Hilpoltstein
"Hilpoltstein bietet spannende Geschichten"

Kreisheimatpflegerin Annett Haberlah-Pohl kümmert sich um die Akten in Hilpoltstein - Burgfest zum Berufsstart

23.10.2017 | Stand 02.12.2020, 17:19 Uhr
Dreh- und Angelpunkt Burgfest: Mit ihm fing für Annett Haberlah-Pohl vor über 20 Jahren alles an, zuletzt hat sie für die große Rathausausstellung wieder alte Burgfestbilder ausgegraben, wie dieses von 1974. −Foto: Kofer

Hilpoltstein (HK) Eigentlich ist Annett Haberlah-Pohl eher durch Zufall in Hilpoltstein gelandet. Vor über 20 Jahren begann sie eine Ausbildung als Rechtsanwaltsgehilfin, jetzt ist die promovierte Historikerin die erste hauptamtliche Archivarin der Stadt. "Hilpoltstein bietet spannende Geschichten", sagt sie.

Ihr Arbeitsplatz bietet beste Aussichten. Vom obersten Stock des Rathauses aus blickt Haberlah-Pohl auf den Zwinger, die Residenz und die Stadtpfarrkirche. In den langen Gängen lagern schier endlose Reihen von Ordnern mit Plänen, Schriftstücken und Dokumenten. In sechs Registraturordnern ist der ganze Schatz aufgelistet. "Alles ist gut strukturiert", sagt Haberlah-Pohl und lobt ihre Vorgänger Friedrich Trümper und Angelika Demel. "Ich musste mich nur einarbeiten."

An ihren Start in Hilpoltstein kann sich Annett Haberlah noch sehr gut erinnern. Es war der 1. August 1996, ein Freitag. Genauer gesagt: Burgfestfreitag. "Mein erster Eindruck war Burgfest", sagt Haberlah-Pohl. Ein guter Eindruck für die junge Abiturientin aus Bautzen. "Am Montag hatte ich gleich frei. Ich musste nur Plätze im Bierzelt reservieren." Geistig nicht übertrieben anspruchsvoll, aber es war eine Ausbildung bei einem Rechtsanwalt. So etwas gab es damals in Bautzen nicht. "Da saßen welche mit einem Einser-Abi bei Marktkauf an der Kasse." Die Arbeitslosigkeit lag bei über 20 Prozent. "Die meisten sind gegangen", sagt Haberlah-Pohl.

"Spannend ist die Zeit, als Hilpoltstein Behördenstadt wurde."

Annett Haberlah-Pohl

 

Die Arbeit bei einem Anwalt erwies sich allerdings auch nicht als wahre Berufung. "Es hat mich nicht so erfüllt, dass ich das ein Leben lang machen wollte." Also suchte sich die junge Frau neue Herausforderungen. Nebenbei schrieb sie Artikel für den Hilpoltsteiner Kurier, später machte sie dort ein Praktikum. "Eigentlich wollte ich Journalismus in Eichstätt studieren", erzählt sie heute. Aber alle Kollegen hätten abgeraten. Haberlah-Pohl schwenke auf Geschichte und Politische Wissenschaften in Erlangen um. Wohl die richtige Entscheidung. "Da habe ich meine Leidenschaft für Quellen entdeckt. Dann habe ich mich relativ bald für den Beruf des Archivars entschieden." Sie arbeitete als studentische Hilfskraft, arbeitete im Staatsarchiv in Nürnberg, wo die berühmte Goldene Bulle von 1349 lagert. Eine Art Grundgesetz des Heiligen Römischen Reiches unter Kaiser Karl IV. Für ihre Doktorarbeit dokumentierte sie die Entwicklung des oberfränkischen Landkreises Münchberg von der ersten Erwähnung bis zur Gebietsreform. Das war Teil eines bayernweiten Projekts. "Mir hat gefallen, dass man im Unterschied zum Journalismus so detailliert forschen kann."

Als 2010 ihr erster Sohn auf die Welt kam, wollte Annett Haberlah-Pohl nicht mehr nach Nürnberg pendeln. Sie suchte eine Stelle, die näher an ihrem Wohnort Eckersmühlen lag. Da traf es sich gut, dass Allersberg gerade eine Archivarin suchte. Die Marktgemeinde renovierte gerade das Rathaus und schaffte alle Akten und Dokumente rüber ins leere Gilardihaus. Nicht alles war geordnet. "Manchmal war es abenteuerlich", sagt Haberlah-Pohl. "Ich war die Einzige, die im leeren Gilardihaus gearbeitet hat." Annett Haberlah-Pohl stürzte sich in die Arbeit. Als Erstes entdeckte sie in den Akten einen Allersberger Heimatverein, den "Auswanderer" nach Nürnberg 1927 gegründet hatten und der erst 1980 aufgelöst wurde. "Die haben regelmäßige Fahrten nach Allersberg organisiert", sagt die Stadtarchivarin und lacht. Aber sie stieß auch auf ernste Themen. Zum Jubiläum des alten Bahnhofs hat die Historikerin Vorträge über Heimatvertriebene nach dem Zweiten Weltkrieg gehalten. Sie kamen ebenso mit dem Zug nach Allersberg wie die ersten türkischen Gastarbeiter in den 1970er Jahren. Auch dazu hat Haberlah-Pohl einen Vortrag erarbeitet. "Es macht mir Spaß, zu präsentieren. Ich möchte nicht im Archiv verstauben."

Die Gefahr besteht nicht. Denn seit 2013 ist die inzwischen zweifache Mutter auch Kreisheimatpflegerin - ehreamtlich. Und seit 2016 arbeitet sie zwei Tage pro Woche in Hilpoltstein als erste hauptamtliche Archivarin. "Manchmal ist es schwierig, dass ich keine Persönlichkeitsstörung bekomme", sagt sie und lacht. "Aber es ist sehr abwechslungsreich." Und die Themen ergänzen sich manchmal perfekt. Erst vergangene Woche hat Haberlah-Pohl als Kreisheimatpflegerin in Neuburg einen Vortrag über Reformation und Gegenreformation in den Ämtern Allersberg, Hilpoltstein und Heideck gehalten. Und bei ihrem ersten Hilpoltsteiner Projekt, die Ausstellung 600 Jahre Rathaus - ist die Stadtarchivarin gleich auf viele neue Themen gestoßen, die bislang nicht so im Rampenlicht der Stadt standen. Zum Beispiel die Rolle Hilpoltsteins als wichtiger Handelspunkt im 16. Jahrhundert. Eine Tagesreise von Nürnberg entfernt, machten hier viele Kaufleute auf dem Weg nach Innsbruck oder Salzburg Station.

"Spannend ist auch die Zeit, als Hilpoltstein Behördenstadt wurde", sagt Haberlah-Pohl. Aus dieser Zeit stammt eine große Lithographie des Märchenkönigs Ludwig II., der 1880 diese große bayerische Strukturreform durchgesetzt hat. Das gerahmte Bild, das zu Ehren des großzügigen Landesherren im Sitzungssaal hing, steht jetzt im Archiv. Denn plötzlich gab es ein Bezirkskrankenhaus, eine Bezirksgendarmerie, ein Notariat, ein Bezirksgericht, eine Bezirkssparkasse und ein Bezirksfinanzamt. Die Verwaltung in Hilpoltstein war für 84 Gemeinden zuständig. Nur ein Burgfest gab es damals noch nicht.