Hilpoltstein
Traumhochzeit in Isfahan

Für die Liebe konvertiert SPD-Fraktionschef Benny Beringer zum Islam

23.09.2015 | Stand 02.12.2020, 20:46 Uhr

Foto: DK

Hilpoltstein/Isfahan (HK) Er war der jüngste Stadtrat in der Geschichte Hilpoltsteins, jetzt ist Benny Beringer (SPD), der erste Muslim in diesem Gremium. Der Grund dafür ist die Liebe: Denn Beringer hat seine iranische Verlobte Zohreh Khosravi geheiratet. Erst auf dem Hilpoltsteiner Standesamt, jetzt in Isfahan, der Heimat von Zohreh, die jetzt Khosravi-Beringer heißt. Eine Geschichte wie aus 1001 Nacht.

 

Begonnen hat alles vor drei Jahren am Schönen Brunnen in Nürnberg. Benny Beringers Firma hatte eine Gruppe Praktikanten aus dem ägyptischen Alexandria zu Gast. Beringer organisierte eine Stadtführung und bat Maede Soltani, eine iranische Mitarbeiterin, um Hilfe. Die sagte sofort zu und brachte gleich eine iranische Freundin mit. „Ich stehe da am Schönen Brunnen und plötzlich läuft da eine wunderschöne Frau auf mich zu“, erinnert sich Benny Beringer, 35. „Das war Zohreh.“

Nach einem gemeinsamen Tag endet die Romanze – vorerst. Zohreh, 32, muss nach Braunschweig zurück. Benny Beringer besucht seine spätere Frau aber schnell dort. Sie studiert Physik und arbeitet am Fraunhoferinstitut. Gerade schreibt sie ihre Doktorarbeit über die Beschichtung von polymeren Oberflächen.

Zohreh kommt im Gegenzug nach Hilpoltstein. Es entsteht eine Fernbeziehung. „Das war schon etwas anstrengend, aber was tut man nicht alles für die Liebe“, sagt Beringer. Man besucht zum Beispiel die Brauteltern im Iran. Dazu muss Zohreh aber erst einige Überzeugungsarbeit leisten. „Die Eltern hatten Angst, ihre Tochter dauerhaft zu verlieren“, erzählt Benny Beringer über die erste Begegnung im Juli 2014.

Von der Sprache her sei die Verständigung schwierig gewesen. Aber die Herzlichkeit, mit der er aufgenommen wurde, begeistert ihn noch heute. „Die Iraner kennen keine Berührungsängste“, sagt er. „Das ist der größte Unterschied: Die Distanz, die der Deutsche hat.“

Von Distanz ist in Isfahan, der Heimat der Braut, nichts zu spüren. Benny wird eine Woche lang in der Familie herumgereicht, Zohreh hat drei Schwestern und Brüder. „Wir hatten jeden Tag eine andere Einladung.“ Der Besuch ist ein voller Erfolg, auch wenn Benny vier Kilo zunimmt: „Dann war das Eis gebrochen.“

Jetzt geht es Schlag auf Schlag. Im Januar fliegt Benny Beringer wieder nach Isfahan. Das Paar feiert Verlobung im Haus der Eltern. Der Mullah vollzieht die muslimische Zeremonie, die im Iran schon fast so viel gilt wie eine Ehe. „Dann hat man das Recht, mit seiner Frau alleine zu sein“, erzählt Beringer. Doch vor der Verlobung muss der deutsche Bräutigam noch zum Islam übertreten. Das erledigt der Mullah kurz vor der Verlobung. „Ich musste ein paar Sätze auf Farsi nachsprechen. Es war eine Art Glaubensbekenntnis. Ich glaube an Gott und Mohamed und so“, sagt Beringer. „Das war eigentlich ganz einfach. Ich werde auch nicht zum Beten gezwungen“, scherzt er. Der Religionswechsel – „Ich bin vom schlechten Christen zum schlechten Muslim geworden“ – ist ein Zugeständnis an die Braut. „Damit ist ein Leben nicht nur in Deutschland möglich, sondern auch in ihrem Kulturkreis.“

Am 25. Juli folgt die erste Hochzeit. Auf dem Hilpoltsteiner Standesamt traut Bürgermeister Markus Mahl das Paar. Zohreh besucht das Burgfest und macht beim Maßkrugstemmen im Bierzelt mit. Der iranischen Großstädterin – Isfahan hat knapp zwei Millionen Einwohner – gefällt es in der idyllischen Kleinstadt.

Anfang September folgt die zweite Hochzeit, diesmal nach iranischem Brauch in Isfahan. „Das ist bloß noch eine Feier“, sagt Benny Beringer. Aber was für eine. 120 Gäste kommen zum Fest und eine knapp 50-köpfige Gruppe aus Hilpoltstein, darunter die halbe SPD-Fraktion. „In kleinem Kreis“, sagt Benny Beringer. Zohreh habe nur die engsten Verwandten eingeladen. „Zur Hochzeit ihrer Schwester sind 800 Gäste gekommen.“

Es wird gefeiert, getanzt und gegessen. Zwei Tage lang. Den Auftakt macht eine Art Polterabend im Garten der Brauteltern. In traditionellen Kostümen wird ein Bachtiyari-Tanz getanzt, die Gäste schwingen rund um das Brautpaar rote Tücher. Die Atmosphäre ist locker. „Es war eine unglaublich gute Stimmung“, sagt Benny Beringer. „Alle waren total froh, dass sie dabei waren. Für manche war es die schönste Reise ihres Lebens.“

Am nächsten Tag, zur offiziellen Hochzeit, geht es förmlicher zu. Zohreh im weißen Kleid ist geschminkt wie eine Bollywood-Schauspielerin, die Bilder mit Benny sind für europäische Verhältnisse am Rande des Kitsch. „Da ist das normal“, sagt Benny Beringer und lacht. „Im Iran haben die Frauen immer eine Schicht mehr Make-up im Gesicht.“ Eine Art Kompensation für das Kopftuch, das sie in der Öffentlichkeit tragen müssen. Und iranische Hochzeitsfotografen lieben die schwülstige Geste.

Bei der Zeremonie sitzt das Brautpaar auf weißen Stühlen, die Gäste defilieren vorbei und schenken Geld und Gold. Erinnerungsfotos mit dem Paar werden gemacht. Europäisch mutet dagegen an, wenn die Braut ihren Strauß in die Menge junger Frauen wirft. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass es eine persische Tradition ist“, sagt Beringer schmunzelnd.

Dass die Braut 800 Goldmünzen vom Bräutigam versprochen bekommt, ist eine persische Tradition. Die Alimente sind Absicherung im Falle einer Trennung. Riten und Bräuche, die Beringer akzeptiert. „Woran ich mich definitiv nicht gewöhnen kann, ist der Verkehr.“ Als Gast genießt man im Iran den zweifelhaften Vorzug, im Auto vorne sitzen zu dürfen. „Die heizen wie die Henker“, sagt Beringer und spreizt sich automatisch in den nicht vorhandenen Sitz. „Rempeln ist ein Kavaliersdelikt. Und immer haben sie die Hand an der Hupe. Die Frauen tippen dazu noch in ihr Handy.“ Beringer schüttelt den Kopf.

Fremd werden ihm auch die ausgiebigen Picknicks am Straßenrand bleiben. In der Stadt schlagen Familien schon mal die Decke auf dem Grünstreifen zwischen zwei dreispurigen Autobahnen auf. Hupende Lastwagen und der Auspuffqualm stören niemanden. „Manche verbringen das ganze Wochenende auf einer Verkehrsinsel.“ Manchmal, sagt Benny Beringer, habe er sich schon vorgestellt, was wohl die Befürworter einer Hilpoltsteiner Umgehung zum iranischen Großstadtverkehr sagen würden.

Für Zohreh Khosravi-Beringer ist eher die offene Fremdenfeindlichkeit in Deutschland ein Problem. Auch wenn es in der Familie im Iran nicht diskutiert wird, „Bilder von brennenden Asylbewerberheimen sind im Iran schon zu sehen“, sagt Beringer. „Und den Hass spürt Zohreh schon.“

Trotzdem: „Die Deutschen haben im Iran ein recht positives Image. Trotz Embargo habe ich viele deutsche Marken gesehen“, sagt Benny Beringer. Auch die deutsche Bildung genießt großes Ansehen. Deswegen ist Zohreh ja auch nach Deutschland gekommen. Hier will sie auch bleiben, vielleicht einen deutschen Pass beantragen – irgendwann.

Im Dezember wollen die beiden in Hilpoltstein zusammenziehen – das erste Mal in ihrem Leben. Aber die Iraner sind bekannt für ihr Heimweh. Deswegen hat sich das junge Paar eine kleine Wohnung in Isfahan gekauft, als Stützpunkt. „Zohreh wird immer mal hinreisen“, weiß Benny Beringer. Und er wird oft dabei sein.