Wendelstein
Vielschichtiger Einblick in andere Welten

Nava Ebrahimi liest aus ihrem Debütroman "Sechzehn Wörter" in der Wendelsteiner Jegelscheune

26.09.2017 | Stand 02.12.2020, 17:26 Uhr

Nava Ebrahimi liest in der Wendelsteiner Jegelscheune. - Foto: Doßler

Wendelstein (HK) Die Atmosphäre der Jegelscheune hat den geeigneten Rahmen für eine stimmungsvolle Lesung mit Nava Ebrahimi geboten - einer Autorin, die ihren Debütroman "Sechzehn Wörter" noch am Abend vorher beim Harbour Front Festival in Hamburg präsentiert hatte. Der Roman erzählt von Mona, einer jungen Frau mit iranischen Wurzeln, die zur Beerdigung ihrer Großmutter zum letzten Mal in den Iran reisen will, dort überraschend mit ihrer Identität und ihrer Herkunft konfrontiert wird und zu einer neuen Sichtweise auf ihr Leben zwischen den Welten gelangt.

Es waren zwei Dinge, die die Autorin schon länger beschäftigten und sie zum Schreiben anregten. Zum einen die Persönlichkeit der Großmutter - einer eigenwilligen und widersprüchlichen Frau, deren Sprüche Nava Ebrahimi unbedingt einmal aufschreiben wollte. Zum anderen hatte sie schon immer einen Widerspruch empfunden, darüber, wie ihre Umwelt sie und ihr Herkunftsland Iran wahrnahm und wie sie selbst sich und das Land ihrer Eltern sah. Düster, bedrohlich und traurig sei doch der Iran, davon waren viele Deutsche überzeugt, doch Besuch aus Persien sorgte zu Hause für ausgelassene Stunden und die Frauen unter sich hatten ein so intimes Verhältnis, wie Nava Ebrahimi es selbst mit vertrauten Freundinnen in Deutschland nie erlebt hat.

Die Autorin las zunächst eine Szene, die den Zuhörern eine Beschreibung der Großmutter lieferte. Bekleidet mit einer schwarzen Bluse mit tiefem Dekolleté und einer rosa Frotteejogginghose findet die Enkelin Mona diese sehr früh am Morgen vor dem Fernseher, der in großer Lautstärke Bilder eines iranischen Fernsehsenders aus Los Angeles ins Wohnzimmer in Maschhad, Iran, wirft.

Die Szene führt nicht nur die Großmutter ein, die derbe Wörter liebt, leicht verwirrt erscheint, deren starke Persönlichkeit aber immer noch präsent ist und die gerne von ihren Verehrern, den "Khastegar", erzählt. Die Zahl der Bewerber um ein Mädchen zeigt in ihren Augen immer noch dessen Wert in der Gesellschaft und sofort stellt sie unverblümt die Frage nach den Khastegar in Monas Leben.

Dabei zeigt sich die Vorgehensweise der Autorin, die die Erinnerung an eine der letzten Begegnungen mit der "Maman-Bozorg" mit Assoziationen mischt, von der Telefonnummer der Grundschulfreundin bis zum Anflug auf Maschhad und den Kommentaren der Mitreisenden. So verknüpft Nava Ebrahimi die Fäden, die sie spinnt, um dem Leser Mona nahe zu bringen, die mit drei Jahren aus dem Iran nach Deutschland kam und für das Dazugehören viel Ballast der Vergangenheit, aber auch Identität hinter sich lassen musste.

Den Rahmen bilden 16 persische Wörter, die am Anfang der einzelnen Kapitel stehen. Diese Wörter haben Monas Leben bestimmt, obwohl sie der Meinung war, ganz im westlichen Leben angekommen zu sein. Erst die bewusste Auseinandersetzung mit den Wörtern, die sich dem Leser nach und nach erschließen, gibt Mona die Freiheit, sich, ihre Herkunft und ihr Leben mit anderen Augen zu betrachten. Am Ende führt diese neue Sichtweise auch zur Lösung eines Familiengeheimnisses.

Das Publikum ließ sich gerne in die Lebenswelt einer Frau zwischen zwei Welten entführen. Die Autorin bot mit gut gewählten Auszügen und ihrer angenehmen Stimme einen interessanten Einstieg in ihren Roman, der bei vielen die Lust auf mehr geweckt hat.