Hilpoltstein
Berufe zum Anfassen

Zweitägiger Parcours für 800 Jugendliche weckt schlummernde Talente

24.10.2016 | Stand 02.12.2020, 19:08 Uhr

In die Rolle angehender Chemielaboranten schlüpfen diese jungen Schülerinnen für kurze Zeit.

Hilpoltstein/Roth (HK) Ausprobieren, entdecken, mit Händen begreifen: Der Berufsparcours in Roth bot 800 Schülerinnen und Schülern aus der Region die Gelegenheit, zwei Tage lang ganz praktisch ihre Talente zu entdecken und in die Berufswelt zu schnuppern.

Als Schauplatz haben die Organisatoren die Turnhalle der Anton-Seitz-Schule in Roth ausgewählt, weil sie schön zentral liegt. Denn die Siebt- und Achtklässler reisen mit Bussen aus dem gesamten Schulamtsbezirk an, um gestern und auch heute herauszufinden, welcher Beruf ihnen gefallen könnte. Dafür haben mehr als 20 Firmen und Innungen Utensilien mitgebracht, um in Minipraktika die jungen Leute herausfinden zu lassen, welche Talente in ihnen schlummern.

Die 14-jährige Laura Arlt hat sich einen grauen Kittel übergezogen und ihre Augen hinter einer Schutzbrille aus Plastik verborgen. Unter Aufsicht darf sie einen kleinen Versuch starten, die sogenannte Flammenfärbung, eine Methode zur Analyse von chemischen Elementen. So kriegt sie eine Ahnung davon, was angehende Chemielaboranten im Berufsleben erwartet. Ob das was für sie ist, kann sie allerdings noch nicht beantworten. "Eher etwas in der Pflege", überlegt sie.

Das herauszufinden, hat sie ebenfalls Gelegenheit, denn auch die Arbeiterwohlfahrt ist beim Berufsparcours vertreten. "Wir wollen den jungen Leuten die wunderbare Welt der Altenpflege näherbringen", erklärt Frank W. Krebel vom Kompetenzzentrum der Arbeiterwohlfahrt in Hilpoltstein. Dabei stehe auch den Mittelschülern der Karriereweg offen, betont Krebel. "Wir brauchen Leute, die sehr gerne mit Menschen arbeiten, da ist der Schulabschluss zweitrangig." Eine gute Möglichkeit, sich in seinem Wunschberuf zu testen, sind Schnupperpraktika, die viele Betriebe anbieten, so auch die Arbeiterwohlfahrt. "Anrufen oder eine Mail schicken und einen Termin vereinbaren", bietet Krebel an. "Schnupperpraktikanten sind immer gerne gesehen."

Dass sich Schüler und Betriebe an diesen beiden Tagen zwanglos näher kommen, ist das erklärte Ziel der Macher des Berufsparcours, den sich die Diplompädagogin Karin Ressel vom Technikzentrum in Minden ausgedacht hat. Für ihr bahnbrechendes Konzept hat sie sogar das Bundesverdienstkreuz am Bande erhalten. "Wir haben einen Weg gesucht, wie Kinder Berufe anfassen können, ohne in den Betrieb gehen zu müssen." Deshalb bringen die Vertreter der Firmen und Innungen viel Anschauungsmaterial mit in die Turnhalle. Während die Schüler Nägel in einen Baumstamm hämmern, Holz absägen, Medikamente in Döschen sortieren und Schrauben drehen, haben die künftigen Arbeitgeber die Gelegenheit, die Jugendlichen näher kennenzulernen. Und das in nur zehn Minuten. "Beide Seiten profitieren davon", unterstreicht Karin Ressel. "Die Kinder wissen, was sich hinter einem Beruf verbirgt und die Arbeitgeber sehen ihre potenziellen Bewerber." Für Karin Ressel liegt der Vorteil auf der Hand. Je gezielter Jugendliche in die Ausbildung gingen, desto geringer sei die Abbrecherquote.

"Es gibt zwar genügend Lehrstellen, aber wir wollen die Kinder in den Beruf bringen, der zu ihnen passt", erklärt Angela Novotny ihr Engagement. Sie ist Vorstandsvorsitzende der Hermann-Gutmann-Stiftung, die den Parcours genauso unterstützt wie die Arbeitsagentur und die staatlichen Schulämter. "Hier schreibt ihnen keiner etwas vor, sie können nach Lust und Laune ausprobieren und vielleicht sogar gleich ein Praktikum vereinbaren", unterstreicht Novotny. Und genau das sei der Unterschied zu herkömmlichen Berufsmessen: Hier stünden Flyer, Prospekte und Gespräche im Mittelpunkt, weniger der praktische Aspekt.

Wie gut das den Jugendlichen gefällt, lässt sich schnell erkennen. Geduldig sitzen drei Mädchen am Tisch der Malerinnung und malen Schablonen aus, wie sie Maler für die Verzierung von Wänden mit Bordüren verwenden. Die Werbetrommel rührt hier Denise Kriesche, die schon das dritte Lehrjahr erreicht hat. "Ich will weitergeben, wie schön der Beruf ist. Ich mache jeden Tag etwas anderes und lerne ständig dazu", erzählt die junge Malerin.

Am Stand von Regens Wagner setzt ein Junge eine Simulationsbrille auf und schnappt sich einen Langstock, wie ihn Blinde und stark Sehbehinderte zur Orientierung brauchen. Ein zweiter begleitet ihn bei einem Gang durch die Turnhalle. Vorgestellt wird hier der Beruf des Heilerziehungspflegers, der für die pädagogische, lebenspraktische und pflegerische Unterstützung und Betreuung von Menschen mit Behinderung zuständig ist. Viele junge Leute könnten sich darunter gar nichts vorstellen, wie Stefan Schuller vom Fachdienst für Ausbildung von Regens Wagner weiß.

"Das ist eine tolle Sache, dass die Jugendlichen das so praxisnah erleben", lobt auch Werner Reindl, der stellvertretende Schulleiter der Anton-Seitz-Schule, der gleich am Montagmorgen einen kleinen Rundgang macht. "Unsere Schüler kommen sehr gerne hierher", bestätigt er.