Ingolstadt
Verbissener Jubel bei der CSU

Was ist schlimmer? Das eigene Ergebnis oder das der AfD? Das fragen sich die Parteifreunde – in Erschütterung vereint

24.09.2017 | Stand 02.12.2020, 17:27 Uhr

Ingolstadt (DK) 18.35 Uhr: Horst Seehofer spricht. Und seine Ingolstädter Parteifreunde schweigen.Betretenen Blicks auf die Fernsehleinwand starrend. Dort starrt der Ministerpräsident zurück. Seine Worte beginnen in der Stille des voll besetzten Saals im CSU-Haus fast zu dröhnen. Als er mit seinem üblichen „Deutschland muss Deutschland bleiben!“ schließt, klatscht in Ingolstadt genau einer. Aber nur ganz kurz.

Was für ein Debakel.

Christian Lösel verzieht sich mit erschüttertem Gesicht hinter den Tresen. Simona Rottenkolber spricht sich Mut zu: „Wir müssen uns ändern!“

Hans Süßbauer, der CSU-Chef, stellt sich der Situation. „Sehr enttäuschend“ sei das Ergebnis seiner Partei. „Und eine Riesenenttäuschung das der AfD.“ Die sei gerade in den letzten vier Wochen „mit einer unglaublichen Aggressivität auf die CSU losgegangen, da war vieles weit unter der Gürtellinie“. Dieser neue, hemmungslose Stil der AfD – „das tut richtig weh“, sagt Süßbauer. Aber eines müsse allen klar sein: „So schnell werden wir die nicht los. Die AfD hat ein größeres Ausmaß als vor 25 Jahren die Republikaner.“ Bleibe zu hoffen, dass sich die Neulinge im Bundestag selber zerfleischen. „Schön wär’s“, sagt Süßbauer.

Ein bisschen was zu bejubeln gibt es doch noch: Reinhard Brandl. Der Bundestagsabgeordnete und Verteidiger des Direktmandats wird um 19.15 Uhr im Wahlkampfbus vorgefahren. Die Junge Union bereitet ihm auf der Straße mit einem ziemlich schwarzen Transparent – Text: „Du bist einer von uns“ – einen euphorischen Empfang. Rhythmischer Applaus. Reinhard-Reinhard-Rufe. Auch der Saal feiert den Wahlkreissieger.

Der bedankt sich bei seinem Team. „Ich bin stolz auf Euch!“ Und: „Wir werden unsere ganze Kraft aufwenden, um den Auftrag der Wähler zu erfüllen. Mir ist nicht bange um die CSU!“

Wieder rhythmischer Beifall. Doch der Jubel wirkt verbissen. Trotzig. Lösel gratuliert Brandl mit einem Gesicht, als müssten sie jetzt für immer Abschied nehmen. Der Abgeordnete ist erschüttert. Auf dem Weg zu den Interviews ruft er mit dem Smartphone die Ergebnisse aus seinem Heimatlandkreis Eichstätt auf. „AfD zweitstärkste Kraft.“ Brandl schüttelt den Kopf. Kann es nicht fassen.

Was ist schiefgelaufen? „Die CSU hat klare Kante gezeigt, aber wird sind einfach nicht genügend durchgedrungen“, sagt er. „Viele Bürger haben lieber die scheinbare Alternative AfD gewählt.“ Die Flüchtlingsfrage habe alles dominiert. Was ist jetzt zu tun? „Ich hoffe, dass die CDU dem Kurs der CSU folgt.“ Aber sehr zuversichtlich klingt das nicht an diesem aufwühlenden Abend. Weitere Aussagen Brandls lesen Sie morgen.