Ingolstadt
Besuch "uneingeschränkt möglich"?

Neue Lockerungen des Gesundheitsministeriums werden in den Ingolstädter Pflegeheimen unterschiedlich gehandhabt

01.07.2020 | Stand 23.09.2023, 12:40 Uhr
Die Herzenstöne mit Sänger Bernhard Kehrwald gaben schon mehrere Balkonkonzerte in Pflegeeinrichtungen - erst jüngst im Innenhof des Matthäus-Stifts der Diakonie (Foto). −Foto: Diakonie

Ingolstadt - Seit Montag sind die coronabedingt eingeschränkten Besuchsregeln in Seniorenheimen und Kliniken gelockert.

 

Nun sind Besuche "grundsätzlich uneingeschränkt möglich", wie die Pressestelle des Bayerischen Gesundheitsministeriums auf Nachfrage mitteilte. Allerdings nur theoretisch. Denn die neuen Regeln sind an ein individuelles Schutz- und Hygienekonzept gekoppelt, das jede Einrichtung erstellen und mit dem Gesundheitsamt abstimmen muss. Und: Im Rahmen ihres Hausrechts können die Einrichtungen die Besuche einschränken. Voraussetzung dafür sei, das die Ausübung des Hausrechts "unerlässlich ist, um eine mögliche unzumutbare Beeinträchtigung des Betriebes abzuwenden". In den Ingolstädter Pflegeheimen wird das Besuchsrecht gegenwärtig äußerst unterschiedlich gehandhabt, wie eine Nachfrage unserer Zeitung in mehreren Heimen ergeben hat.

Während außen allmählich alles wieder gelockert wird, gelten in Seniorenheimen, wo die durch das Coronavirus stark gefährdeten Bewohner besonders geschützt werden müssen, nach wie vor strenge Regeln. Zu den Besuchsregeln kommen Ausgangsregeln. Auch sie wurden gelockert. Seit 6. Mai "ist das Verlassen der vollstationären Einrichtungen der Pflege jederzeit zulässig" - auch ohne triftigen Grund, betont die Sprecherin des Gesundheitsministeriums. Die anfangs geltende Ausgangsbeschränkung wurde mit Wirkung zum 6. Mai in eine Kontaktbeschränkung umgewandelt. Der Heimbewohner darf also etwa mit seinem Angehörigen gemeinsam spazieren gehen oder ihn besuchen. Immer Voraussetzung ist auch hier die Einhaltung der Hygieneregeln. Der Teilnehmerkreis einer Zusammenkunft im privaten Raum sei zu begrenzen, der Personenkreis möglichst konstant zu halten. Wo immer möglich, sei ein Mindestabstand von 1,50 Metern einzuhalten. Die Heime können veranlassen, dass die Bewohner nach der Rückkehr in die Einrichtung ausreichende Hygienemaßnahmen einhalten. Soweit die gesetzlichen Vorgaben.

Doch wie ist die Umsetzung in den Heimen? Im Danuvius-Haus hat sich seit Montag nicht viel geändert, so Heimleiterin Beate Fröhlich. Ein spezielles Hygienekonzept werde gerade ausgearbeitet. Besuchszeit ist von 10 bis 18 Uhr, jeweils eine halbe Stunde. Weil die überwiegende Zahl der Bewohner dement ist, sei wichtig, dass die Menschen sich im Haus frei bewegen könnten und die Kontakte untereinander aufrecht erhalten würden. Daher schotte man sich lieber etwas mehr ab. "Ich habe den Eindruck, auch die Menschen mit Demenz verstehen das. " Die nicht dementen Heimbewohner dürften, "entsprechend von uns eingewiesen" die Einrichtung verlassen.

Und im Elisa? Sind nach einem Besuch außerhalb der Einrichtung die Kontakte nicht zu 100 Prozent nachvollziehbar, wird der Bewohner des stationären Bereichs hier "für fünf bis sieben Tage in einem Einzelzimmer separiert", so Heimleiter Dieter Schalamon. War der Bewohner dagegen nur bei seinem Angehörigen zum Kaffeetrinken, sei der Besuch kein Problem. Doch im Zweifelsfall gehe die Sicherheit vor.

Im Elisa dürfen Besucher wieder auf dem Zimmer empfangen werden. Sie werden registriert, abgeholt, zum Zimmer gebracht und später von dort wieder abgeholt - sofern sie nicht lieber mit ihrem Angehörigen in den Garten gehen. Der Besuch sei immer noch auf eine Person pro Tag beschränkt. Ob er allerdings eine oder zwei Stunden dauert, sei egal, sagt Schalamon.

Der Garten und ein Speisesaal stehen im Heilig-Geist-Spital für Besuche bereit. "Auf der Station könnten wir das mögliche Infektionsgeschehen nicht kontrollieren", sagt Roxana Ensinger, Assistentin des Geschäftsführenden Vorstandes der Heilig-Geist-Spital-Stiftung, Roland Wersch. "Und die Obhut der Bewohner unterliegt dem Heim. " Auch bei den Besuchszeiten gab es "keine großen Lockerungen". Das Verlassen der Anlage dürfe rechtlich nicht verhindert werden, wird aber nicht gern gesehen. "Wir appellieren an das Verständnis. Wir wissen alle, was passiert, wenn ein Coronafall auftritt. "

Die Regeln im Spital sind streng. Konzerte für Bewohner zum Beispiel waren hier im Innenhof bislang nicht gestattet. Cellospieler Quirin Witty musste auf einer Grünfläche außerhalb aufspielen, wo ihn nur wenige Bewohner sehen und hören konnten. Anders in den beiden Einrichtungen der Diakonie, wo im Innenhof des Matthäus-Stifts und im Bienengarten schon mehrere "Balkonkonzerte" stattfanden, wie Ludwig-Simon Müller, Leiter Gesundheit, Senioren und Pflege bei der Diakonie, berichtet. Besuchszeit ist von 10 bis 17 Uhr, die Besucher dürfen wegen der Registrierung und einer Befragung zum Gesundheitszustand nur einen Eingang nutzen.

So sehr die Senioren geschützt werden müssten, Müller sieht durch die Kontaktbeschränkungen auch das Problem zunehmender Vereinsamung. Psychische Auffälligkeiten der Bewohner nähmen zu. "Die Menschen", sagt er, "brauchen gerade jetzt viel Begleitung. " So seien auch Veranstaltungen wie jüngst das Konzert der "Herzenstöne" enorm wichtig. Bei Einhaltung der Hygieneregeln sei das Verlassen der Heime der Diakonie kein Problem. Erst neulich habe ein Bewohner den Geburtstag seines Urenkels nicht verpassen wollen. Müller: "Da sind wir die Letzten, die Nein sagen würden. "

DK

 

 

Ruth Stückle