Hilpoltstein
Raus aus dem Mittelalter

Sabine Weigand spricht über ihr neuntes Buch Autobiografie einer Geschlechtsumwandlung Ab morgen erhältlich

23.08.2016 | Stand 02.12.2020, 19:24 Uhr

Schreibtisch mit herrlichem Ausblick: Hier entstehen die Bücher, hier sprudeln die Ideen - Sabine Weigand und ihr Arbeitsplatz. - Fotos: Hertlein

Hilpoltstein/Schwabach (HK) Sie gehört zu den größten Werbeträgern Schwabachs, sie ist Historikerin, Stadtratsmitglied und Schriftstellerin: Sabine Weigand (55), Autorin von acht Mittelalterromanen, hat jetzt eine Autobiografie, "Helga", verfasst, die von der Geschlechtsumwandlung von Mann zur Frau handelt, wie aus Hermann Helga wurde. Helga ist heute 85.

Weigands Roman "Seelen im Feuer" wurde vom ZDF verfilmt. Weitere Buchveröffentlichungen sind "Die Markgräfin", "Die silberne Burg", "Das Buch der Königin", "Ich, Eleonore, Königin zweier Reiche", "Das Perlenmedaillon", "Die Königsdame", "Die Tore des Himmels", "Die Königsdame: Die Osmanin am Hofe von August dem Starken". "Helga" erscheint am morgigen Donnerstag, kostet 18,99 Euro und ist im S.Fischer Verlag in Frankfurt erschienen. Sabine Weigand ist zudem Vorsitzende des Schwabacher Geschichts- und Heimatvereins Schwabach und begeisterte Sängerin. Unsere Zeitung besuchte die Autorin kurz vor der Veröffentlichung von "Helga" daheim in Schwabach und sprach mit ihr über "Helga", ihre Mittelalterromane und ihre Popularität.

Hausbesuch bei einer erfolgreichen Schriftstellerin. Alles um Sie herum wirkt aufgeräumt, entspannt. Sind Sie es auch, so kurz vor der Veröffentlichung von Buch Nummer neun "Helga" , das von einer Geschlechtsumwandlung Anfang der 70er-Jahre handelt, wie aus Hermann Helga wurde?

Sabine Weigand: Ach ja, das Buch ist ja schon länger im Kasten, es dauert immer etwas, ehe es dann auch gedruckt ist. Ja, ich freue mich, dass es jetzt endlich auf den Markt kommt. Also ganz entspannt bin ich aber nicht, ich bin gespannt, was aus diesem Buch wird, wie die Resonanz ist. Außerdem arbeite ich bereits am nächsten Buch, an Nummer zehn. Seit vier Wochen schreibe ich bereits dran. Nur bedingte Entspannung also.

Erhebt sich automatisch die Frage, worum geht es da in Nummer zehn? Rückkehr ins Mittelalter?

Weigand: Nein, ich muss einfach mal raus aus dem Mittelalter, da habe ich zuletzt sehr viel geschrieben. Ich springe mit Buch zehn ins 19., 20. Jahrhundert, es wird ein Schwabacher Thema, man wird die Örtlichkeiten wieder erkennen, es wird kein Krimi oder Regionalkrimi. Im Prinzip wird es die Saga über eine Fabrikantendynastie (Ribot), die Seifen produzierte. Und "Helga", die Autobiografie, die jetzt veröffentlicht wird, beginnt 1971. Das Mittelalter ist weit weg.

Warum der Abschied aus dem Mittelalter, warum "Helga"?

Weigand: Ich hatte einfach das Gefühl, ich müsste mal etwas anderes machen, ich brauchte einfach mal einen Tapetenwechsel. Ich habe mich dabei eigentlich gar nicht um die "Helga" richtig bemüht, das Thema ist einfach an mich herangetragen worden. Manchmal gibt es Zufälle, die einfach passen. Ich habe bei meinen Recherchen die Figur kennengelernt und wir haben uns prima verstanden. Sie hatte eine geniale Geschichte zu erzählen.

"Helga"? Wer ist das, worum geht es im Buch?

Weigand: Es ist die Geschichte einer inzwischen 85-jährigen Frau, 1931 in Nürnberg geboren - als Mann. Sie war einer der Ersten in Deutschland, die sich, 1971, hatte umoperieren lassen. Dies geschah in Casablanca, weil es bei uns damals noch als Körperverletzung galt. Der Hermann, wie er ursprünglich hieß, ist in Nürnberg und später in der Nähe von Hilpoltstein aufgewachsen, hatte eine ganz schlimme Kindheit, stand mit fünf Jahren mit einer Rasierklinge vor dem Spiegel und wollte sich das Zipfele abschneiden, weil er das, was in einem Körper steckte, nicht gewollt hatte. Das hatte für ihn nicht gepasst. Er wusste das schon als ganz, ganz kleines Kind und hat damals dieses wahnsinnig zerrissene Leben geführt. Ohne zu wissen, was das eigentlich ist. Hatte auch versucht, sich das Leben zu nehmen.

Ein wirklich heikles Thema . . .

Weigand: Er hat furchtbar gelitten und hat dennoch versucht, ein bürgerliches Leben zu führen. Als Mann hatte er auch zwei Söhne gezeugt, aber der Drang, als Frau weiter zu leben, ist immer stärker und die Situation schlimmer geworden, eben bis hin zum Selbstmordversuch. Mit knapp 40 Jahren hat er dann in einer Klinik in Erlangen von den Ärzten erfahren, dass die Krankheit bekannt sei, daraufhin hat er sich umoperieren lassen. Man kann nicht den Geist dem Körper anpassen, sondern umgekehrt, 1971 fiel die Entscheidung.

Und wenn Sie Helga heute über den Weg laufen, ist sie der glücklichste Mensch?

Weigand: Naja, sie hat natürlich durch die Operation schwere Nachwirkungen erlitten, alle zwei Jahre Nachuntersuchungen, aber seit ihrem 40. Lebensjahr hat sie ein glückliches Leben geführt, hat sich endlich als Frau gefühlt, nochmals geheiratet und lebt jetzt auch wieder mit ihrer ersten Frau zusammen, als sie noch Hermann war. "Helga", so eine Geschichte kann man nicht erfinden, das hätte ich mich nicht getraut. Aber manchmal schreibt das Leben die verrücktesten Geschichten.

Eigentlich auch ein Stoff für einen weiteren Film?

Weigand: Da denke ich nicht dran. Ich wünsche mir, dass das Buch gut angenommen wird. In den Medien wird ja dieses Thema viel thematisiert, die Outings von Personen kommen immer früher. Heute denken bereits Jugendliche, die sich im falschen Körper befinden, an Operationen. Das prominenteste Beispiel: Bruce Jenner, Zehnkampf-Goldmedaillengewinner, heute als Caitlyn ein TV-Star in den USA, hatte sich vor einem Jahr umoperieren lassen, er will in einem richtigen Körper sterben.

Was ist eigentlich mit Ihren Stammlesern, die sich in acht Büchern im Mittelalter wohl fühlten. Müssen Sie diese mit oder wegen "Helga" umerziehen?

Weigand: Nein, ich denke, das Thema interessiert auch meine Stammleser, es kommt ja mal wieder ein historischer Roman. Helga ist jetzt einmal ein Ausflug in eine andere Zeit. Damit kann ich auftanken, indem ich etwas Neues schreibe. Das Buch macht mich wieder frisch für die Historie. Das ist, wie wenn man mal in Urlaub fährt. "Helga" ist ein Ausflug in eine Region, in der ich noch nie war. Und es war mal eine ganz andere Schreibe. Jetzt kann ich mich ruhigen Gewissens wieder an meinen Schreibtisch setzen und bei der Arbeit meine Quellen benützen, das hernehmen, was ich studiert habe.

"Die Seelen im Feuer" wurde vom ZDF verfilmt, wie weit nahm und nimmt das Einfluss auf Ihr weiteres Leben?

Weigand: Ja der Hype, der hat sich längst wieder gelegt. Es war eine wahnsinnige Erfahrung, es hat Spaß gemacht, ich habe viel gelernt, auch den Umgang mit dem Fernsehen. Als das mit der Verfilmung aktuell war, war das eine schöne Sache, dann setzt man sich wieder an seinen Schreibtisch in der Provinz und macht halt sein Ding wieder, geht zur nächsten Stadtratsitzung oder latscht über das Schwabacher Bürgerfest. Klar habe ich, nicht nur durch den Film, eine gewisse Bekanntheit erreicht. Es nervt mich noch nicht, wenn ich auf der Straße erkannt und angesprochen werde. Ich muss aber noch nicht mit Sonnenbrille herumlaufen und mich dahinter verstecken. Autogrammkarten habe ich, aber die hatte ich schon vor der Verfilmung, das gehört halt ein wenig dazu. Aber so eine öffentliche Figur bin ich nicht, das ist auch ganz gut so.

Beim Ranking Ihrer Bücher, gibt es da für Sie Favoriten?

Weigand: Jedes neue Buch verkauft sich ein bisschen besser, als das alte - in Franken ist natürlich das Perlenmedaillon ganz vorne. Ich bin gerne bei Lesereisen, hauptsächlich in Buchhandlungen der Region. Ich bin jemand, der gern redet und erzählt, das macht mir Spaß. Lesungen sind für mich auch kein Stress.

Gibt es 2016 noch wichtige Termine neben dem Beginn des Buchverkaufs "Helga"?

Weigand: Ganz klar die LesArt 2016, da bin ich mit "Helga" am 11. November in Schwabach vertreten.

Das Interview führte

Matthias Hertlein.