Roth
Meinungsstarker Dialog auf dem Marktplatz

Spontane Bürgerversammlung wegen der angekündigten Schließung von Geschäften bringt Rother auf die Palme

21.02.2016 | Stand 02.12.2020, 20:10 Uhr

An Ort und Stelle, auf dem Marktplatz, setzten sich die Rother mit der Stadtpolitik auseinander. Die angekündigte Schließung von Geschäften war der Grund für diese spontane Versammlung. - Foto: Schmitt

Roth (HK) "Agora" haben die Griechen im Altertum den zentralen Fest-, Versammlungs- und Marktplatz ihrer Stadtstaaten genannt, an dem die Bürger zusammenkamen, um über wichtige Fragen des Gemeinwohls zu diskutieren. Das war die Geburtsstunde der Demokratie. Der Rother Bürgermeister Ralph Edelhäußer (CSU) hat nun an diese große Tradition angeknüpft. Kurzfristig und spontan hatte er zur Bürgerversammlung auf dem Marktplatz eingeladen, um mit den Rothern über die Zukunft des Zentrums der Kreisstadt zu sprechen.

Annähernd 150 Menschen versammelten sich trotz Schneegestöbers vor der Valentin-Passage, um ihrer Meinung Luft zu verschaffen. Die Versammlung muss als voller Erfolg und gelungenes Beispiel für echte Beteiligung gewertet werden. Schließlich kam es bei regulären Bürgerversammlungen in jüngster Vergangenheit nie zu einer ähnlichen Auseinandersetzung. 90 Minuten führten die Bürger einen munteren, meinungsstarken und meist sehr zivilisierten Dialog mit dem Stadtoberhaupt, in den sich auch Stadtratsmitglieder einmischten. Ein Vormittag zwischen Schlagabtausch und Formulierung echter Bürgerwünsche.

Tenor von offizieller Seite: Die Stadtverwaltung könne durch richtige Rahmenbedingungen lediglich die Weichen für eine lebendige Innenstadt stellen. Ohne den Einsatz von Investoren, Hausbesitzern und Verbrauchern aber liefen die Anstrengungen der öffentlichen Hand ins Leere. Trotz Planungshoheit sei man vor allem von den Grundstückseigentümern abhängig. "Die Stadt ist für öffentliche Infrastruktur zuständig, schafft Aufenthaltsqualität auf öffentlichen Flächen und kann auch Kontakte zwischen den Wirtschaftsakteuren herstellen", so Edelhäuser. Er skizzierte ferner Entscheidungen seiner Vorgänger, welche zur jetzigen Lage beigetragen hätten.

Der CSU-Politiker tat das ohne Schuldzuweisungen. Lediglich den Bürgerentscheid über die Rothmühl-Passagen bezeichnete er als Fehler. Die Zuhörer aber nahmen die Politik ziemlich ins Visier: "Ihr habt viele Fehler gemacht", meldete sich ein Senior lautstark zu Wort. "Ihr tut nichts für junge Leute", meinte ein anderer Bürger. "Ihr habt alle versagt", lautete der heftigste Vorwurf in Richtung Stadtpolitiker. Eine junge Mutter brach allerdings eine Lanze für Roth. "Wir Zugezogenen verstehen gar nicht, was die Einheimischen für Probleme mit ihrer Stadt haben: Wir leben gerne hier", erklärte sie und empfahl "denen, die jammern, mehr in der Innenstadt einzukaufen".

Jüngste Meldungen aus dem Rother Zentrum geben jedoch in der Tat zu höchsten Bedenken Anlass. Nachdem bereits länger bekannt ist, dass der Edeka-Markt die Valentin-Passage verlassen wird, hat nun auch "C&A" seinen Abschied aus den schon lange unter mangelnder Frequenz leidenden Rothmühl-Passagen bekannt gegeben. Dafür eröffnet am 21. April auf dem Grundstück im Anschluss an das Einkaufszentrum das "Kaufland", was viele Bürger mit Buhrufen quittierten. Diesen Markt hätte es nicht gebraucht, meinten einige, wie sie auch die Ansiedlung vieler Märkte in der Peripherie kritisierten. Dabei habe man lediglich auf Bürgerwünsche aus den jeweiligen Stadtteilen reagiert, entgegnete Ralph Edelhäußer.

Ein Mangel an schönen, zentral gelegenen Wohnungen, die Parksituation in der Innenstadt, die Öffnung des Marktplatzes für Autos und das Fehlen eines Hotels wurden vonseiten der Bürger für die schlechte Situation im Zentrum mitverantwortlich gemacht. Fehlende Radwege, ein Mangel an bezahlbaren Bauplätzen und das erfolglose Ringen um ein Hallenbad sind ebenfalls angeführt worden. Insbesondere Letzterem trat der Bürgermeister entschieden entgegen. "Wir investieren gegenwärtig 13 Millionen in Schulen und damit in die Bildung und Zukunft unserer Kinder", so der CSU-Kommunalpolitiker. "Sollen wir da noch 15 Millionen für ein Hallenbad ausgeben und uns hoch verschulden", fragte Edelhäußer. Auch ein Radwegenetz werde bereits in die Tat umgesetzt und es existiere ein aktuelles städtebauliches Entwicklungskonzept.

Als Teil eines erfolgreichen Weges aus der Misere sah Ralph Edelhäuser durchaus noch mehr Engagement der Kommune für sinnvoll an. Der Umbau könne dann gelingen, wenn man Eigentümer der Grundstücke sei, so Edelhäußer. Die Stadt habe deshalb starkes Interesse, nach dem Umzug von Leoni das Areal des Unternehmens zu erwerben.