – gerade auch im Hinblick auf die Landtagswahl 2018 – gelingen.