Wendelstein
Wenn der Mond nichts obaschmeißn will

Mrs Zwirbl schräge Volksmusik begeistert das Publikum in der Jegelscheune

04.12.2016 | Stand 02.12.2020, 18:58 Uhr

Immer auf der Suche nach skurrilen Dingen: Mrs Zwirbl mischen die Jegelscheune auf. - Foto: Unterburger

Wendelstein (HK) Mit schrägem Dreigesang, wilder und anarchischer Geigenmusik sowie Südstaatenblues, Balkanfolklore und Schrammeln wirbeln Mrs Zwirbl volksmusikalische Traditionen und moderne Ausdrucksformen durcheinander und feiern einen furiosen Einstand in der Jegelscheune.

Der Bandname Mrs Zwirbl geht auf den früheren Namen der Band Zwirbeldirn zurück, der vermutlich seinen Ursprung im Genuss von zu viel Zirbenschnaps hat, der beim steirischen Geigentag getrunken wurde. Kann sein, muss aber nicht sein, ist auch ziemlich egal. Jedenfalls ist der Zirbenschnaps eine Spirituose, die durch die Zapfen der Zirbelkiefer veredelt und vor allem in Österreich hergestellt wird.

"Schön habt ihr's da in der Jegelscheune." Mit diesem Kompliment begrüßen Maria Hafner (Geige), Evi Kegelmaier (Geige) und Anna Veit (Kontrabass) die Zuhörer und geigen ihnen gehörig was. Mit absolut schrägen Liedern sorgen sie für Begeisterung. Das ist keine stade Stubenmusik mit bravem Dreigesang, nein, das ist ein Musterbeispiel, wie man traditionelles Liedgut gegen den Strich bürstet und mit einem reichhaltigen Repertoire für Verblüffung und Überraschung sorgen kann.

Da wird gezwirbelt und gegroovt, gefiedelt, geschrammelt, Kontrabass gespielt und gejodelt, dass es eine Freude ist. "Wir machen Volksmusik, so wie wir es wollen. Das ist das, was uns Spaß macht", sagen die drei Damen und bringen es auf eine einfache Formel - und dieser "Heimatsound" kommt an .

"I geh in Woid naus, fang mir an Vogerl und sperr' nern in a Vogelheiserl." Jeder Tierschützer würde bei einem solchen Lied laut aufheulen, doch den drei Damen ist das ziemlich wurscht. Ziemlich schräg auch das Lied vom lieben Augustin: "Wo sind deine Haare, deine goldenen Jahre? O du lieber Augustin, alles ist hin!"

Von "aussterbenden Berufsständen" handelt das Lied über den braven alten Wiener Discjockey, der nie einen Beruf gelernt hat. Er schaut "a bissl ramponiert aus" und kann seinen Job nicht mehr ausüben, denn er hat eine Arthrose im Knie: "Er hat das Hofbräuhaus beschallt, doch diese Lorbeeren helfen nix, jetzt ist er alt."

Immer auf der Suche nach skurrilen Dingen werden die drei Sängerinnen und Musikerinnen vor allem in München fündig. Sie arbeiten eng mit dem Münchner Krimiautor Friedrich Ani zusammen, der sie mit hörenswerten neuen Liedtexten versorgt. So stammt etwa der Text eines melancholischen Liedes über die Billie aus Giesing von ihm: Sie schaut den ganzen Tag Fußball im Fernsehen. Die Mama ist tot, der Papa tut nichts und liegt den ganzen Tag teilnahmslos auf dem Kanapee. Nur manchmal steht er auf und dann trinken sie gemeinsam auf die tote Mama. "Des werd' scho wieder wern", redet sich die traurige Billie ein, doch es ändert sich nichts an ihrer Misere.

Friedrich Ani hat dem Trio auch ein deftiges Lied übers Saufen geschrieben. "Es gibt aber auch schöne Lieder über München", verteidigen sich grinsend die drei Künstlerinnen und präsentierten die skurrile "Giesinger Mondserenade": "Der Mond, der Bazi, scheint so schee - ober monaners, dass der uns wos obaschmeißt" Auf solche Gedankenspielchen muss man erst kommen.

Witzig, als sie einen direkten Bezug zum Isar-Indianer Willy Michl herstellen, der mal ein schwärmerisches Lied über Katmandu geschrieben hat. "Im Land Nepal, wo der Berg in die Wolken wächst", singen sie, "da woll' i wohner in der alten Stadt, damit i naufgeh konn aufs Dach der Welt, um den Schneemenschen zu treffen."

Exzentrisch auch ihr Lied vom Walfisch: "Du hast mich eingesogen und verschluckt und ein Jahr später erst an Land gespuckt. Jetzt steh i da im Sonnenlicht, bin weit g'reist und s' reut mich nicht."

Die Volksliedpuristen werden sich vermutlich entsetzt abwenden von der Art und Weise, wie Mrs Zwirbl überliefertes Liedgut interpretieren, verändern und umkrempeln. Bayerische Volksmusik wird veredelt mit amerikanischem Blues, einem portugiesischen Schlaflied und orientalisch anmutenden Klängen. Das klingt wild und avantgardistisch, manchmal auch überaus zärtlich und feinfühlend.

Ihr Dreigesang klingt glockenhell und trotzdem passen sie in keine Schublade. Der Fantasie und der skurrilen Geschichten aus "Giasing" sind keine musikalischen Grenzen gesetzt. Fremdes und Fremdartiges wird frech, aber nie respektlos adaptiert. Sie sind immer etwas neben der Spur, ihre Ironie ist vorder- und hintergründig, die Texte anarchisch.

Mrs Zwirbl sind keine Traditionspfleger, sie geben der Tradition eine eigene Handschrift und haben Mut zum Experiment. Sie widmen sich der Heimat und der Fremde gleichermaßen. Ihre eigentümlichen Geschichten über seltsame Zeitgenossen bieten Stoff zum Nachdenken über die Verrücktheiten unserer kaputten Welt. Am Ende feiert das Publikum die drei schrägen Sängerinnen und Musikerinnen.