Hilpoltstein
Luftkuss statt Peitsche

Der Hilpoltsteiner Flecklasmo Karl Brunner ist gestern 90 Jahre alt geworden Bekannt mit Flickenkostüm und Holzmaske

17.01.2018 | Stand 02.12.2020, 16:56 Uhr

Die Hilpoltsteiner Flecklaskinder führen für Karl Brunner einen Tanz zum 90. Geburtstag auf und singen vor seiner Haustür auch das altbekannte Lied "Flecklasmo, hast Klamperla dro . . .". - Foto: Münch

Hilpoltstein (HK) Ein Hilpoltsteiner Original hat gestern seinen 90. Geburtstag gefeiert: Karl Brunner. Über fast sechs Jahrzehnte hinweg prägte er als Flecklasmo den Hilpoltsteiner Fasching. Die Flecklaskinder überraschten nun den Jubilar mit einem Tanz vor seiner Haustür.

Wenn der Flecklasmo Karl Brunner seinen Geburtstag feiert, dann geben sich seit jeher die Gratulanten die Klinke in die Hand. Gestern jedoch platzt das Haus in der Sternsingerstraße aus allen Nähten und das Telefon stand kaum still. Denn das Hilpoltsteiner Original feiert seinen 90. Geburtstag. Neben Landrat Herbert Eckstein und Hilpoltsteins Bürgermeister Markus Mahl gratulieren am Vormittag schon die Vertreter der Soldatenkameradschaft.

Außerdem kommt eine Grundschulklasse samt Rektor Peter Benz vorbei, um dem langjährigen Flecklasmo ein Ständchen zu singen. Schließlich ist die Verbindung zwischen Karl Brunner und der Grundschule eine ganz besondere. Bis vor ein paar Jahren kam Karl Brunner zur Faschingszeit stets an die Grundschule, um dort die Mädchen und Jungen mit Peitschenknall über den Hof zu jagen. Ganze Generationen haben diesen Brauch erlebt.

Als Flecklasmo hat Karl Brunner eine inzwischen über 100 Jahre alte Tradition seiner Familie fortgesetzt. Schon sein Vater Johann zog mit Flickenkostüm, Maske und Peitsche durch die Stadt. Sohn Karl setzte diese Tradition zunächst mit dem Hilpoltsteiner Hans Glossner fort. Als dieser wegen einer Erkrankung nicht mehr konnte, sprangen Karl Brunners Söhne Karl-Heinz und Josef ein.

Der wichtigste Tag des Jahres ist für den Flecklasmo der Unsinnige Donnerstag. Am Vormittag besucht er die Grundschule, am Nachmittag holen ihn die Kinder von seinem Haus ab. Dann ziehen sie zusammen durch die Altstadt. Die Kinder singen dabei das altbekannte Spottlied: "Flecklasmo, hast Klamperla dro, hast all derfrorn, bist bucklert worn. Gänskrong, Saumogn, derf ma nimmer song. Hast um fünfasieberzg Pfenning Backstakäs im Mogn. Gänskrong, Saumogn, derf ma nimmer song." Da wird der Flecklasmo fuchsteufelswild. Er starrt die Kinder mit seiner Maske an und treibt die Menge mit der Peitsche auseinander.

Woher die Tradition des Hilpoltsteiner Flecklasmo kommt, ist nicht überliefert. "Ich bin aber sehr froh, dass meine Söhne die Geschichte fortsetzen", sagt Karl Brunner. Wenn er an die Zeit zurückdenkt, als er sich noch selbst die hölzerne Maske überstreifte, lächelt er. Aber auch für neue Faschingsbräuche, die in Hilpoltstein Einzug halten, interessiert er sich. Die vierte Auflage des Hilpoltsteiner Brauchtumsumzugs am vergangenen Sonntag, bei dem auch seine Söhne und die anderen Hilpoltsteiner Flecklasmänner mitgelaufen sind, ließ er sich natürlich nicht entgehen. "Das ist schon alles ein bisschen was anders", findet er, was nicht heißt, dass das lautstarke Spektakel ihm nicht gefallen hätte. "Aber wir Brunners sind in Hilpoltstein trotzdem die Originale", sagt er.

Diesem Original machen zum runden Geburtstag auch alle Nachfolger ihre Aufwartung. Die Hilpoltsteiner Flecklaskinder führen für Karl Brunner einen Tanz zum 90. Geburtstag auf und singen vor seiner Haustür auch das altbekannte Flecklasmo-Lied. Mit einem Luftkuss bedankt sich der sichtlich gerührte Karl Brunner dafür bei den Kindern. Auch eine Delegation des Hilpoltsteiner Flecklasmänner-Vereins kommt vorbei. Von der Vereinsvorsitzenden Katrin Schade bekommt Brunner einen Orden überreicht.

Der originale Flecklasmo Karl Burnner ist ein gebürtiger Hilpoltsteiner. Er wuchs als eines von 16 Geschwistern auf. Geboren wurde er wie die meisten seiner Geschwister im Haus in der Sternsingerstraße 21, nur ein paar Meter von seinem jetzigen Wohnhaus entfernt.

Gleich nach der Schule verdingte er sich als Knecht auf einem Bauernhof in Wernsbach. Mit 17 Jahren meldete er sich freiwillig bei der Wehrmacht. Auch wenn er nicht direkt an die Front musste, wurde er doch zum Arbeitseinsatz eingeteilt. 1945 bis 1949 war er in russischer Gefangenschaft. Dort musste er in einer Granatenfabrik und in Bergwerken arbeiten. Ein Datum hat sich Brunner genau gemerkt. Am 29. September 1949 kehrte er nach Hilpoltstein zurück. Zunächst half er bei der Stadt aus und arbeitete dann 25 Jahre bei einer Baufirma. 1956 schlüpfte er zum ersten Mal in den Flickenanzug. Für sein Engagement als Flecklasmo ist Brunner schon 2007 mit dem Verdienstorden des Fastnachtsverbandes ausgezeichnet worden. Gewürdigt wurde sein Wirken als "Einzelkämpfer, der sein Leben der Tradition des Flecklasmo-Laufens verschrieben hat".

Über den großen Zuspruch an seinem Ehrentag freut sich Karl Brunner - auch wenn er eigentlich das ganze Jahr über als Flecklasmo gewürdigt wird. "Wenn ich einkaufen gehe, rufen mir noch heute viele hinterher, du bist doch der Flecklasmo!", sagt Brunner. Aber die größte Freude für ihn ist und bleibt, dass seine Söhne die alte Brunner-Tradition weiterführen. "Dadurch lebe ich richtig auf", sagt Brunner, bevor schon wieder das Telefon klingelt und der nächste Gratulant den Flecklasmo sprechen will.