Rittersbach (HK) Er kann mit Fug und Recht als einer der Pioniere des Webmarketing bezeichnet werden. Schließlich hat der Rittersbacher Metzgermeister Claus Böbel seinen ersten Web-Auftritt bereits 1999 ins Netz gestellt. "Meine Homepage ist älter als You Tube", sagt der 45-Jährige stolz.
Nach und nach hat der Metzgermeister aus dem 350-Seelen-Dorf Rittersbach ihn ausgebaut. Unter www.umdiewurst.de machen heute 5000 Internet-Bestellungen pro Jahr 50 Prozent des Umsatzes der Traditionsmetzgerei aus. Per Post liefert die Metzgerei über Nacht in Isolierkartons vom Dry Aged Beef bis zur fränkischen Schlachtschüssel alles ins Haus. Zahlen kann man per PayPal oder Mastercard. 2015 hat die IHK Mittelfranken Claus Böbel als "Zukunftshändler des Jahres" ausgezeichnet.
Der Online-Shop ist jedoch längst nicht das einzige Standbein Böbels im Internet. Dabei spielt die Geschwindigkeit im Netz nicht die große Rolle. Viel wichtiger sind für ihn die Reichweite, Schnelligkeit und Aktualität sowie der direkte Kontakt. "Ich kommuniziere und informiere wie früher" sagt Böbel und zieht die Parallele zum unmittelbaren Kundenkontakt im Laden, "allein das Medium hat sich geändert".
Dass Böbel auch traditionell kann, beweist sein Sieg beim Presssackwettbewerb des Landkreises. Sein Credo: "Smalltalk statt Big Data." Denn er vermarkte nicht nur seine Produkte, sondern auch sich selbst, sagt Böbel. Dabei setzt er auf Vielfalt, Echtheit und einen Grundsatz: "Bunter Vogel statt grauer Maus." Journalismus in eigener Sache, nennt er diesen Ansatz. Der Erfolg gibt ihm recht. "Meine Homepage hat 40 000 bis 60 000 Besucher monatlich." Er findet seine Kunden weltweit. "Nein", sagt er, "sie finden mich. Die, denen mein Geplauder gefällt, kaufen mir etwas ab." Denn jedes Geschäft finde immer noch zwischen zwei Menschen statt, ist Böbel überzeugt. "Beziehungspflege und Vertrauen sind also nach wie vor die wichtigsten Bedingungen dafür." Das bringe ihm Kunden, die zu ihm passen. "Sie sollen echte Fans sein", fügt er schmunzelnd hinzu. Dabei ist ihm der ehrliche Auftritt eine echtes Anliegen. "Eine Agentur könnte das sicher noch viel mehr puschen, aber ich würde Authentizität verlieren", sagt Böbel.
Ähnlich geht der Metzgermeister mit seinem Fachwissen um, das er Verbraucher gerecht online stellt. "Jede Frage wird beantwortet", verspricht er. Auch deshalb sind auf seiner Homepage pro Jahr etwa 300 Mal neue Einträge zu finden. Seinen Facebook-Auftritt bestückt er ebenfalls mit Infos, Geschichten, Angeboten und Fotos aus der Metzgerei Böbel im Landkreis Roth. Wer erstmals bei ihm bestellt, der wird auch nach traditioneller Methode informiert: Das Starterpaket enthält immer einen äußerst umfangreichen Katalog mit allerhand Informationen rund um die Familie Böbel und ihr Geschäft: "Ihre Metzgerei - Vor Ort und im Internet." 135 Seiten mit Produkten, Fotos, Porträts der Zulieferer, Beschreibung der eigenen Dienstleistungen, Bestellkarte und Vorstellung der Mitarbeiter. Die ideale Verbindung zwischen traditionellem und modernem Marketing also. Eine gedruckte Homepage.
Doch Böbel bietet im Internet nicht nur Waren aus seiner Metzgerei und von regionalen Partnern an. Neben "www.umdiewurst.de" findet man Claus Böbel auch unter "www.wurstvortrag.de", "www.wurstbrief" und "www.wursterlebnis". Sein Vortrags- und Seminarprogramm, ein großes Sortiment lustiger Wurst-Postkarten und ein umfangreiches Eventrepertoire machen Böbel zum Internetkönig der Metzger. Kindergeburtstage und Tagungen mit Bratwurst- oder Leberkäsproduktion sind dort ebenso zu finden, wie Einzelcoaching für ambitionierte Hobbymetzger. Ein Russe hat bei ihm einen Lehrgang gebucht, um mit dem Expertenwissen dann in Moskau eine eigene Metzgerei zu eröffnen.
"Die "Fränkische Brat-Wurst-Erlebnis-Welt" in Rittersbach ist Böbels Zukunftsvision. Sie soll zum touristischen Ziel für Gäste aus der ganzen Welt werden. Grundstock dafür ist die Bratwurst, ihre Geschichte und ihre Herstellung. "Konzept und Gebäude gibt es bereits, wir arbeiten an der Finanzierung", schildert Böbel den Stand der Umsetzung.
Rittersbach ist ein Ortsteil Georgensgmünds mit 350 Einwohnern. Die Nahversorgung dort ist insbesondere für Senioren, Menschen mit Behinderung und Zeitgenossen ohne Auto ein Problem. "Als ich Jugendlicher war, gab es hier unsere Metzgerei, eine Tankstelle, einen Bäcker und einen Tante-Emma-Laden", erinnert sich Böbel. "Heute sind nur noch wir hier, was einen Ladenschwund von 75 Prozent bedeutet", rechnet er vor. "In den Städten werden 30 Prozent Ladenleerstand schon als Katastrophe gesehen." Dass Böbel seinen Metzgerladen in Rit-tersbach aufrechterhalten kann, ist nur dank Internet möglich. Immerhin stehen bei ihm acht Arbeitsplätze im Feuer. "Ohne Online-Shop könnten wir hier langfristig nicht überleben", sagt Claus Böbel. Gut für Rittersbach, dass er ein Internetpionier war.
