Hilpoltstein
"Da lernt man, mit Frauen umzugehen"

Beim Nähen der neuen Gewänder für die Kolpingtanzgruppe greifen auch die Herren zu Nadel und Faden

30.07.2015 | Stand 02.12.2020, 20:58 Uhr

Beim Burgfest muss alles sitzen: Florian Pauli und Freundin Maria Thomas bei der Anprobe (links). Sieglinde Gaukler (rechts Bild, links) hatte als Näherin schon vor dem letzten Burgfest alle Hände voll zu tun. Auch dieses Mal engagierte sie sich mit großem Engagement, Tochter und Tänzerin Christina (rechtes Bild, rechts) dankt es ihr genauso wie die ganze Kolpinggruppe.

Hilpoltstein (lkm) Die Kolpingfamilie steht beim diesjährigen Burgfest ganz besonders im Blickpunkt des Interesses. In erster Linie natürlich deshalb, weil aus ihren Reihen mit Silvia Krauß die neue Pfalzgräfin bestimmt wurde.

Der Verein stellt aber auch eine Tanzgruppe, die für das diesjährige Festgeschehen neue Gewänder verpasst bekommt. Die Beteiligten selbst wirkten beim Entstehen fleißig mit – auch die Herren griffen beherzt zu Nadel, Faden und vielem mehr. So erfüllt sich nun ein lange gehegter Wunsch. Er begann sich vor etwa einem Jahrzehnt recht deutlich zu regen. In den späten 1970er Jahren bereits wurden jene Gewänder mit einem Anspruch an die Historizität angefertigt, die bis vergangene Burgfestsaison noch im Einsatz waren. Davor tanzten die Kolpingsgetreuen zwar auch schon beim Burgfest, nahmen es dabei aber mit der geschichtlichen Stimmigkeit nicht immer so genau. So schwangen die Damen auch ab und zu im Dirndl die Hüften. Bis dann vor knapp 40 Jahren die jetzt ausgemusterten Gewänder Abhilfe schafften. In jüngster Zeit hatte ihre Qualität aber immer mehr gelitten. „Man konnte die Sonne schon recht gut durchscheinen sehen“, bringt es die Vereinsvorsitzende bei einer der Nähstunden für der Kolpingstänzer neue Kleider auf den Punkt. Der Notstand habe sich immer mehr verstärkt. „Die Knöpfe sind beim Tanzen auch schon mal abgesprungen“, erinnert sich Edeltraud Stadler.

Doch solcher Verschleiß sei auch nicht verwunderlich. Die Textilien würden auch sehr beansprucht, müssten Regen und Sonne sowie den Wechsel von beidem aushalten. Im Laufe der Jahrzehnte hätten sich dann auch viele Änderungen dazugesellt. „Es bleibt eben niemand gleich“, betont Stadler. Der Stoff wurde immer dünner. Als Gruppe, die ja eigentlich in repräsentativer Funktion Hilpoltstein seiner neuen Herrin schmackhaft machen sollte, erwies sie sich so trotz allen tänzerischen Könnens immer ungeeigneter: „Da hat sich die Stadt vor ihrer Gräfin in ihrer ganzen Not präsentiert.“

Und das ausgerechnet im Hauptteil des Festspiels. Eigentlich aber ja doch ganz authentisch – denn vor Reichtum quoll die Burgstadt Anfang des 17. Jahrhunderts ja nicht gerade über. So scharf darf man aber andererseits auch die Messlatte der Historizität nicht anlegen. Denn damals gab es geschichtlich verbriefter Weise auch garantiert keine Kolpinggruppe – Adolph Kolping wurde erst über zwei Jahrhunderte nach dem Einzug Dorothea Marias geboren. Als solche zog vor zwei Jahren aber die Kleiderkammerchefin Petra Tratz hoch zu Pferde ein. Ihrem adeligen und zugleich fachlichen Blick war der kleidungstechnische Zustand der Tanzgruppe erst recht ein Dorn im Auge. So nahm das Projekt Neugewandung neue Fahrt auf.

Bei der Umsetzung war erst einmal trockene Theorie gefragt. Die Fachfrauen in der Kleiderkammer befleißigten sich akribischer Recherchearbeit, um sich ein möglichst originalgetreues Bild von den Tanzgewändern des beginnenden 17. Jahrhunderts in Hilpoltstein machen zu können. Schließlich stand das Konzept, die nötigen Stoffe wurden beschafft.

Und dann ging die Arbeit erst los. Die Tanzenden selbst signalisierten von Beginn an ihre Bereitschaft mitzuwirken. Doch die bekam gleich zu Beginn einen ordentlichen Dämpfer. Denn die erste Aufgabe hieß: Kragen nähen. Dem stellte man sich auch mit vermeintlichem Erfolg. Doch den Ansprüchen der Kleiderkammerdamen genügte die Bastelarbeit nicht, die somit prompt verworfen wurde – nun legten sie selbst Hand an. Aber die Damen und Herren der Kolpingfamilie ließen sich nicht entmutigen. Als treibende Kraft erwies sich dabei die Mutter einer Tänzerin: Sieglinde Gaukler. Im zarten Alter von 15 Jahren hatte sie selbst einmal für ein halbes Jahr in einer Schneiderei gearbeitet. Seither ist Nähen zu einem ihrer großen Hobbys geworden. Wenn sich Gaukler zu Hause an die Nähmaschine setzt, „dann läuft sie bestimmt drei bis vier Stunden am Stück“, erklärt sie in einer der gemeinsamen Nähstunden mit den Kolpingtänzern.

Diese gemeinsamen Treffen kommen auf ihr Zeitbudget, das sie für die Neugewandung ihrer „Brüder und Schwestern“ aufwendet, noch dazu. Seit März trafen sich die sechs Tanzpaare ein- bis zweimal die Woche zum Schwingen von Nadel und Faden. Je näher das Fest rückte, umso mehr galt es natürlich auch, die Choreographie zu üben. Ab und zu wurde da auch mal „am Vormittag getanzt und am Nachmittag genäht“, erklärt Gaukler. Und zwar von allen. Vieles muss unter Anleitung von Gaukler auch erst gelernt werden. Die Damen haben nur einen kleinen Vorsprung. Sie nähen immerhin „für den Hausgebrauch“, heißt es.

Die Herren haben noch ungünstigere Startbedingungen. Emanuel Wechsler etwa kann vor den Nähtreffen für das diesjährige Burgfest ganze vier angenähte Knöpfe als Erfahrung in diesem Metier vorweisen. Seinem Bruder Maximilian ergeht es ähnlich. Florian Pauli kann da schon richtig auftrumpfen: Er hat es schon auf eine Kochschürze und einen Kissenüberzug gebracht. Seine Freundin und Mittänzerin Maria Thomas kann ihm da schon auf die Schulter klopfen. Es gibt viel zu tun: Mit den Nähmaschinen gilt es einzusäumen, Unterröcke wollten zusammen- und Federn auf Hüte aufgenäht werden. Doch alle beißen sich durch und haben damit sogar den toughen Rothelmen etwas voraus. Denn die Kameraden der Feuerwehr waren vergangenes Jahr mit neuen Gewändern dran. Ein Langzeitprojekt, das 2014 seinen Anfang nahm und die Kleiderkammer wohl noch lange beschäftigen wird. Die Floriansjünger bilden die Stadtwache und geben damit auch in textiler Form die Visitenkarte der Stadt ab. So bekam ein Teil der Wachen 2014 neue Kleider verpasst. Doch im Gegensatz zu den männlichen Kolpingtänzern nähten die Floriansjünger gleichen Geschlechts seinerzeit aus Zeitmangel nicht mit. Diese Art der Beteiligung ließ man sich nun in der Kolpingfamilie nicht nehmen. „Da bin ich schon stolz auf meine Jungs“, so Gaukler, die auch schon für besagte Bürgerwehr eifrig genäht hatte. Stolz ist sie natürlich auch auf die Damen, insbesondere die eigene Tochter Christina, die wie erwähnt ebenso mittanzt. Profitieren aber dürfen alle. Es lasse sich „viel mitnehmen, vor allem zwischenmenschlich“, sagt beispielsweise Emanuel Wechsler. Bruder Maximilian geht noch weiter. „Man lernt mit Frauen umzugehen“, wie er betont. Was dem Verheirateten ja auch in der eigenen Ehe recht nützlich sein kann.

So schön das gemeinsame Nähen aber auch ist, noch schöner ist das gemeinsame Tanzen. Bei der kürzlichen Veranstaltung „Fürstenglanz in Hilpoltstein“ hatten drei Paare schon ihre Premiere in den neuen Gewändern. Die ganze Gruppe wird dann am Burgfest in Aktion zu sehen sein. Und auch Gaukler und Stadler haben dann eine wichtige Funktion: Als Hofdamen werden sie persönlich die Gräfin mit einkleiden helfen.