Lauf
Klatsche für die Große Koalition

SPD-Kandidat Horlamus spricht sich für Oppositionsrolle aus – Jamaika als einzige Alternative

25.09.2017 | Stand 02.12.2020, 17:27 Uhr
Enttäuscht und entsetzt sind SPD-Kandidat Alexander Horlamus und die Genossinnen und Genossen in Lauf bei Anblick der Wahlergebnisse. „Wir brauchen jetzt eine starke Opposition und auf keinen Fall eine Große Koalition“, sagt der 33-jährige Anwalt. ?Foto: Kofer −Foto: Kofer

Lauf/Hilpoltstein (HK) In Lauf herrscht Volksfeststimmung: Tag der offenen Tür, Brunnenfest, Kirchweih. Die Straßen sind voll, die Stimmung fröhlich. Nur im Wirtshaus „Zum ehemaligen Pfarrer“ in der Höllgasse ist die Laune im Keller. Es ist die Wahlparty des SPD-Kandidaten Alexander Horlamus.

Der Direktkandidat der Sozialdemokraten für den Landkreis Roth-Nürnberger Land ist schon um 17.30 Uhr hier. „Telefonkonferenz mit dem Landesvorstand“, sagt er und entschuldigt sich gleich wieder. Lange telefoniert der 33-jährige Anwalt aus Lauf nicht mit seinen Kollegen. Nach fünf Minuten ist er zurück, etwas blass um die Nase, in der Hand einen Zettel. „Alex ist möglich“ steht drauf und die ersten Prognosen: CDU 36 Prozent, SPD 21, FDP 10, AfD 14. „Wenn die CDU wirklich 36 Prozent kriegt, reicht es für Schwarz-Gelb“, sagt Horlamus. Jamaika wäre ihm lieber. „Dann würden manche Grüne in vier Jahren vielleicht wieder SPD wählen.“ Seine Frau Heidrun seufzt: „Trinken wir.“

Ein junger Genosse überreicht eine Flasche Wein, „in weiser Voraussicht“, wie er sagt. Eine ältere Genossin schenkt Horlamus eine Orange und eine rote Cita-Slow-Schnecke. Kein Symbol für das Wahlergebnis der SPD, sondern ein Schäler für die Orange. „Du hast deinen Kopf für uns hingehalten“, lobt sie ihren Kandidaten, trotz des historischen SPD-Desasters. Horlamus übt sich in Galgenhumor: „Wir sind im Bundestag.“ 

Als Manuela Schwesig, Ministerpräsidentin von  Mecklenburg-Vorpommern, kurz nach 18 Uhr ein Fernsehinterview gibt, klatschen die Genossen im ehemaligen Pfarrer, das erste und einzige Mal an diesem Abend. Man müsse den klaren Oppositionsauftrag annehmen, sagt Schwesig. Der Meinung ist man in Lauf auch. „Die AfD wird nicht stärkste Oppositionspartei werden“, sagt Horlamus und bekräftigt seinen Standpunkt, den er schon vor Wochen geäußert hat: „Auf gar keinen Fall eine Große Koalition.“ Dass auch der SPD-Bundesvorstand das jetzt so sieht, freut Horlamus. „Die haben sich meinen Rat zu Herzen genommen“, scherzt er. 

Über seine persönliche Situation hat sich der Strafverteidiger noch keine Gedanken gemacht. Nur so viel: „Ich bin nicht mehr Kandidat.“ Für sich selbst wünscht er sich „ein besseres Ergebnis“ als seine Partei, die bayernweit abgeschlagen bei rund 15 Prozent landet. Zumindest das gelingt ihm: Er holt 18,01 Prozent der Erststimmen im Landkreis Roth, etwas mehr als seine Partei (17,33). Im Landkreis Nürnberger Land sind es 22,48 Prozent. Immerhin.

Feierlaune herrscht dagegen in Feucht, wo sich die Liberalen treffen. „Wir feiern, dass wir wieder auferstanden sind“, sagt Andreas Neuner, FDP-Direktkandidat aus Rückersdorf. Vor zwei Jahren sei man bei den Wahlergebnissen noch unter „Sonstige“ aufgeführt worden „und jetzt können wir wieder mitreden“. Nachdem die SPD dankend abgewunken habe, sei ja rein rechnerisch nur noch noch eine Jamaika-Koalition mit CDU/CSU, FDP und Grünen übrig. „Das werden harte Verhandlungen werden“, schwant Neuner. Dabei werde es seiner Ansicht nach leichter, sich mit den Grünen auseinanderzusetzen als mit der Union. Das würden zwar härtere Diskussionen, sagt Neuner, aber die Grünen hätten wenigstens Ideen und Positionen, über die man verhandeln könne.

Bei den Bürgerrechten sei es sogar relativ einfach, sich mit den Grünen zu verständigen, „bei der Wirtschaftspolitik wird’s dann schon schwieriger“. Aber immer noch besser als Merkel, die sei wachsweich. „Es wird schwierig, zu wissen, was die Union will“, sagt Neuner, der sich selbst als „merkelmüde“ bezeichnet und vor einem „Weiterwursteln“ warnt. Damit habe Merkel die AfD stark gemacht. Sie habe bereits vor Jahren die SPD kannibalisiert. „Die Union hat rechts viel Platz gelassen“, sagt Neuner. Zu viel. Doch mit einer klaren Regierungspolitik sei die AfD „auch schnell wieder wegzukriegen“. Wie die Piraten oder die Schill-Partei, glaubt Neuner. 

Siegfried Lang, Direktkandidat der AfD ist naturgemäß anderer Ansicht. „Die Bürger sind unzufrieden. Und sie sehen, dass wir die Bürger wieder vertreten.“ Man sei wohl mit 88 Kollegen im nächsten Bundestag vertreten, „da darf sich die Regierung warm anziehen“, warnt Lang. Vor allem die vermeintlichen Rechtsbrüche bei der Flüchtlingsabschiebung und der seiner Ansicht nach illegalen Eurorettung „werden wir anprangern“. Und was die EU angeht, würde Lang lieber einen „Schritt zurück machen“ zur EWG, der alten Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft. „Denn der Euro treibt die Staaten auseinander.“ 

Die Kandidatin der Grünen im Wahlkreis, Gabriele Drechsler, hat 7,85 Prozent der Erststimmen gewonnen. „Ein gutes Ergebnis“, findet sie, „mein Wahlkampf ist belohnt worden.“ Das Gefühl an diesem Abend sei gut, sie freue sich, dass die Gespräche mit den Menschen am Ende doch einige überzeugt hätten – „das macht mich glücklich“. Auch im Bund haben die Grünen zugelegt, besorgt sei sie allerdings über das Ergebnis der AfD. „Das wird schwierig, mit dieser Partei umzugehen, die nur Ängste schüren will und keine Perspektiven anbietet.“

Drechsler kann den Erfolg der Partei nicht verstehen: „Ängste entstehen nur, wenn man mit den Menschen keinen Kontakt hat. Denn sonst entsteht zum Wort Flüchtlinge ein Gesicht.“ Dass die SPD angekündigt hat, in die Opposition zu gehen, findet sie gut, denn das nehme der AfD „etwas Kraft“. In den wahrscheinlich anstehenden Verhandlungen zu einer Jamaika-Koalition sieht sie einige Themen, die nicht verhandelbar sind. Persönlich sind das für sie eine Obergrenze für Flüchtlinge. Beim Thema Mobilität hätte sie eh beobachtet, dass „die CSU schon eingeknickt ist, und nach Lösungen für die Elektromobilität sucht.“ „Das werden harte Verhandlungen.“ Doch die Tatsache, dass ihre Partei wahrscheinlich an der Regierungsbildung beteiligt sein wird, macht sie froh: „Die Stimmung ist gut.“

Helmut Johach (Linke) ist mit dem Ergebnis seiner Partei zufrieden. „Für Bayern haben wir uns vorgenommen, über fünf Prozent zu kommen. Das haben wir geschafft.“ Im Bund sieht er das Ergebnis zwar auch mit Wohlwollen, doch „wir hätten uns nicht gewünscht, dass die AfD so stark ist“. Seine Partei werde in den nächsten vier Jahren eine „kräftige Opposition“ bilden, „schließlich schielt die Union auch nach rechts“. Eine Jamaika-Regierung sieht er skeptisch: „Da wird im Bereich Soziales wenig passieren. Denn die FDP macht – zum Beispiel bei Steuersenkungen – eine Politik für Reiche.“