Hilpoltstein
Ein tragischer Fall

Im Streit die Ehefrau erstochen: Schwurgericht verurteilt 55-jährigen Rother zu sechs Jahren Haft

18.04.2013 | Stand 03.12.2020, 0:15 Uhr
Symbolbild Gericht −Foto: dpa

Hilpoltstein (HK) Es war Totschlag: Zu dieser Einschätzung ist gestern das Schwurgericht Nürnberg gekommen und verurteilte einen 55-jährigen Rother zu sechs Jahren Freiheitsstrafe.

Der schwer pflegebedürftige Mann hat vor acht Jahren seine Ehefrau mit einem 20 Zentimeter langen Küchenmesser erstochen. Es gab immer wieder Streit. Ums Geld. Um die Firma. Wegen der Kinder. Die Ehefrau und vierfache Mutter war laut und zurechtweisend. Sie putzte ihren Mann sogar vor Freunden und Bekannten herunter. Nannte ihn Schlappschwanz oder Pfeife. Weil sich der Kleinunternehmer nach einer Gehirnblutung und einer folgenreichen Operation nicht einmal mehr Kundentermine merken konnte.

Der Ehemann hatte seiner dominanten Frau auch nach über 20 gemeinsamen Jahren kaum etwas entgegenzusetzen. Er flüchtete in Zynismus oder verzog sich in den Keller des Einfamilienhauses. Bis zu dem verhängnisvollen Abend des 5. Februar 2005. Beide hatten tüchtig Alkohol getankt, als es wieder zum Krach kam. Zum letzten Mal.

„Der Angeklagte entschloss sich, den Streit damit zu beenden, dass er seine Frau tötete“, sagte der Vorsitzende Richter Richard Caspar gestern in Nürnberg. „Er holte ein Messer aus der Küche und stach mit voller Wucht zu.“ Die Frau, damals 43 Jahre alt, sank tödlich getroffen zu Boden.

„Auch nach acht Jahren sind wir es dem Opfer schuldig aufzuklären, was in der tragischen Nacht passiert ist“, betonte Oberstaatsanwalt Thomas Strohmeier. Kurz nach der Tat hatte der Mann einen zweiten Hirnschlag erlitten, zeitweise war er dem Tod näher als der Genesung. Nun aber stellte ein Gutachter fest, dass der Mann, der in einem Pflegeheim lebt, zumindest stundenweise vor Gericht erscheinen könne.

„Wir müssen ein Urteil fällen, um einen Schlussstrich unter dieses schreckliche Verbrechen zu ziehen“, sagte Caspar. „Durch diese schreckliche Tat wurde eine Mutter von vier Kindern in ihren besten Jahren aus dem Leben gerissen.“

Der Mann hätte seine Frau einfach verlassen können. „Aber Trennungsgedanken wurden immer wieder verworfen“, stellte Caspar fest. „Wohl auch wegen der vier Kinder.“ Die hielten sich in der Tatnacht im ersten Stock des gemeinsamen Einfamilienhauses auf. Wegen des Geschreis lief eine der Töchter, damals acht Jahre alt, ins Wohnzimmer. Und holte gleich ihre ältere Schwester zu Hilfe. Die 15-Jährige hielt den Kopf der sterbenden Mutter und rief ihrem Vater zu: „Egal, was passiert, ich halte zu dir.“ Das tut sie auch heute noch, begleitete ihren Vater an jedem der insgesamt fünf Verhandlungstage ins Nürnberger Landgericht.

Oberstaatsanwalt Strohmeier hatte sogar acht Jahre Haft gefordert. „Wir dürfen die Folgen der Tat nicht vergessen“, sagte er in seinem Abschlussplädoyer. „Papa bringt Mama um, das ist ein unfassbares Geschehen. Was das für die Entwicklung der Kinder bedeutet, kann man sich nicht vorstellen.“

Richter Caspar ließ keinen Zweifel am Sinn des Verfahrens, auch wenn der Täter heute ein gebrechlicher Mensch sei, der den Anschein erwecke, als könne er dem Gerichtsverfahren kaum folgen. „Er ist voll verhandlungsfähig“, sagte Caspar. „Der Angeklagte hat die Fragen verstanden und angemessen geantwortet.“

Robert Reitzenstein, der Anwalt des Angeklagten, hatte hingegen die Einstellung beantragt. „Ich habe meine Zweifel, dass mein Mandant dem Verfahren folgen konnte.“ Er sei immer wieder eingenickt und mit seinen Gedanken abgedriftet. „Er ist in Wolkenkuckucksheim.“

Er sei außerdem nicht nur „böser Täter“, sondern auch Opfer. Nicht Opfer seiner Frau, sondern seiner Erkrankung, betonte Reitzenstein. An diesem Abend sei ein verhängnisvoller Mix aus Hirnschädigung, Alkohol, Medikamenten und Affekt zusammengekommen. „Er hat sich zur Tat hinreißen lassen.“

Nach dem Urteil kehrte der Mann wieder in sein Pflegeheim zurück. „Ob er das jemals in Richtung JVA verlassen wird, steht völlig in den Sternen“, erklärte Strohmeier. Richter Caspar fügte hinzu: „Ob er haftfähig ist, müssen andere prüfen.“