Thalmässing
Luther spricht über das Heute

Reformator gibt sich in Gestalt des Diakons Lothar Michel beim Gemeindefest in Thalmässing die Ehre

26.06.2017 | Stand 02.12.2020, 17:53 Uhr

Foto: Jürgen Leykamm

Thalmässing (HK) Zum Reformationsjubiläum die historische Figur Martin Luther zu entstauben und zu überlegen, was sie denn heute wohl zu sagen hätte - auf dieses Wagnis hat sich der Thalmässinger Pfarrer Frank Zimmer beim Gemeindefest im Pfarrgarten von St. Gotthard eingelassen.

Vor den knapp 400 Besuchern kam zuvor sogar der Urheber der berühmten 95 Thesen selbst zu Wort. Das Fest stand nämlich unter dem Motto "Luther in Thalmässing". In die Rolle des Reformators schlüpfte Diakon Lothar Michel, den Interviewer gab Pfarrer Rudolf Hackner. Sein Gast sei ein ganz besonderer, sagte Hackner und wandte sich ans Publikum: "Sie mussten alle viele Texte von ihm auswendig lernen."

Luther erzählte auf dem Podium von schlimmen Erlebnissen als Kind. Die Lehrer seien "grausamer wie die Henker" gewesen. Ein Blitzschlag habe ihn, Martin Luther, dazu gebracht, den Gang ins Kloster zu geloben. Ob er denn noch wisse, um was es sich in der ersten seiner 95 Thesen drehe, wollte Hackner wissen. Das ganze Leben eines Christen, so die Antwort, solle eine Buße sein. Michel alias Luther erzählte von seinem Untertauchen auf der Wartburg und dass er sich aus Tarnzwecken nicht mehr rasiert habe. "Damals wie heute ein toller Bart", kommentierte der Pfarrer von heute. Das Lieblingslied aus dem eigenen Liedgut? ",Ein feste Burg ist unser Gott' - das ist ein echter Hit geworden."

Luthers Hochachtung vor der Bibel durfte das Gespräch nicht vermissen lassen. Sie sei "wie ein Kräutlein: Je mehr man daran reibt, umso besser duftet es". Die ThalmäsSingKids unterstrichen dies mit ihrem Loblied. Sie sei "das wichtigste Buch, das es gibt". Zu Beginn des Festes hatten schon der Posaunenchor sowie die Buben und Mädchen des Kindergottesdienstes auf das Fest eingestimmt. Flottes Aufstehen und Setzen im Wechsel war bei ihrem Auftritt angesagt.

Wäre Luther in Thalmässing geboren, hätte er das Gymnasium in Hilpoltstein besucht, sich von "Bruder Rasche" Rom zeigen und dann in Neuendettelsau "einklostern" lassen, sagte Pfarrer Zimmer in seiner Predigt. Luther würde wohl heute genauso wie er damals tat gegen zwei seiner Hauptärgernisse zu Felde ziehen: die Werkgerechtigkeit - also die Ansicht, man könne sich Gottes Gnade durch gute Werke verdienen - sowie die damit verbundenen Höllendrohungen. Beides lauere heute in neuen Gewändern, so Zimmer.

Und er führte dies aus, schnell könne ein Christ sein "Kirchenheil" verspielen: Wer zu viel Auto fährt und sich an Windrädern stört, der komme in die C02-Hölle. Wer der Meinung ist, ein Kind solle zumindest vorzugsweise bei Vater und Mutter aufwachsen, dem drohe die Hölle überholter Familienbilder. Wer als Christ nicht möglichst viele Flüchtlinge aufnimmt oder auch nur kleinste Bedenken gegen eine solche Aufnahme hege, lande in der Populistenhölle. Wer seine Glaubenssymbole aus Toleranzgründen nicht verstecken wolle, für den sei die Ausgrenzungshölle da. Und wer neue Schulphilosophien ablehne, "wird als Lehrkraft aussortiert und wandert mit den beiden Thalmässinger Pfarrern in die Schulkritikerhölle", verband Zimmer das große Lutherthema mit einem aktuellen in Thalmässing.

In das "vielstimmige Protestgeheul beim schlimmen Wort Leitkultur" muss freilich auch eingestimmt werden: "Ein Christentum ohne Profil und eine stromlinienförmige Geistlichkeit ohne Ecken und Kanten" seien kein Problem, befand der Geistliche. Der Satz "Du musst, sonst bist Du kein Christ" unterschlage aber eine der wichtigsten Errungenschaften der Reformation: Der Mensch "ist auf die Gnade Gottes angewiesen und nicht auf ein dem Zeitgeist untergeordnetes Handeln, Sollen oder Müssen". Die Erlösung geschehe nach Luther vielmehr "allein aus Glauben".

Nach den deutlichen Worten wohl ganz im Sinne Luthers sangen die ThalmäsSingers den Gästen neuen "Mut" zu - ein Stück aus dem Luther-Oratorium. Die Kinder teilten selbst gestaltete Kärtchen mit Lutherrosen als Motiv aus, bevor es Mittagessen gab. Danach lockte ein buntes Programm, auch am Nachmittag im Pfarrgarten zu verweilen.