Georgensgmünd
"Es ist katastrophal, was sich da abspielt"

Vogelgrippe dominiert bayerisches Geflügelzüchterforum in Georgensgmünd Die Nerven liegen blank

06.03.2017 | Stand 02.12.2020, 18:33 Uhr

"Wir kämpfen weiter!" Mit geballter Faust unterstreicht BDRG-Präsident Christoph Günzel seinen Protest gegen die anhaltende Stallpflicht. - Foto: Leykamm

Georgensgmünd (HK) Die Vogelgrippe war der Grund, dass der Verband Bayerischer Rassegeflügelzüchter sein viertes Züchterforum kurzerhand von Triesdorf nach Georgensgmünd verlegt hatte. Und sie bildete auch das dominierende Thema der Veranstaltung in der dortigen Geflügelhalle. Vor allem die nun schon fast viermonatige Stallpflicht in Bayern ließ die Nerven blankliegen.

Gemessen daran, dass sich auf engem Raum über 400 Besucher aus dem ganzen Freistaat an den Tischen drängten, begann alles in relativ ruhiger Atmosphäre. Georgensgmünds Bürgermeister Ben Schwarz zeigte sich begeistert, was der gastgebende Zuchtverein seiner Gemeinde "hier auf die Beine gestellt hat." Er kam mit seiner zweijährigen Tochter Nele, die sich immer über das emsige Treiben der Hennen des Nachbarn erfreue.

Derzeit aber herrscht landesweit Ruhe im Freistaat, zumindest ist kaum Gegacker im Freien zu vernehmen. Die Vogelgrippe hatte Umweltministerin Ulrike Scharf im November vergangenen Jahres dazu veranlasst, landesweit die Stallpflicht anzuordnen, die immer noch nicht aufgehoben ist. Sie gilt derzeit in 13 Bundesländern, so auch in Sachsen, wo der Präsident des BDRG (Bund Deutscher Rassegeflügelzüchter) zu Hause ist. In Georgensgmünd bezog Christoph Günzel Stellung. Er halte es für "katastrophal, was sich da gerade abspielt, ein ganz trauriges Kapitel". Seine Forderung ist, bei Ausnahmegenehmigungen wesentlicher kulanter sein. "Wir rennen gegen Wände, aber wir kämpfen weiter", sagte er und erntete dafür großen Beifall.

Dann trat auch schon ein Vertreter der Gescholtenen vor das Mikrofon: Norbert Rehm, der Tierseuchenexperte beim Bayerischen Umwelt- und Verbraucherschutzministerium. Er erklärte, dass neuerdings auch in Tschechien die Vogelgrippeviren "eine hohe Dynamik" entwickelten - und dort gebe es keine Stallpflicht. 47 Vogelarten seien von den Erregern betroffen, verdeutlichte er. 100 Fälle von infizierten Wildvögeln seien in Bayern schon verzeichnet worden, kein Regierungsbezirk sei hier unbehelligt geblieben. Der Landkreis Roth zwar schon, aber die Gefahr lauere hier vor der Haustür.

Bei den zu ergreifenden Maßnahmen sei man laut Rehm gehalten, sich an den Empfehlungen des Friedrich-Löffler-Instituts (FLI) zu orientieren, das er als "unabhängige Behörde" bezeichnete - was ihm prompt höhnisches Gelächter und Protestrufe einbrachte. Es war nicht das einzige Mal - allerdings gab es auch einmal Beifall. Dann nämlich, als er auf die Eier aus Freilandhaltung zu sprechen kam. Falls wie derzeit eine Stallpflicht die betroffenen Hühner nach innen zwingt, dürfen laut EU deren Eier dennoch als Freilandeier verkauft werden - maximal aber zwölf Wochen lang. Dann müssten sie als Bodenhaltungseier deklariert werden. In Baden Württemberg habe das dazu geführt, dass man nach dieser Zeitspanne die Stallpflicht beendet und tags darauf etwas modifiziert wieder eingeführt habe - damit begannen die Wochen neu zu zählen. "Das ist Verbrauchertäuschung", betonte Rehm.

Dass man sich auch bei der Verbreitungsform der Vogelgrippeviren täuschen könnte, machte der BDRG-Tierschutzbeauftragte Franz Nuber deutlich. Laut ihm wolle sogar das FLI nun von der Theorie Abstand nehmen, die eine Ausbreitung über Zugvögel für wahrscheinlich hält. Diese Annahme sei "totaler Mumpitz", denn die Infektionswelle habe sich in Windeseile von Zentralasien nach Europa ausgeweitet, schneller als ein Vogel fliegen könne. "Ich kenne nur einen Zugvogel, der so schnell ist - ein Verkehrsflugzeug", deutete er seine Vermutung an.

Vielleicht müsse man laut Nuber ja nicht die Hausgeflügel vor den Wildvögeln als Virenträger schützen, sondern beiderlei Federvieh von den Großhaltungen, die besser kontrolliert werden sollten. Denn dort gebe es enormen Mutationsdruck bei den Erregern, die dann in hochpathogener Form immer wieder für Todesfälle sorge. Die toten Tiere würden schließlich "durch ihre Kameraden in die Einstreu eingearbeitet" und dann als Dünger auf den Äckern landen - wo sich wiederum die Wildvögel über die Kadaver hermachen würden.

Im Laufe der Diskussion gerieten eben jene Großanlagen immer stärker in die Kritik. Die Hennen hätten dort "weniger Platz als Schwerverbrecher in den Gefängnissen", protestierte eine Besucherin lautstark. Sie blieb gleich im Bild und forderte gar die Inhaftierung von Behördenvertretern, die mit den derzeitigen Maßnahmen Kleinbetrieben und Vereinen ihrer Perspektiven beraubten.

Leider könne man mit dem Beifall, der hier sehr stark aufbrandete, die Vogelgrippe nicht bekämpfen, entgegnete Rehm lakonisch. Er wolle aber die Züchter weder schikanieren noch quälen. "Doch, genau deswegen sind Sie hier", schallte es von einem erbosten Besucher zurück. Das anstehende Mittagessen verhinderte eine weitere Eskalation.

Verständnis für die blank liegenden Nerven zeigte der BDRG-Bezirksvorsitzende Constantin Günther aus Rohr. "Keiner von uns will seine Tiere leiden sehen", betonte er im Gespräch mit unserer Zeitung. Durch die Stallpflicht seien aber vielfach die Existenzen von Freilandhaltern bedroht. Es bleibe wieder einmal nur die Hoffnung auf das Wetter. Denn Wärme und Sonnenlicht vertragen die Grippeviren überhaupt nicht. Bei entsprechendem Frühlingserwachen könnte die Stallpflicht Mitte April aufgehoben oder gelockert werden, so Nuber.