Thalmässing
Grundsätze von damals gelten noch heute

Vorläufer der Raiffeisenbank in Thalmässing vor 125 Jahren gegründet Erinnerung am Grab von Pfarrer Unger

02.12.2016 | Stand 02.12.2020, 18:58 Uhr

Am Grab von Pfarrer Heinrich Unger (mittlerer Stein der drei Pfarrergräber im Vordergrund) gedenkt die Raiffeisenbank der Gründung des Spar- und Darlehenskassenvereins Thalmässing, die von dem Seelsorger einst vorangetrieben worden ist. - Foto: Karch

Thalmässing (HK) Das Jubiläumsjahr neigt sich dem Ende zu: Vor 125 Jahren war in Thalmässing wenige Tage vor Weihnachten ein Spar- und Darlehenskassenverein gegründet worden. An die Anfänge von Raiffeisen und dessen Gründung ist jetzt bei einer Gedenkstunde erinnert worden.

Nicht mit einem Festessen oder kleinen Geschenken wollte die Raiffeisenbank Greding-Thalmässing das Jubiläum des Thalmässinger Teils der Genossenschaftsbank begehen, sondern mit etwas, das bleibt. Deshalb hatte Vorstandsvorsitzender Willi Hussendörfer zu einer Gedenkstunde auf dem Friedhof St. Gotthard eingeladen. Um den Grabstein von Heinrich Unger versammelten sich die Mitarbeiter der Raiffeisenbank und die Ausschussmitglieder, um - umrahmt von den Klängen des Posaunenchors St. Gotthard - innezuhalten und sich an die Anfänge zu erinnern. Der damalige Pfarrer von St. Gotthard war "als Seelsorger die treibende Kraft bei der Gründung eines Spar- und Darlehensvereins in Thalmässing", sagte Willi Hussendörfer. Mit diesem Verein, der am 18. Dezember 1890 von 48 Landwirten und Handwerkern aus der Taufe gehoben worden war, wollte man dem "durch Geldnöte entstandenen Jammer" lindern.

"Wir wollen heute dankbar auf die Gründungszeit zurückblicken", forderte Hussendörfer auf. Stellvertretend für alle, die in den 125 Jahren für die Genossenschaft Verantwortung getragen und die geholfen hätten, die Raiffeisenbank so mitzugestalten, wie wir sie heute kennen, sei diese diese Erinnerung an Heinrich Unger gedacht. "Die Raiffeisengenossenschaft hat zwei Weltkriege, Währungsreformen und Krisen nicht nur überstanden, sondern ist gestärkt daraus hervorgegangen."

Das Thema des Erinnerns griff auch Pfarrer Rudolf Hackner in seiner Ansprache auf. Das Christentum sei eine Erinnerungsreligion. Gerade jetzt in der Adventszeit erinnerten sich die Christen an die Geburt Jesu, aber auch an das, was Menschen durch ihren Glauben bis heute bewegt und gestaltet hätten. Um an Pfarrer Unger erinnern zu können, hatte sein Nachfolger Pfarrer Frank Zimmer im Archiv von St. Gotthard geblättert. Viel hat er nicht gefunden. 21 Jahre hat Unger in St. Gotthard als Pfarrer gewirkt. Noch in seiner aktiven Zeit ist er 1908 mit 62 Jahren gestorben.

Für Schmunzeln sorgte Hackners Information, dass die fünf Töchter von Unger alle unverheiratet geblieben waren. "Sie hatten es nicht nötig, sich einen Mann zu suchen." Sie waren schließlich alle fünf gut ausgebildet und liebten die schönen Künste und das Handarbeiten. Alle fünf Töchter blieben in Thalmässing, die Jüngste ist im Jahr 1962 gestorben.

Die Idee von Friedrich Wilhelm Raiffeisen, zur Linderung der Not in den ländlichen Gebieten Darlehenskassenvereine zu gründen, breitete sich Mitte des 19. Jahrhunderts vom Rheinland auch Richtung Franken aus. Raiffeisen gilt als der Pionier des neuzeitlichen ländlichen Genossenschaftswesens. 1891 gab es bereits 438 Darlehenskassenvereine in Bayern, berichtete Rudolf Hackner. Die Prinzipien von damals gelten auch heute noch: Selbsthilfe, Selbstverantwortung und Selbstverwaltung.

An der Spitze der Genossenschaften standen einst die Bürgermeister, die Geistlichen und die Ökonomen; Rechner, das entspricht den heutigen Geschäftsführern, waren meist Geistliche oder Lehrer. "Das waren besonders gut angesehene Berufsstände, die gut rechnen konnten." Hackner versicherte schmunzelnd, dass er froh sei, dass den Geistlichen diese Tätigkeiten heute untersagt seien.

In vielen Stellen des Neuen Testaments schließen sich Gott und Geld aus, so Hackner und nannte Sätze wie "Du kannst nicht Gott und dem Mammon dienen". Warum trotzdem Geistliche in den Spar- und Darlehenskassenvereinen so aktiv waren, könne er nur vermuten. "Vermutlich ging es weiten Teilen der Bevölkerung derartig schlecht, dass Institutionen, die sich um ihr weniges Geld kümmerten, von allen Seiten gutgeheißen wurden, auch von der Kirche." Wenn das Geld gerecht verwaltet und verteilt wurde, sei allen geholfen gewesen.

Pfarrer Hackner zitierte aber auch das Gleichnis von den anvertrauten Talenten. "Wer untätig herumsitzt, schadet nicht nur sich selbst, sondern auch der Allgemeinheit." Jeder sei dazu aufgerufen, Erfindungsgeist und Arbeitskraft, die ihm geschenkt wurden, auch einzusetzen. Viele Menschen auf dem Land fühlten sich noch einer Religion zugehörig, so Hackner. "Und solche Leute fühlen sich auch im Modell Genossenschaftsbank gut aufgehoben." Die Berufsgruppen, an die sich vor 2000 Jahren Jesus gewandt hatte, Handwerker oder Landwirte, seien auch "bodenständig, zufrieden und glücklich gewesen, auch wenn sie nicht zu den Mächtigen und Reichen gehört haben".

Rudolf Hackner schlug den Bogen zur heutigen Zeit mit dem Wunsch, dass für den Sparer einmal wieder bessere Zeiten anbrechen werden. Und er riet den Teilnehmern, auf Gottes Zusage "Ja, ich will euch tragen, wie ich immer trug" zu vertrauen.

Über diese kleine Gedenkfeier hinaus will die Raiffeisenbank ein sichtbares Zeichen der Erinnerung setzen: Sie stellt den Kirchengemeinden 5000 Euro zur Verfügung, mit denen die drei Pfarrergräber auf dem Friedhof restauriert werden können. Falls von diesem Geld etwas übrig bleibt, können es die Kirchengemeinden dort verwenden, wo es am meisten gebraucht wird. 1000 Euro gibt es außerdem für den Posaunenchor zur Anschaffung von Instrumenten.