Hilpoltstein
Fackelwanderung durch die Altstadt

Nachtwächter Gottfried Gruber weiß viel über die alten Zeiten in Hilpoltstein zu berichten

13.12.2015 | Stand 02.12.2020, 20:26 Uhr

Durch das nächtliche Hilpoltstein führt der Nachtwächter Gottfried Gruber die großen und kleinen Teilnehmer der Fackelwanderung. - Foto: Tschapka

Hilpoltstein (HK) Die Fackelwanderung mit dem Nachtwächter Gottfried Gruber durch die illuminierte Altstadt von Hilpoltstein hat am frühen Samstagabend Scharen von Besuchern angezogen. Sie alle genossen die kurzweilige Tour.

Über 150 Besucher folgten dem langjährigen Stadtführer, der nie um eine Antwort verlegen ist, durch die engen Gassen, darunter jede Menge Kinder. Eigentlich würde Gruber als prächtiger Rattenfänger von Hameln durchgehen, so wie ihm die Mädchen und vor allem die Buben am Rockzipfel hingen, dabei hatte er doch gar keine Flöte, sondern Hellebarde und Laterne auf seiner 15. nächtlichen Tour durch die Burgstadt dabei.

Nach einer kurzen Begrüßung war die Zwingerstraße die erste Station der Tour – dort, wo früher ein mächtiger Turm stand und eine Zugbrücke über den Mühlbach führte. Zwischen 1806 und 1812 wurde dies alles abgerissen. Noch länger ist es her, dass in diesem Bereich mehrere Badehäuser standen, in denen so genannte Hübscherinnen ihrer wohl nicht immer jugendfreien Arbeit nachgingen. „Es gab sogar ein Badehaus, in das nur Lehrer gehen durften. Dort arbeiteten allerdings nur Männer“, erzählte Gruber.

Dann zog die Gruppe weiter zum Marktplatz, dorthin, wo früher regelmäßig „Lebendmarkt“ abgehalten wurde. Dort gab es Tiere zu kaufen, darunter Hühner, die nur ein paar Groschen kosteten. Auch Nachtschwärmer kamen früher übrigens in Hilpoltstein auf ihre Kosten, denn es gab insgesamt nicht weniger als 23 Tavernen, da war bestimmt einiges los.

Langsam näherten sich Nachtwächter Gruber und sein Gefolge der Burg, aber zuvor machte die Gruppe an der Mädchenschule Halt, wo heute Musik unterrichtet wird. Dort führten früher die „armen Schulschwestern“ ihr strenges Regiment. „Kein Wunder bei Klassenstärken von bis zu 85 Kindern. Wehe, da lagen die Stifte nicht parallel auf dem Pult, dann gab es Schläge mit dem Lineal auf die flache Hand“, erinnerte sich Gruber. Auch daran, dass man die Schwestern, sollte man ihnen auf der Straße begegnen, mit einem ’Gelobt sei Jesus Christus’ begrüßen musste. „Wenn man das nicht schnell genug gemacht hat, bekam man eine drum Schell’n, dass man mit dem Arsch auf die Uhr geschaut hat“, erzählte Gruber.

Während des Dritten Reichs bekamen die Hilpoltsteiner übrigens einen linientreuen Bürgermeister aus Nürnberg vor die Nase gesetzt, der an seinem ersten Tag die Schwestern aus dem Haus vertrieb, um selber dort einzuziehen. „Dafür wurde dieser am ersten Tag nach dem Krieg seinerseits aus dem Haus gejagt“, wusste Gruber.

Nach kurzem Marsch kamen alle schließlich auf dem Burganger an und versammelten sich im rund 900 Jahre alten Freyerskeller, in dem die Wanderer himmlischen Besuch bekommen sollten: Das Hilpoltsteiner Christkind gab sich die Ehre und schritt würdevoll durch die Besucherreihen, um dort die Weihnachtsgeschichte von den drei kleinen Sternen zu erzählen. „Und wer dabei nicht ruhig ist, für den setzt es einen Satz heiße Ohren!“, drohte der Nachtwächter schelmisch.

Obwohl es bei der Geschichte alles andere als mucksmäuschenstill war, ließ er seinen Worten natürlich keine Taten folgen, sondern erzählte lieber ein selbst verfasstes Weihnachtsgedicht, das er geschrieben habe, als er wieder einmal nachts nicht schlafen konnte. Vermutlich eine weit verbreitete Berufskrankheit unter den Nachtwächtern.

Wer wollte, konnte sich nach dem Besuch im Freyerskeller eine Fackel kaufen, und das taten viele, so dass der Burgplatz in warmes, flackerndes Licht getaucht wurde. Während des Marsches zurück in die Stadt hinunter tanzten viele schwarze Schatten an den Fassaden der Häuser, und die Kinder schienen fasziniert und ehrfürchtig zugleich über das Element Feuer, das sie in der Hand halten durften.

Der Weg führte vorbei an der Residenz, am Jahrsdorfer Haus und am Stadtweiher, in dessen nachtschwarzem Wasser sich der Fackelschein spiegelte. Schließlich endete die nächtliche Wanderung durch Hilpoltstein dort, wo sie begonnen hatte – auf der Försterwiese. Das heißt aber nicht, dass die vielen Teilnehmer schon nach Hause gingen. Ein prasselndes Lagerfeuer sowie Brezen, Glühwein, und Kinderpunsch luden noch lange zum Verweilen ein.