Hilpoltstein
Reformation in einer Woche

Als Hilpoltstein, Allersberg und Heideck lutherisch wurden Berühmte Nürnberger Reformatoren auf Missionstour

29.12.2016 | Stand 02.12.2020, 18:51 Uhr

Das Epitaph in der Hilpoltsteiner Stadtpfarrkirche zeigt den späteren Pfleger von Hilpoltstein, Jörg von Leonrod, der mit Ottheinrich 1521 auf Pilgerfahrt nach Jerusalem war (links). Gut 20 Jahre später wird Ottheinrich (oben rechts) evangelisch. Die Reformation in Hilpoltstein, Heideck und Allersberg setzt Hieronymus Baumgartner, Nürnberger Patrizier und Bekannter Luthers, um. - Fotos: Kofer, Seitz (2)

Hilpoltstein (HK) Die Reformation in Hilpoltstein, Heideck und Allersberg im Jahr 1542 war kurz und schmerzlos. Sie dauerte nur gut eine Woche. Für die einfachen Christen änderte sich mit dem neuen Glauben kaum etwas, wie der katholische Pfarrarchivar Manfred Seitz erklärt.

"Die einfachen Leute haben gar nicht gemerkt, dass sie lutherisch sind", sagt Seitz. Die Predigt war jetzt länger und auf Deutsch statt auf Lateinisch, es wurde mehr gesungen in der Kirche, Laien erhielten das Abendmahl und die Pfarrer waren jetzt verheiratet. Die katholischen Messgewänder bleiben ebenso wie die Kerzen am Altar. "Ganz viel ändert sich nicht", sagt Seitz. Eine Revolution war die Reformation hier nicht.

Eher ein Verwaltungsakt. Der Rat der Freien Reichsstadt Nürnberg, schon seit 1525 lutherisch, schickte Anfang November 1542 mit Hieronymus Baumgartner und Veit Dietrich zwei namhafte Reformatoren zur Visitation in die Ämter Hilpoltstein, Heideck und Allersberg, "damit an gemelte drei ort ein christliche ordnung aufgerichtet werden möge", wie es in einem Beschluss des Nürnberger Rates heißt. Baumgartner, Ratsherr und Patrizier, hatte in Wittenberg studiert und war persönlich mit Martin Luther bekannt. Veit Dietrich lebte einige Jahre in Luthers Haus und war sein Vertrauter.

Nürnberg war zuständig, weil der eigentliche Landesfürst Ottheinrich die Ämter wegen gigantischer Staatsschulden am 31. August 1542 an die Reichstadt verpfänden musste. Jahreseinnahmen von 33 000 Gulden standen Schulden von einer Million Gulden entgegen. Schlossbauten, Bibliotheken und eine aufwendige Hofhaltung verschlangen Unsummen. "Er war einer der glänzendsten deutschen Fürsten der Renaissance in einem der kleinsten Fürstentümer", sagt Manfred Seitz.

Bereits am 20. November meldete Baumgartner Vollzug. Hilpoltstein ist protestantisch und bleibt es bis zur Gegenreformation, die mehr als 80 Jahre später einsetzt, auch. Widerstand gegen die Reformation gab es kaum. Baumgartner berichtet nichts davon. Da es in den Ämtern Hilpoltstein, Allersberg und Heideck an evangelischen Theologen fehlte, übernahm die Reformation der Einfachheit halber die alten Pfarrer - sofern die sich der Augsburger Konfession anschlossen. In Hilpoltstein gab es dabei kaum Probleme. Die Chorherren, eine Stiftung für adlige Söhne der Herren von Stein aus dem Jahr 1370, schwenkten schnell um. Sie waren das Herz des religiösen Lebens, lebten wie Mönche, hatten aber ein eigenes Haus in der Stadt und erhielten aus der Stiftung Abgaben von den Bauern. Die Nürnberger tasteten das Stiftungsvermögen nicht an. Die Kommission forderte sie lediglich auf, "ihr papisterei zu vörderst niederzulegen". Äußerliches Zeichen der Distanzierung vom Papst war die Heirat. "Nach zwei Jahren waren alle Chorherren unter der Haube", erzählt Manfred Seitz. Der Reigen der Priesterhochzeiten eröffnete der Hilpoltsteiner Pfarrer Laurentius Lauter, der bereits am 15. Januar 1543 heiratete. Auch dem Pfarrer von Laibstadt empfahl der Rat, "sich zu verehelichen, um Ärgernis zu verhüten".

Im Gegensatz zu Ottheinrich, der den neuen Glauben in der Pfalz Neuburg sehr rabiat durchsetzte, Klöster auflöste oder einfach das Dach abdecken ließ, um sie dem Verfall preiszugeben, ging der Nürnberger Rat bei der Reformation mit mehr Fingerspitzengefühl vor. Mit sanftem wirtschaftlichem Druck bewegte die Nürnberger Kommission zum Beispiel den Allersberger Pfarrer Hans Jäger zur Aufgabe. Jäger verweigerte sich der neuen Kirchenordnung und wurde durch den Liebenstädter Pfarrer Stephan Mumprecht ersetzt. Sein Amtsantritt scheiterte aber am Widerstand Jägers. Die Kommission versprach ihm daher eine jährliche Rente von 20 Gulden, wenn er Pfarrei und Pfarrhaus verlässt. Im Januar 1543 leistete Jäger den geforderten Verzicht.

Wer die Nürnberger Kirchenordnung, verfasst von einem der führenden Nürnberger Theologen, Andreas Osiander, dauerhaft ablehnte, wurde entlassen. So wurde der Heuberger Pfarrer Ambrosius Eckelsperger am 2. Januar 1543 vor den Nürnberger Rat zitiert, weil er am ersten Weihnachtsfeiertag "drei päpstliche Messen" gehalten hatte. Neuer Pfarrer von Heuberg wurde der Hilpoltsteiner Schulmeister, der dafür in Nürnberg eine Pfarrerprüfung ablegen musste. Eckelsperger wechselte auf eine neue Pfarrstelle nach Stirn.

In Ebenried blieb Pfarrer Sixtus Gluemann standhaft beim katholischen Glauben und berief sich dabei auf seinen Eid gegenüber seinem Patronatsherren Adam von Wolfstein. Nürnbergs Gesandter Hieronymus Baumgartner blieb unbeeindruckt. Nach Gluemanns Bericht an seinen Herren antwortete Baumgartner ungerührt: "Meine Herren von Nürnberg wollen eine einzige Ordnung haben in ihrem Land. Weil Ebenried auch dazugehört, werdet Ihr dies auch anzunehmen haben." Gluemann musste gehen. Der Eichstätter Bischof versetzte ihn nach Kinding.

Das war oft die einzige Hilfe, die der Bischof Moritz von Hutten bieten konnte. Die Zahl seiner Pfarreien war durch die Reformation auf rund ein Drittel zusammengeschmolzen. Versuche, seine Schäfchen bei der Stange zu halten, blieben meist erfolglos. So verbot er zum Beispiel den Einwohnern von Jahrsdorf, das "Sakrament unter beiderlei Gestalt" (Laienkelch) zu nehmen, sie sollten zum Gottesdienst nach Untermässing gehen. Das Laienkelch genannte Abendmahl für nicht zum Klerus gehörende Christen war 1415 auf dem Konzil von Konstanz verboten worden. Der Nürnberger Rat versprach den Jahrsdorfern sofort Schutz vor Strafe.

Grundsätzlich galt damals der Grundsatz cujus regio, ejus religio, der Landesherr bestimmt die Religion. Wer in Hilpoltstein lieber katholisch blieb, musste nicht gleich das Land verlassen. Er besuchte einfach den katholischen Gottesdienst in einem Nachbarort. "Es hat immer Leute gegeben, die ins Katholische ausgerissen sind", sagt Manfred Seitz. Bei Heidecker Katholiken war zum Beispiel Röttenbach beliebt, wo der Deutschherrenorden seinen Sitz hatte.

Dass auch fast 20 Jahre nach der Reformation in Hilpoltstein noch Einiges im Argen lag, zeigt ein Visitationsbericht von 1560/61. Darin gab der "ehrbare Rat der Stadt Nürnberg" Pfarrern und "Caplönen" einige ganze Reihe von Verhaltensregeln mit. Sie sollten sich zum Beispiel der Schlemmerei enthalten und Wirtshäuser meiden. "Die Wirklichkeit war genau umgekehrt", sagt Seitz. Der Pfarrer von Heuberg sei "einer der schlimmsten Raufbolde" der Gegend, vermerkt die Kommission. Oft sei er im Wirtshaus, das er sternhagelvoll verlasse. Einmal fand man ihn in erbärmlichem Zustand, volltrunken im Acker liegend. Deswegen kündigte der Nürnberger Rat an, dass den ungeratenen Pfarrern die Enthebung von ihrem Amte drohe, wenn sie "von irem ärgerlichen leben nit abstehn".

Peinlich genau kontrollierte der neue Pfalzgraf Philipp Ludwig seine evangelischen Schäfchen. Er hatte 1578 die verpfändeten Ämter von Nürnberg ausgelöst. Den Schuldenstand der Pfalz Neuburg hatte er auf Null gedrückt. "Er war ein richtiger Workoholic und ein ganz strenger evangelischer Fürst", sagt Manfred Seitz. Alle zwei Jahre schickte er eine Kommission. Sie prüfte nicht nur die Kenntnisse der Pfarrer, sondern fragte auch einfache Gläubige ab. Sie mussten Gebete und Lieder auswendig können und regelmäßig zum Abendmahl gehen. Das änderte sich erst mit der Gegenreformation wieder, die 1627 in Hilpoltstein begann. Sie dauerte - im Gegensatz zur Reformation - mehrere Jahre und war "von einer Atmosphäre des gegenseitigen Misstrauens geprägt", wie Manfred Seitz erklärt.