Wilhelm
Mit Souveränität und Weitsicht

Bischof Wilhelm von Reichenau (1464 1496) war fest zur Reform des Bistums Eichstätt entschlossen

18.08.2017 | Stand 02.12.2020, 17:38 Uhr

Im Willibaldschor des Eichstätter Doms erinnert ein prächtiges aus Salzburger Rotmarmor gearbeitetes Epitaph an Bischof Wilhelm von Reichenau. Gearbeitet hat die Kreuzigung Christi der Augsburger Hans Peuerlin. Links im Vordergrund kniet der Bischof im Pluviale, sein Namenspatron Wilhelm der Eremit steht fürsprechend hinter ihm. - Foto: Schneider

Eichstätt (EK) Nach Johann von Eych war Wilhelm von Reichenau der zweite humanistisch gebildete Eichstätter Bischof. Er regierte von 1464 bis 1496 und machte lange vor der Reformation die Kirchenreform in einer Zeit des Umbruchs zu seinem Anliegen.

Wilhelm stammte aus einem fränkischen Rittergeschlecht mit dem Stammsitz Reichenau bei Herrieden, das aber ab etwa 1375 in Burggriesbach saß. Dort wurde er wohl 1429 oder 1430 geboren, seine Schwester Ursula war Äbtissin von Sankt Walburg. Gut ausgestattet mit einer Domherrnpfründe wurde Wilhelm 1445 an der Universität Erfurt immatrikuliert, wechselte nach Wien und studierte in Padua. Die venezianische Universität dort war besonders für kanonisches Recht bekannt. Hier war Reichenau Teil eines humanistisch gesinnten Netzwerks. 1459 kehrte er als Doktor des kanonischen Rechts nach Eichstätt zurück und wurde Generalvikar und Dompropst.

Nach Johann von Eychs Tod wählte ihn das Domkapitel am 16. Januar 1464 einstimmig zum Bischof, was ganz im Sinne seines Vorgängers war und dessen vom Basler Konzil geprägte Maßnahmen zur Kirchenreform es weiterzuführen galt. Reichenau wurde zum Priester und Bischof geweiht. Er starb am 19. November 1496 im Schloss Obermässing und wurde im Willibaldschor des Domes beigesetzt.

Die Landesherrschaft im Hochstift Eichstätt war immer beeinflusst vom Verhältnis zu den direkten Nachbarn, der Markgrafschaft Ansbach und dem Herzogtum Bayern. Die Selbstständigkeit erforderte jeweils kluges politisches Agieren, was Reichenau beherrschte, ebenso wie eine gezielte Erwerbs- und Verkaufspolitik. Er verbesserte die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse und hinterließ als bedeutender Bauherr und Förderer der Künste viele Spuren.

In der Reichspolitik nahm er eine herausragende Stellung ein. 24 Jahre seiner Zeit als Fürstbischof war er kaiserlicher Anwalt bei 13 Reichstagen, Reichsdiplomat in vielen Ländern und Streitschlichter unter den Ständen des Reiches. Wilhelms Stellung wurde dabei untermauert durch das Kanzleramt des Erzbistums Mainz.

Nicht nur seine Einbindung in ein humanistisches Netzwerk, sondern auch die Nähe zu seinem Vorgänger Johann von Eych ließ Wilhelm von Reichenau dessen Werk fortführen. Die Ziele, die sich die Konzilsväter von Basel zur Reform der Kirche gesetzt hatten, sollten durch regelmäßige Provinzialkonzilien und Diözesansynoden sowie umfangreiche Bestimmungen über Reformen für Gottesdienst und Stundengebet erreicht werden. So wie sein Vorgänger ist Reichenau fest entschlossen, seine Diözese in diesem Sinn zu reformieren. Er schärfte die Basler Reformstatuten erneut ein, versah sie mit Ergänzungen und nutzte bei der Umsetzung das neue Medium des Buchdrucks. Unter dem Aspekt einer verbesserten Ausbildung des Klerus unterstützte er auch die Gründung der Universität Ingolstadt.

Eine wichtige Voraussetzung seiner Reformtätigkeit wurde die Generalvisitation des Bistums 1480. Ihr Protokoll ist das einzige aus der damaligen Zeit erhaltene Dokument, das sich mit der Disziplin des Pfarrklerus einer ganzen Diözese befasst und Aufschluss über das Verhalten der Geistlichkeit, aber auch über die Religiosität der Gläubigen gibt. Hauptmängel beim Klerus waren übermäßiger Weingenuss - die damals weit verbreitete "Volksseuche", häufige Wirtshausbesuche, verbunden mit Karten- und Würfelspiel. Bei rund einem Fünftel wurden Zölibatsverstöße festgestellt, bei etwa einem Drittel fehlten die Weihedokumente ebenso wie die liturgischen Bücher.

Positiv formuliert waren nahezu zwei Fünftel der Geistlichkeit von Mängeln frei. Die Laien erfüllten in erstaunlichem Maß die Kirchengebote wie Osterbeichte und Kommunion, kirchliche Trauung, sonntäglichen Gottesdienstbesuch und Fastengebote. Spannungen zum Klerus gab es vor allem wegen der Abgaben, wobei zu berücksichtigen ist, dass die meisten Pfründen den Priestern nur ein karges Leben ermöglichten. Insgesamt scheint trotz Mängeln die damalige religiöse Situation der Kirche von Eichstätt einigermaßen intakt gewesen zu sein. Ein wesentliches Ergebnis der Visitation von 1480 war das Bemühen Bischof Wilhelms, die Einheit im Vollzug des Ritus in seinem Bistum herzustellen.

Dabei kam ihm der wenige Jahre zuvor erfundene Buchdruck zugute, dessen Wert er früh erkannte und für seine pastoralen Bemühungen nutzte. Bereits 1483 ließ er in Würzburg ein Eichstätter Brevier, also ein Gebetbuch für Geistliche, drucken. Vermutlich ab dem gleichen Jahr ließ er mit Michael Reyser in Eichstätt eine Buchdruckerwerkstatt betreiben, vorwiegend zur Herstellung liturgischer Bücher. Das erste hier gedruckte wichtige Werk waren 1484 die neuen Synodalstatuten. 1486 entstand erstmals das Eichstätter Missale, das Messbuch, und 1488 druckte er ein sogenanntes Rituale. Ein weiterer erfolgreicher Akzent Reichenaus war die Ordensreform. Dazu gehörten auch zwei Klostergründungen mit straffer Führung. Bereits 1469 wurde die beim Kloster Rebdorf gelegene Beginenniederlassung in ein Augustiner-Chorfrauenstift mit dem Namen Mariastein umgewandelt und der Aufsicht Rebdorfs unterstellt. 1488 gründete Wilhelm das Augustinerinnenkloster Marienburg bei Abenberg und besetzte es mit Mariasteiner Chorfrauen.

Die Volksfrömmigkeit damals war ausgeprägt und das Stiftungswesen lebendig. Die Verehrung der Diözesanheiligen Willibald und Walburga erlebte eine Blütezeit. So ließ Reichenau 1492 Reliquien der Bistumsheiligen an König Heinrich VII. von England zur Verehrung in ihrem Heimatland überbringen. Zur Intensivierung der Volksfrömmigkeit und zur sozialen Versorgung gehörte zwischen 1468 und 1486 auch die Gründung von Bruderschaften für die Handwerker in verschiedenen Orten.

Auf Wilhelm von Reichenau treffen die Kriterien des Humanistenbischofs zu: wissenschaftliche Kompetenz, Vertrautheit mit der Kultur Italiens, politische Erfahrung und Vernetzung, Förderung der kirchlichen Reform und die Gewinnung befähigter und gleichgesinnter Mitarbeiter. Humanistische Prägung und Kirchenreform greifen bei Reichenau ineinander und er stand in enger Beziehung zu anderen Humanistenbischöfen seiner Zeit. Wie sein Vorgänger nutzte er die Elemente der Reform des Baseler Konzils und bezog zusätzlich die Gründung der Universität Ingolstadt und die neue Technik des Buchdrucks in sein Reformwerk ein. Seine Souveränität und Weitsicht als gebildeter Reformbischof, Landesherr und Staatsmann waren damals beispielhaft.

Als Wilhelm von Reichenau 1496 starb, war der Anbruch eines neuen Zeitalters bereits greifbar, in dem sein Nachfolger Gabriel von Eyb dann die Wirren der Reformation und den dramatischen Niedergang der alten Kirche erlebte.