Ingolstadt
Betriebsversammlung hat Stimmung nicht bei allen Audianern aufgehellt

Weitgehend trüb

12.07.2017 | Stand 02.12.2020, 17:48 Uhr

Klartext auf der Betriebsversammlung: Gesamtbetriebsratsvorsitzender Peter Mosch fordert die Unternehmensleitung zum Handeln auf. Mit seinen teils harschen Worten gegen den Audi-Vorstand traf er den Nerv vieler seiner Kollegen. - Foto: Audi

Ingolstadt (DK) Rund 8000 Audi-Mitarbeiter haben gestern bei der zweiten Betriebsversammlung in diesem Jahr den Vorstandsmitgliedern und dem Betriebsrat zugehört. Mit gemischten Gefühlen verließen sie danach das Werksgelände.

Genauso durchwachsen wie das Wetter in den vergangenen Tagen, war nach der Versammlung offenbar die Stimmung in der Belegschaft. Vor allem scheint die Beschäftigten eine große Ungewissheit erfasst zu haben. Das ist zumindest der Eindruck, den man bei den kurzen Gesprächen mit den Audianern vor dem Werkstor gewinnen konnte. Immerhin äußerten sich gestern Nachmittag auf Anfrage des DK mehr Versammlungsteilnehmer als bei den Treffen davor. Zumindest im Vorbeigehen.

Zuvor war auch Peter Mosch, der Gesamtbetriebsratsvorsitzende, in seiner Rede mit der Konzernführung hart ins Gericht gegangen. Unter anderem forderte er "zielsichere Entscheidungen für unsere Audi-Zukunft", die "bis dato nicht getroffen sind". Außerdem müsse etwa Vorstandsvorsitzender Rupert Stadler die Kommunikation des Unternehmens, gerade gegenüber der Belegschaft, deutlich verbessern und die Informationspolitik überdenken, so Mosch.

Damit sprach der Gewerkschafter vielen seiner Kollegen aus dem Herzen. "Der Vorstand braucht auch mal einen Anschiss von der Belegschaft", sagte etwa ein älterer Audianer nach der Versammlung vor dem Werkstor. Sein Kollege, der direkt neben ihm stand, wollte es nicht so drastisch ausdrücken. "Es war durchwachsen", fand aber auch er. "Es hat sich nichts Neues ergeben. Als so richtig gut würde ich die Stimmung aber nicht bezeichnen."

Ein anderer Kollege will bei dem Treffen aber auch eine "Aufbruchstimmung zu neuen Ufern", empfunden haben, wie er dem DK erklärte. Allerdings sei es für ihn trotzdem ungewiss, wie es mit Audi in Zukunft weitergehe. Auch andere hätten sich offenbar klarere Aussagen gewünscht.

Jüngere Audianer scheinen die schwierige Situation etwas gelassener zu sehen als ihre älteren Kollegen. So wie jener junge Mann, der im Vorbeigehen zwar einräumte, er habe "wenig Neues" bei der Versammlung gehört. Dennoch gehe er mit einem "guten Gefühl" nach Hause. "In einem Punkt wurde die Verteilung der Produktion auf die einzelnen Standorte besprochen", berichtete eine Teilnehmerin. Deutlicher wollte sie auf dem Weg zum Parkplatz allerdings nicht werden.

Vorstandsmitglied Bernd Martens hatte zuvor in der Betriebsversammlung viel Arbeit prophezeit: "Es wird ein knochenharter Job, der uns in den nächsten Jahren noch einige Schweißperlen auf die Stirn treiben wird", kündigte er in seiner Rede an und machte deutlich, dass der Konzern an seinen deutschen Standorten festhalten werde. Er kündigte die "größte Modelloffensive" in der Geschichte des Unternehmens an. Es seien etliche neue Modelle und Modellreihen vor allem in den "oberen Segmenten in Planung. Diese Offensive wirke sich "positiv auf die gesamte Marke und damit auf alle Standorte aus".

Im nächsten Jahr starte der Konzern seine "Elektro-Offensive", so Martens und betonte, dass künftig alle Standorte von Audi elektrifiziert werden. "Auch Ingolstadt! Auch Neckarsulm!" Es müsse die Vergangenheit bewältigt werden, sich den Herausforderungen der Gegenwart gestellt werden - beispielsweise die CO2-Gesetzgebung - und am wichtigsten: "Wir müssen alle Kraft einsetzen, um unsere Zukunft zu gestalten."

Ein Audi-Mitarbeiter, der seinen Namen ebenso wenig nennen will wie die Abteilung, in der er arbeitet, zeigte sich gestern dennoch höchst irritiert - weniger wegen der aktuellen Betriebsversammlung, sondern vielmehr wegen der gesamten Situation im Konzern. Es herrsche bei Audi jedes Mal Pessimismus, sobald eine andere Marke vorne liege, sagte er. Aber der Abgas-Skandal und der Umgang der Konzernspitze damit trügen dazu bei, dass viele gerade richtig verunsichert seien. "Der Unmut in Sachen Vorstandsvorsitzender wird immer größer." Er und einige seiner Kollegen hätten sich gewundert, dass ausgerechnet in so einer Phase der Vertrag mit Rupert Stadler verlängert worden ist. Der Tenor: "Er hätte längst zurücktreten müssen."