Roth
Riss zwischen Arm und Reich

SPD-Generalsekretärin Natascha Kohnen kritisiert bei Neujahrsempfang wachsende soziale Ungleichheit

16.01.2017 | Stand 02.12.2020, 18:47 Uhr

"Wir sind im Moment im größten sozialen Umbruch seit dem Zeitalter der Industrialisierung", warnt Natascha Kohnen, Generalsekretärin der Bayern-SPD, beim Neujahrsempfang in Allersberg. - Foto: Unterburger

Roth/Hilpoltstein (ub) "Meine Stimme für Vernunft" lautete das Thema beim Neujahrsempfang der SPD im Landkreis Roth und des SPD-Ortsvereins Allersberg. Prominenteste Rednerin war Natascha Kohnen, die Generalsekretärin der Bayern- SPD. Der Saal des evangelischen Gemeindehauses Allersberg war übervoll. SPD-Vertreter aus dem ganzen Landkreis waren gekommen, um die Landtagsabgeordnete und SPD-Generalsekretärin Natascha Kohnen zu hören.

Musikalisch umrahmte die Band Soundbox, in der auch der Allersberger SPD-Bürgermeisterkandidat Andreas Odermann mitspielt, den Neujahrsempfang. Odermann gab einen kurzen Überblick über die Historie Allersbergs, bevor er das Wort an den Allersberger Bürgermeister Bernhard Böckeler übergab. "Ich wünsche Ihnen Menschen, die es gut mit Ihnen meinen und zu denen Sie auch gut sein können", sagte Böckeler, "so verstehe ich Kommunalpolitik." Wenn man sich offen und ehrlich begegne, könne etwas Gutes und Substanzielles entstehen.

"Die Stimme der Vernunft ist leise, aber sie ruht nicht, ehe sie sich Gehör verschafft hat", zitierte der SPD-Kreisvorsitzende Sven Ehrhardt den Psychoanalytiker Sigmund Freud. "Wir wollen eine tolerante, demokratische und weltoffene Gesellschaft", unterstrich er. Dumpfer Rechtsextremismus sei leider salonfähig geworden. "Wir stellen uns schützend vor die Schwächeren in der Gesellschaft und wollen ihren Anliegen eine Stimme geben", erklärte Ehrhardt. "In einer demokratischen Gesellschaft gibt es Meinungsvielfalt, fremdenfeindliche Parolen lehnen wir ab."

Die Kinderarmut sei auf dem höchsten Stand der Nachkriegszeit, sagte Ehrhardt. In kaum einem anderen westlichen Industrieland sei das so offenkundig. "Armut in Deutschland ist noch immer vererbbar", kritisierte Ehrhardt, "Bildung öffnet Tür und Tor für einen sozialen Aufstieg." Man brauche eine Agenda für soziale Gerechtigkeit, Chancengleichheit, Toleranz und Weltoffenheit, forderte der SPD-Kreisvorsitzende.

"Einfache Antworten und einfache Lösungen bringen nichts", meinte Landrat Herbert Eckstein. Mauern zu bauen löse keine Probleme. Der Versuch, etwas mehr Gerechtigkeit zu erzielen, verlange Geduld. "Wenn wir heute keine Gerechtigkeit erreichen, werden wir für die Zukunft keine Chancen haben", sagte der Landrat.

"Nur wenn wir mit den Bürgern reden, wird es uns gelingen verlorenes Vertrauen wieder zurückzugewinnen", erklärte Alexander Horlamus, der SPD-Bundestagskandidat für die Wahlkreise Nürnberger Land und Roth. "Demokratie ist den heftigsten Angriffen seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland ausgeliefert", sagte Horlamus. Die AfD habe den Populismus gesellschaftsfähig gemacht. "Wer die Hand in den Misthaufen steckt, muss sich nicht wundern, dass er danach stinkt", beschrieb es Horlamus drastisch.

"Gibt es heute noch ein freies Europa" Die SPD-Generalsekretärin Natascha Kohnen war skeptisch: "Das war mal so. Wie steht es mit der Pressefreiheit in Ungarn und in Polen" In Richtung CSU merkte sie an: "Der Begriff Obergrenze ist ein völlig vergifteter Begriff, eine Obergrenze ist nicht verfassungskonform." Fakt sei, dass im vergangenen Jahr 5069 Menschen im Mittelmeer ertrunken sind. "Das Mittelmeer wird zu einem Massengrab", bedauerte Kohnen, jetzt gebe es die ersten fünf Kältetoten. "Wir schauen beim Flüchtlingsdrama zu, machen aber nichts", kritisierte die SPD-Generalsekretärin.

"Es gibt einen Riss zwischen Arm und Reich sowie zwischen Weltoffenheit und Nationalstaat", erklärte sie. Es gebe "das Gefühl zwischen den Eliten und denen, die sich abgewürgt fühlen". Doch es gebe auch positive Zeichen. So habe eine Umfrage unter jungen Leuten ergeben, dass 80 Prozent auch dann arbeiten würden, wenn sie nicht bezahlt würden. "Junge Menschen möchten mehr Zeit für Familie, Freunde und Partnerschaftlichkeit", zitierte Kohnen aus der Umfrage, "sie haben Sehnsucht nach Ruhe und Geborgenheit".

Kohnen stellte fest: "Wir sind im Moment im größten sozialen Umbruch seit dem Zeitalter der Industrialisierung." So erreiche die Digitalisierung die Arbeitswelt mit einem Riesentempo. "Man ist permanent erreichbar, das verschiebt die Grenze zwischen Arbeits- und Freizeit erheblich", warnte Kohnen.