Roth
Zahl der Übergriffe steigt

Gesprächsrunde zum Thema "Integration in und durch Sport" – Hinschauen und Zivilcourage zeichen

03.12.2013 | Stand 02.12.2020, 23:21 Uhr

„Rechts außen? Nur im 4-3-3“: Ralph Gunesch vom FC Ingolstadt schickte der Gesprächsrunde zum Thema „Integration in und durch Sport“ im Rother Seckendorffschloss ein signiertes Shirt. Das wird nun die Initiative „Roth ist bunt“ versteigern. - Foto: Schoplocher

Roth (HK) Zivilcourage ist das Wort des Abends gewesen. Obwohl es erst am Ende der Runde fiel, zu der „Roth ist bunt“ ins Seckendorffschloss geladen hatte.

Unausgesprochen steckte es in vielen Aussagen, die in den eineinhalb Stunden, in denen es um „Integration in und durch Sport“ ging, gemacht wurden. In den Mund genommen hat es schließlich Fred Pfaller, der als Sohn eines farbigen Amerikaners etliche Anfeindungen erlebt hat und immer noch erleben muss – auf und neben dem Fußballplatz. Der Jugendleiter des VfB Eichstätt, der sich auch als Schiedsrichter engagiert, nutzte das Forum für einen Appell: „Hinschauen und hinhören und – wenn nötig – Zivilcourage zu zeigen!“ Neben dem 52-Jährigen beleuchteten Onur Mucan (20), Mesut Kayir (41), Goran Nikolic (42) und einer der vier Vizepräsidenten des Bayerischen Fußballverbandes, Reinhold Baier, das Thema der Veranstaltung, die vom FC Ingolstadt unterstützt wurde.

Während Onur Mucan von der TSG 08 Roth auch aus dem Bereich Fußball kommt, vertraten Mesut Kayir aus Roth und der in Büchenbach lebende Abteilungsleiter der Taekwondo-Sparte der SpVgg Roth, Goran Nikolic, andere Sportarten und konnten neue Aspekte einbringen. Kayir und Nikolic unterstrichen, dass sie nie rassistisch beschimpft worden waren und sich „schon immer integriert gefühlt“ hätten.

Als Deutscher mit deutschem Pass fühlt sich auch Onur Mucan. Er hat allerdings des Öfteren auf dem Fußballplatz Beschimpfungen hinnehmen müssen. Dies habe die ersten Male wehgetan, „mittlerweile ist es besser“. Geholfen habe vor allem, dass während des Spiels keine Zeit sei, über derartige Parolen nachzudenken. Auch die Mannschaftskameraden, die ihn bestärken würden, seien als positive Erfahrung wichtiger als die Beleidigungen. Er persönlich habe sich ein dickes Fell zugelegt und ignoriere Zwischenrufe. „Das prallt mittlerweile an mir ab“, sagte der 20-Jährige.

Die Rolle der Mitspieler und Vereinskollegen habe auch ihn immer wieder getragen, erklärte Fred Pfaller. Auf dem Platz hätten ihm die Beschimpfungen oft nicht so viel ausgemacht wie „im richtigen Leben“, sagte das Eichstätter Urgestein. „Das hat eine andere Qualität“. Pfaller berichtete, dass es immer noch vorkomme, dass seine Freunde in einen Klub Einlass finden würden, er aber wegen seiner Hautfarbe draußen bleiben müsse. Dass die Gruppe dann weiterzieht und für ihn einstehe, habe ihm immer gut getan, schlug er eine Brücke zum Zusammengehörigkeitsgefühl, das nur Mannschaftssportarten vermitteln könnten. Ohnehin wollte Pfaller vor allem eines los werden: „Bleibt beim Sport!“, sagte er und unterstrich diesen Wunsch mit seiner Erfahrung aus über 20 Jahren Jugendarbeit, in denen kein Schützling auf die berühmte schiefe Bahn geraten sei.

Wie das Wort Gemeinschaft gelebt werden kann, zeigte Mesut Kayir, der erst wenige Tage vor der Veranstaltung als Ersatz eingesprungen war und viele türkische Jugendliche und andere Interessierte mitgebracht hatte. Der Rother erfüllte eine Doppelrolle, da er als langjähriger Vorsitzender des deutsch-türkischen Kulturvereins intensiv mit dem Thema Integration betraut war, aber zugleich als Sportler (Taekwondo und Leichtathletik) berichten konnte, welche Bedeutung dies für sein Leben hatte – und genau das wollte der zweifache Vater den Jugendlichen mitgeben. Sich an Vorbildern zu orientieren, sich zu messen und nach Erfolg zu streben, seien Tugenden, die man sich im Sport aneignen und dann auf das Leben übertragen könne.

Wie Mesut Kayir berichtete auch Goran Nikolic von vielem Positivem, das ihm der Sport gegeben hätte. Nikolic, der lange Jahre Fußball gespielt hatte, gab zu bedenken, dass im System mehrere versagt hätten, wenn ein 20-Jähriger auf dem Fußballplatz rassistische Parolen brülle. Im Sportverein seien die Kinder meist maximal vier Stunden in der Woche, relativierte er. Der Abteilungsleiter vermisste das Eingreifen derer, die nah an den rassistischen Äußerungen auf dem Platz dran seien, allen voran der Trainer.

Dass diese in Aus- und Fortbildung zu dem Thema geschult werden, erläuterte Reinhold Baier. Der Vorsitzende der Arbeitsgruppe „Gemeinsam & Fair“ und damit für die Bereiche Integration, Rassismus und Rechtsextremismus zuständig gab sich immer wieder selbstkritisch, zumal trotz aller umfangreicher Präventionsmaßnahmen und Kampagnen die Zahl der gemeldeten Übergriffe steige. Zwar sei nicht jeder Zwischenruf von Zuschauern oder Akteuren rein fremdenfeindlich motiviert – oft handele es sich um Gedankenlosigkeit, wie die anderen Gesprächsteilnehmer bestätigten, aber jede derartige Äußerung sei eine zu viel, unterstrich der Funktionär.

Dass die „Initiative „Roth ist bunt“ um diese „Erlebnisse aus erster Hand“ bereichert wurde, freute den Schirmherrn, Bürgermeister Ralph Edelhäußer. Er hoffte, dass Inhalte und Appelle weitergetragen und einen Beitrag leisten würden zu einem weiterhin guten Miteinander, das in der Kreisstadt herrsche. „Roth ist nämlich wirklich bunt“, fand er.

Der FC Ingolstadt, dessen in Rumänien geborener Spieler Ralph Guresch eine Videobotschaft schickte – der Verteidiger des Zweitligisten konnte wegen eines Spieles nicht kommen –, stellte ein von der Mannschaft signiertes Shirt der Initiative „Schanzer gegen Rassismus – rechts außen nur im 4-3-3“ zur Verfügung. Dieses soll versteigert werden, vom Erlös soll eine Aktion für Kinder finanziert werden.