Hilpoltstein
Nur keine Panik

Nach dem Abitur bereitet der weitere Lebensweg einigen Schülern Sorgen Großes Beratungsangebot am Gymnasium

29.04.2016 | Stand 02.12.2020, 19:53 Uhr

Hilpoltstein (HK) Das Abitur beginnt und mit ihm auch die Frage: Was kommt danach? Für manche Schüler ist das ein großes Problem, die meisten wissen aber, was sie mit ihrer Zukunft anfangen sollen - ungefähr zumindest.

"Ich habe noch keinen konkreten Plan. Das Abi ist momentan noch vorrangig", sagt Joshua Seelig, 18. Wahrscheinlich wird es danach erst einmal ein Auslandsjahr. Australien womöglich. "Ich sehe das entspannt", sagt der Hilpoltsteiner.

Nicht alle sehen das so. "Für manche Schüler ist die Frage, was kommt nach dem Abi, der Horror", sagt Hans Seidl, Schulseelsorger am Gymnasium Hilpoltstein. Die Frage "und weißt du jetzt schon, was du machst" löse Beklemmungen aus. Es sei eine existenzielle Entscheidung, die den Lebensweg beeinflusse. "Deswegen graut ihnen davor", sagt Seidl. Zur Unterstützung bietet er Besinnungstage in der 11. und 12. Klasse. "Was ist mir wichtig" und "Zukunft und Entscheidungen" lauten da die Themen, die Schülern Orientierung geben sollen.

"Ein Dauerbrenner", sagt Seidl. Und nicht erst seit dem 8-jährigen Gymnasium G 8 Thema. Allerdings sieht er die verkürzte Schulzeit, die oft schon 17-Jährige in die Welt entlässt, nicht unbedingt als vorteilhaft. In diesem Alter hätten Jugendliche viele Entwicklungsaufgaben zu erfüllen, müssten Freundschaften und Partnerschaften aufbauen. "Dafür ist jetzt deutlich weniger Zeit", sagt Seidl. "Ich weiß nicht, ob es der große Wurf ist, das alles auf später zu verschieben." Er stelle jedenfalls verstärkt den Trend zur Pause nach dem Abitur fest. Vor 15 Jahren sei es noch eine Minderheit gewesen, die ein Auslandsjahr oder ein freiwilliges soziales Jahr drangehängt haben, "mit dem G 8 hat sich das etabliert". Schlecht findet Seidl das nicht. "Da hat man erst einmal Bedenkzeit."

Als großen Fortschritt sieht der Schulseelsorger die P- und W-Seminare, die mit dem G 8 eingeführt wurden. P steht für Praxis, W für Wissenschaft. Hier lernen Schüler, ein Projekt selbstständig auf die Beine zu stellen. "Das bringt ganz viel", sagt Seidl. Da können die Gymnasiasten ihren Stärken nachspüren und merken: Ich kann was.

Teil des P-Seminars ist auch die Berufs- und Studienorientierung (BUS), die bereits in der 11. Klasse beginnt. Am Gymnasium Hilpoltstein wird dieses Thema in Blöcken behandelt, die von der Beratungslehrerin Iris Zeilmann-Wagner organisiert werden. "Als Lehrer sind wir ja nicht wirklich die Experten für die Berufswelt", sagt Zeilmann-Wagner. Deswegen holt sie Fachleute an die Schule. Ehemalige Schüler berichten über ihre Erfahrungen mit dem Studium oder einem dualen Studiengang, bei dem sich Theorie und Praxis abwechseln. Das ist anstrengend, wird aber gut bezahlt. "Viele versuchen, ein duales Studium zu bekommen", sagt Schülersprecher Enzo Schneck, der erst im nächsten Jahr Abi machen wird. Auch er hat sich schon viele Vorträge angehört.

"Und weil ehemalige Schüler erzählen, ist die Hemmschwelle auch nicht so groß, nachzufragen", sagt Iris Zeilmann-Wagner. Man versuche auch, die Eltern mit ins Boot zu holen. Sie sollen über ihre Berufe erzählen. Sind die Arbeitszeiten familientauglich? Wie sieht die tägliche Arbeit aus? In einem weiteren Block stellen sich Berufsfachschulen vor, Fachleute aus der Praxis stellen ihre Arbeitsfelder vor. Zudem werden Vorstellungsgespräche geübt, das übernimmt seit Jahren die Sparkasse. Bei einem Schnuppertag geht es an die Uni nach Erlangen. Bei Bedarf kommt ein Experte der Arbeitsagentur in die Schule und bietet eine halbstündige Einzelberatung.

"Das ist das, was die Schule machen kann. Die Abiturienten an die Hand nehmen und sie einschreiben, können wir nicht," sagt Zeilmann-Wagner. "Es gibt keinen, der die Schule verlässt und nicht weiß, was ein duales Studium ist." Aber die Entscheidung muss am Ende jeder selbst treffen. "Das ist auch immer eine Frage der Persönlichkeit. Aber ich habe ganz viel Vertrauen in die Schüler." Es gebe eben verschiedene Typen, sagt die Beratungslehrerin, die selbst zwei Söhne hat, die das Thema völlig unterschiedlich angegangen seien. Der Jüngere habe zum Beispiel schon als Fünfjähriger gewusst, dass er Polizist werden will. "Eine faule Socke", sagt Zeilmann-Wagner, "aber beim Einstellungstest der Polizei hat er einen erstaunlichen Ehrgeiz entwickelt". Und wurde Polizist. Der zweite Sohn dagegen war lange Zeit unentschlossen. Am Ende hat er aber etwas für sich gefunden. Als Eltern dürfe man da nicht die Nerven verlieren, sagt Iris Zeilmann-Wagner. Das rät sie auch anderen Eltern: "Keine Panik, die finden ihren Weg."

Bestätigt wird Zeilmann-Wagner durch viele Gespräche mit ehemaligen Abiturienten. Wenn denen mal der Wind um die Nase wehe, würden sie oft erstaunliche Fähigkeiten entwickeln. Sie habe neulich zwei Schüler getroffen, die nach dem Abi lange Zeit in New York waren. "Wer das übersteht, beißt sich überall durch." Und selbst, wenn man mal einen falschen Weg verfolge, sei das nicht so schlimm. Dann wisse man, dass es nichts für einen ist. Auch eine wichtige Erkenntnis.

Das findet auch Hans Seidl. "Was spricht dagegen, einfach mal was auszuprobieren", fragt er. Zum Leben gehöre gelegentliches Scheitern dazu. Das müsse man akzeptieren. "Manche Schüler erwarten von sich selbst aber eine perfekte Entscheidung." Ihnen rät Seidl, gnädiger mit sich selbst zu sein und Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten zu entwickeln. Sie sollten sich sagen: "Es wird auch einen Weg für mich gaben."