Roth
Hochwirksame Medizin vom Doktor

Dr. Feelgood zeigen bei den Rother Bluestagen, dass sie noch lange nicht reif für Altenteil sind

19.03.2018 | Stand 02.12.2020, 16:40 Uhr
Die britische Band "Dr. Feelgood" spielte in der Kulturfabrik bei den 27. Rother Bluestagen. −Foto: Tobias Tschapka

Roth (HK) Diese Medizin ist nicht verschreibungspflichtig und hochwirksam. Welche? Na die, die Dr. Feelgood verabreicht. So wie er es am Sonntagabend in der Rother Kulturfabrik bei den Bluestagen gemacht hat.

Jean Jacques Burnel, der legendäre Basser der Stranglers, hat einmal gesagt, dass es eine Brücke zwischen der alten Zeit und Punk gebe - "und diese Brücke sind die Feelgoods". Heute ist selbst Punk alte Zeit und die Grenzen zwischen Rock 'n' Roll, Rhythm 'n' Blues und Punk verwischen im Blick zurück. Was bleibt, ist eine wilde, ungezügelte und ungeschliffene Musik mit starken Rhythmen. Diese spielen die Feelgoods auch nach fast 50 Jahren immer noch. Nun sind sie allerdings keine Brücke mehr, sondern ein Zugang. Ein Zugang zum Damals, ein magisches Theater des Pub Rock.

Nun ja, die vier, die auf der Bühne der Kulturfabrik stehen, sind alle über 60: Gitarrist Steve Walwyn, Bassist Phil Mitchell, Drummer Kevin Morris sowie Sänger und Harmonikaspieler Robert Kane. Trotzdem gehört keiner zu Urformation, der einst von Wilko Johnson und dem 1994 an Krebs verstorbenen Lee Brilleaux gegründeten Band. Aber sie atmen den Geist - nicht ganz so durchgeknallt wie in den 70ern -, aber voller Energie und Überzeugung. Wohl auch deshalb, weil der Letzte, der zur Truppe stieß - Kane -, dies bereits vor 19 Jahren tat.

Überhaupt Kane, der durch und durch fitte Mittsechziger ist der Dreh- und Angelpunkt der Feelgoods. Mit einem souveränen Organ gesegnet, großer Präsenz und perfektem Timing verhilft er der Medizin zu großer Wirksamkeit. Und ab und zu funkelt sogar etwas Irrsinn in seinen Augen. Dass er als britischer Pubrocker mit der Mundharmonika umgehen kann, versteht sich von selbst. Ob "Down to the Doctor", "Roxette" oder "Milk and Alcohol", er gibt den alten Gassenhauern den richtigen Kick.

Exakt 90 Minuten inklusive Zugaben geben die Feelgoods in der Kulturfabrik Vollgas. Mehr geht wahrscheinlich nicht, mehr braucht es aber auch nicht. Denn sie halten sich auch nicht lange mit Ansagen und sonstigem Gelaber auf. Punkt 8 auf die Bühne und los geht es, die ersten fünf Songs kommen komplett ohne Ansage aus. Schnörkellos geht es mit voller Energie zur Sache.

Indikator ist Steve Walwyns Hemd. Zuerst zeigen sich unter den Achseln erste nasse Stellen, diese breiten sich immer großflächiger aus, bis am Ende nur noch die Knopfleiste halbwegs trocken ist. "See You Later Alligator", was soll danach denn auch noch kommen.

Bleibt noch die Frage zu klären, was machen Pubrocker bei den Bluestagen. Sie zeigen, dass ihre Wurzeln zu 100 Prozent Blues und Rhythm 'n' Blues sind. Um auch die letzten Zweifler zu überzeugen, legen Kevin Morris und Phil Mitchell in der Mitte des Auftritts unter der Führung von Gitarrist Steve Walwyn einen lupenreinen Blues aufs Parkett, als wollten sie Johnny Winter wieder zum Leben erwecken. Walwyn outet sich später sowieso als Bluesfan, als er den "Mad Men Blues" des "great, great, great John Lee Hooker" ankündigt und die raunzig scheppernde Nummer zu einem weiteren Höhepunkt des Sets macht.

Dr. Feelgood zeigen, dass man ruhig mal Pause machen darf beim in Würde altern, wenn man 90 Minuten Hochleistungsrock immer noch ohne jede Peinlichkeit aufs Parkett legen kann. Eine "Premier Rhythm and Blues Band" sind sie allemal noch. Die Medizin wirkt, kein Verfallsdatum in Sicht.