Roth
Der Mann, der zu viel wusste

Journalist Uwe Ritzer stellt in Lesung Rechercheergebnisse über Affäre Mollath vor

14.06.2013 | Stand 03.12.2020, 0:01 Uhr

„Die Affäre Mollath – Der Mann, der zu viel wusste“, heißt das Buch, das Uwe Ritzer zusammen mit Olaf Przybilla geschrieben hat. Ritzer signiert es nach der Lesung in der Rother Kulturfabrik. - Foto: Schmitt

Roth (HK) Der Name steht für einen Skandal: Gustl Mollath. Der Nürnberger sitzt seit sieben Jahren in der Psychiatrie, weil er nach Überzeugung des Landgerichts seine Ehefrau geschlagen und Autoreifen zerstochen hat. Journalist Uwe Ritzer hat viele Recherchen dazu in der Kulturfabrik Roth vorgetragen.

„Da haben sich Abgründe aufgetan“, sagt Uwe Ritzer. Er ist einer von zwei Journalisten der Süddeutschen Zeitung, die ihre Berichte darüber nun in einem Buch zusammengefasst haben. Ritzer stellte es am Donnerstagabend in der Rother Kulturfabrik vor: „Die Affäre Mollath – Der Mann, der zu viel wusste“, so der Titel.

Gustl Mollath beschuldigte seine Frau und andere Banker immer wieder illegaler Geldgeschäfte. Über Jahre hinweg schenkte ihm niemand Gehör. Stattdessen wurde er von Psychiatern weggesperrt, die ihn nie untersucht haben, sondern nach Aktenlage urteilten. Das interne Dokument der HypoVereinsbank beweist indes, dass Mollaths Anschuldigungen zutreffen. Man verheimlichte die Akte und ließ ihn in der Anstalt schmoren. Für ihre Recherchen und ihre Berichterstattung im Fall Mollath wurden Uwe Ritzer und Olaf Przybilla mit dem Wächterpreis der deutschen Tagespresse ausgezeichnet.

Ritzer und sein Kollege Olaf Przybilla kannten lange Gerüchte über den Fall Mollath. Aber erst, als sie bei ihren Recherchen auf ein internes Dokument der HypoVereinsbank stießen, begannen sie ernsthaft, einen der größten Justiz-, Psychiatrie- und Bankenskandale der Bundesrepublik aufzudecken. 21 Aktenordner mit Unterlagen haben sich dazu bei der Süddeutschen angesammelt. „Ohne den Mediendruck wäre nichts passiert“, ist Ritzer überzeugt und hebt auch die Arbeit der Kollegen des TV-Magazins „Report“ hervor.

Ritzer und Przybilla nehmen kein Blatt vor den Mund. Ohne journalistische Grundsätze zu vernachlässigen. „Was ich nicht beweisen kann, würde ich nicht schreiben“, sagt Ritzer zwei Mal. Offensichtlich kann er viel beweisen. Denn er spricht von Gutachtern, die Mollath nie gesehen haben, und schildert das Zustandekommen eines zweifelhaften Attests am Bezirkskrankenhaus Erlangen allein aufgrund der Angaben von Mollaths Ehefrau. Besondere Verfehlungen sieht er beim Vorsitzenden der zuständigen Strafkammer des Landgerichts Nürnberg. Richter Otto Brixner hat Mollath 2006 wegen Schuldunfähigkeit freigesprochen, ihn aber als gemeingefährlich in die Psychiatrie eingewiesen.

In der Verhandlung soll nicht alles mit rechten Dingen zugegangen sein. Brixner habe Mollath „stundenlang malträtiert und provoziert“, indem er ihn „unbeherrscht und zornig über Stunden hinweg angeschrien hat“, schreibt eine unbeteiligte Zuschauerin in einem Brief an die Justiz.

Ein Laienrichter der Kammer „schämt sich heute dafür“, zitiert Ritzer einen der Schöffen. „Brixner hat sich benommen wie ein Diktator, massive Amtspflichtverletzungen begangen und im Urteil nachweislich teils hanebüchenen Unsinn geschrieben“, sagt Ritzer. „Wenn Mollath rehabilitiert wird“, fügt er hinzu, „dann ist Merk nicht mehr im Amt zu halten.“ Monatelang habe sich die bayerische Justizministerin vor ihre Leute gestellt.

Noch Beängstigenderes wirft Ritzer dem obersten Steuerbeamten des Freistaats vor. „Noch nie hat jemand einen Untersuchungsausschuss schlimmer verarscht“, sagt Ritzer über die Aussage von Roland Jüptner, Leiter des Landesamts für Steuern im Landtag.

„Er hat die Abgeordneten belogen“, behauptet der Reporter. Dabei ging es um einen belegten Anruf Brixners bei der Behörde aus dem Jahr 2004. Der Richter hatte Mollath dabei als Spinner dargestellt, dessen Anschuldigungen man nicht nachzugehen brauche. Die Steuerfahnder stellten daraufhin ihre Ermittlungen ein. „Darüber gibt es einen Aktenvermerk, der uns vorliegt“, sagt Uwe Ritzer in der Kulturfabrik. Jüptner habe dies im Ausschuss aber geleugnet. „Er hat Bullshit erzählt“, findet Ritzer.