Ebenried
Angst vor der Abschiebung

Junger afghanischer Flüchtling gut in Ebenrieder Familie integriert Ablehnender Bescheid statt Ausbildung

10.05.2017 | Stand 02.12.2020, 18:09 Uhr

Kümmern sich liebevoll um ihren afghanischen Pflegesohn Muhammad: Thomas und Inge Schröder aus Ebenried. Nun zittern alle vor einer Abschiebung des jungen Mannes. - Foto: Meyer

Ebenried (HK) In Ebenried hat ein junger afghanischer Flüchtling eine Heimat gefunden. Sogar einen Ausbildungsplatz hat er in Aussicht. Jetzt droht die Abschiebung.

Muhammad Bagher Jafari (18) könnte glücklich sein. Von der Flüchtlingsunterkunft in Ebenried durfte er zu den Schröders umziehen - einer netten Familie mit Bauernhaus. Seine Praktikumszeugnisse bescheinigen ihm ausgezeichnete Noten und eine hervorragende Arbeitshaltung. Deutsch spricht er fast fließend.

Fleiß und Talent haben dem jungen Afghanen nun sogar eine Zusage der Maschinenbauschule in Ansbach eingebracht: "Eine Ausbildung wäre mein größter Wunsch", sagt Muhammad. Jetzt könnte er richtig durchstarten. Wäre da nicht der Brief, der seine Welt zusammenbrechen ließ: Am 9. März flatterte ihm ein Ablehnungsbescheid ins Haus.

Seine deutsche Familie aus Ebenried befindet sich in heller Aufruhr. Ihr Pflegekind, das sie mit zwei weiteren afghanischen Jungs in ihrer Mitte aufgenommen haben, soll nach Afghanistan abgeschoben werden. In ein Land, das Muhammad nie gesehen hat. Denn geboren und aufgewachsen ist er im Iran, dorthin waren seine Eltern bereits vor Jahrzehnten geflohen.

Afghanistan hält seine deutsche Pflegemutter Inge Schröder für alles andere als sicher. "Die Lage dort hat sich eher verschlechtert." Zudem gehöre Muhammad zur ethnischen Gruppe der Hazara, die in Afghanistan unter starker Verfolgung leide.

"Wenn eine Ablehnung vorliegt, hat die Ausreise Vorrang", sagt hingegen Julian Seitz, stellvertretender Leiter der Ausländerbehörde am Landratsamt Roth. "Und wenn sie möglich ist, also keine Gründe wie Krankheit oder ein fehlender Pass dagegen sprechen, muss man sie leider durchziehen."

Muhammads Geschichte ist kompliziert, davon zeugen allein zwei Aktenordner, die Inge Schröder vor sich auf dem Küchentisch liegen hat. Darin finden sich fein säuberlich abgeheftet Informationen der Organisation "Pro Asyl", die Korrespondenz mit Behörden und Anwälten, Informationen zur Sicherheitslage in Afghanistan und Hinweise für Pflegeeltern unter der Überschrift: "Was auf Sie zukommt". Die Schröders hatten wohl mit viel gerechnet, als sie sich anboten, drei junge Flüchtlinge aufzunehmen. Aber kaum mit so vielen Papierbergen und der Angst vor der unmittelbaren Abschiebung, mit der nicht nur der junge Mann, sondern die ganze Familie konfrontiert ist. "Wir dachten, wir helfen und dann funktioniert das schon", stellt Inge Schröder ernüchtert fest.

Am 17. März reichten sie und ihr Mann Thomas über eine Anwältin Klage gegen die Abschiebung ein: in der Hoffnung darauf, dass Muhammad wenigstens seine Ausbildung machen kann, genauso wie die beiden anderen afghanischen Pflegesöhne. "Aber jetzt müssen wir alle zittern, es gibt einfach so viele Unabwägbarkeiten", sagt Inge Schröder.

Ruhig bleiben will die Ebenriederin aber nicht. Sie hat sie sich an die Presse gewandt, um Muhammads Schicksal öffentlich zu machen. "Ich will die Leute einfach wachrütteln", sagt sie. "Leise sein bringt nichts." Denn Mohammad sei beileibe kein Einzelfall.

Seit Herbst 2016 habe sich in der Bundesrepublik eine neue Abschiebepraxis für Afghanen durchgesetzt. Vor allem alleinstehende Männer will die Bundesregierung in ihr Heimatland zurückschicken. "Seitdem haben die zentralen Ausländerbehörden die Anweisung, dass Afghanen keine Ausbildungsduldung mehr erteilt werden darf", berichtet Inge Schröder.

"Jetzt schweben wir in der Luft" - ein Zustand, der sehr demotivierend sei. Und nicht nur das: "Wir können gar nicht mehr schlafen vor Angst." Die drohende Abschiebung hänge wie ein Damoklesschwert über ihnen. Die Schröders können die Haltung der Bundesregierung nicht nachvollziehen. Das Asylrecht mache natürlich Sinn, man könne nicht alle Flüchtlinge ins Land holen. "Aber Muhammad ist jetzt da", sei gut integriert und man müsse nun alles daran setzen, das Beste daraus zu machen.

In der Luft hängt auch Jürgen Efinger, Leiter der Maschinenbauschule Ansbach. "Solange die Rechtslage so unsicher ist, wissen wir gar nicht, was uns zu Schulbeginn im September erwartet", erklärt Efinger. "Wenn wir einen Flüchtling aufnehmen können, dann tun wir das. Aber wir brauchen natürlich auch die Sicherheit, dass er für eine bestimmte Zeit dableiben darf."

Erst im April habe Bundeskanzlerin Merkel Ehrenamtliche aus dem Bezirk ausgezeichnet, die sich um jugendliche Flüchtlinge kümmern, erzählt Schröder. Einem von ihnen hatte die Ebenriederin einen Brief für Merkel mitgegeben. "Wir sind die Familie mit den drei afghanischen Jungs", schreibt Inge Schröder. "Als ich Kind war, war es für mich selbstverständlich, in Sicherheit aufzuwachsen." Auch ihre eigenen drei Kinder hätten nie Angst vor Hunger oder Verfolgung haben müssen. Das alles sehe sie heute nicht mehr als Selbstverständlichkeit. Es sei eher Glück oder Zufall, in einem ebenso freien wie reichen Land geboren worden zu sein. "Und es ist auch eine Verantwortung."

Die drei afghanischen Pflegekinder hätten nicht nur einen Platz in ihrem Haus gefunden, schreibt Schröder: "Sie fanden auch einen Platz in unserem Herzen. Hier steht eine Pflegemutter, die nicht weiß, was sie ihrem Sohn sagen soll, wenn er fragt, was nun mit ihm passiert."