Schrobenhausen
"Daten sind wichtiger als das Produkt"

Die Maria-Ward-Mädchenrealschule ist mit ihrer technischen Ausstattung auf dem neuesten Stand

28.07.2016 | Stand 02.12.2020, 19:29 Uhr
Computer sind aus keinem Bereich mehr wegzudenken: Bei der Kessel AG greift die Digitalisierung immer weiter um sich, bis irgendwann das ganze Unternehmen umgestellt ist. Florian Holzapfel (l.) und Reinhard Späth (r.) begleiten diesen Prozess.?Foto: Hammer −Foto: Hammer

Ingolstadt (DK) Vor drei Jahren hat Reinhard Späth auf einer Messe zum ersten Mal das digitale Schulungskonzept vorgestellt. Die Kunden, neben Ingenieuren und anderen Unternehmen sind das vor allem Handwerker, sollten sich - egal wo sie sich befinden - über die Produkte der Kessel AG und deren Anwendung informieren können. Entweder über interaktive Schulungen auf der Internetseite des Unternehmens oder über Live-Internet-Seminare, zusätzlich zu den Präsenzseminaren.

 "Wir sind damals belächelt worden", sagt Späth, der Marketingleiter. Ein Handwerker, so der Tenor, bilde sich doch nicht freiwillig weiter. Die Bilanz drei Jahre später: Die noch erweiterten Angebote auf der Kessel-Internetseite werden regelmäßig von vielen Kunden genutzt, im Schnitt schalten sich zudem 50 pro Internetseminar zu, das einmal im Monat zu verschiedenen Themen angeboten wird, auf Deutsch und Englisch - Kessel-Produkte gibt es weltweit. "Und Monat für Monat steigt die Zahl der Teilnehmer weiter an", sagt Späth. "Das sind ja fast alles junge Leute, die sich nicht nur in ihrer Freizeit mit den neuen Medien auseinandersetzen. Aber das haben viele in unserer Branche noch nicht verstanden."

Die Kessel AG hat offenbar verstanden, dass die Digitalisierung auch nicht vor einem Lentinger Mittelständler, der Produkte und Lösungen rund ums Thema Entwässerung anbietet, Halt macht. Vor rund einem Jahr hat das Unternehmen das Projekt "Kessel Digital" aufgesetzt - mit dem Ziel, die gesamte Planung, Aus- und Weiterbildung sowie Verwaltung und Produktion, also das gesamte Unternehmen, auf digital umzustellen. Sogar die Weitergabe von Ideen ist bei der Kessel AG, die auch einer der Unterstützer des digitalen Gründerzentrums ist, seit Anfang des Jahres ein digitaler Prozess.

Die Verwaltung ist inzwischen umgestellt: Rechnungen gibt es automatisiert per E-Mail, den Gehaltszettel können die Mitarbeiter zu Hause herunterladen, archiviert wird im Computer. Bewerbungen werden digital erwartet, auch die Logistik wird komplett digital abgewickelt.

"Die IT-Abteilung hat jetzt schon mehr zu tun", sagt Marketingmitarbeiter Florian Holzapfel, der Leiter eines Teilprojekts ist. Die sensiblen Mitarbeiter-, Kunden- und Produktdaten erfordern Schutz. Deswegen hat sich das Unternehmen auch für ein eigenes Rechenzentrum entschieden. Außerdem müsse die stetig wachsende Datenmenge auch nutzbar gemacht werden: "Sie müssen definieren, wie man die Daten ablegen muss, damit sie künftig zu verwenden sind", sagt Holzapfel.

Holzapfel gehört zu den rund zehn Prozent der Mitarbeiter, die sich vorrangig um die Digitalisierung kümmern - Tendenz steigend. Vermutlich auf Vorstandsebene soll ein Posten geschaffen werden, der für die sinnvolle Vernetzung der Datenströme, Big Data genannt, zuständig ist. "Der neue Rohstoff ist die Information", sagt Reinhard Späth. "Aber auch in der Bauindustrie haben viele noch nicht begriffen, dass die Daten wichtiger sind als das Produkt."

Von Amazon seien es die Kunden gewohnt, dass sie jeden Schritt ihrer Bestellung verfolgen können. In ihrem Geschäft werde derzeit noch die große Mehrheit des Geschäfts über Fax, per Telefon oder E-Mail abgewickelt, sagt Späth. Ziel sei, möglichst alle Transaktionen vollautomatisch ablaufen zu lassen. Bei Großkunden sei das jetzt schon bei normalen Lieferungen möglich. Späth: "Wenn jemand bis 13 Uhr bestellt, geht es in der Regel noch am selben Tag raus." Bald sollen auch Kleinkunden über neu geschaffene Webshops ähnliche Möglichkeiten erhalten.

Die Maschinen sind schon so flexibel, dass sie mit wenigen Handgriffen andere Produkte fertigen können, pro Maschine 300 verschiedene - je nachdem, was der Kunde eben will. Die meisten Arbeitsplätze sind mit Computern ausgerüstet, die die Aufträge anzeigen. Zudem wird jeder Arbeitsschritt erklärt.

Die Entwicklungsabteilung nutzt schon lange CAD, also rechnergestütztes Konstruieren - künftig sollen diese Daten auch genutzt werden, um den Kunden in Modellen zu zeigen, wie das gewünschte Produkt in 3 D aussehen könnte. Der Fantasie sind kaum Grenzen gesetzt: Letztendlich ließe sich mit den Daten der Konstruktionszeichnung auch vorab simulieren, ob ein geplantes Gebäude etwa den Brandschutzbestimmungen entspreche.

Auch Smart Home, also die Vernetzung der Haussteuerung, wird in der Entwässerungstechnik immer wichtiger. Behörden können sich schon jetzt vom Büro aus über Kessel-Fettabscheider in die Entwässerung von Restaurants schalten und prüfen, ob die gesetzlichen Vorgaben eingehalten werden. Denkbar ist, künftig vom Urlaub aus zu überwachen: Wie voll ist meine Regentonne? Oder: Habe ich das Rücklaufventil geschlossen?

Vier, fünf Jahre werde die Umstellung dauern, schätzt Späth. Man müsse schließlich auch die Mitarbeiter mitnehmen. Bisher hätten alle mitgezogen, weil sie verstünden, dass so die Zukunft des Unternehmens gesichert werde. "Es werden auch viele Unternehmen verschwinden", sagt Späth. Die Entwicklung in der Entwässerungsbranche werde wie in der Automobilbranche verlaufen: "Erst gibt's einen langsamen Anstieg, und plötzlich explodiert's."